Kreuzwand (2132m) via Luftige Kante (V-)
Kreuzwand (2132m) via Luftige Kante (V-)

Kreuzwand (2132m) via Luftige Kante (V-)

Eigentlich sollten Ende Juli noch eine Tourenträumchen erfüllt werden, dass schon ein wenig länger auf der Liste steht obgleich direkt vor der Haustür. Die Kubanek-Spindler in der Musterstein-Südwand. Liebe auf den ersten Blick. Die Tour kann noch so unlohnend sein – klettern will ich sie trotzdem mal. I mean look at this.

Im Oktober 2022 haben wir die Idee zu dieser Tour verworfen und sind stattdessen die wesentlich leichtere alte Ostwand an der Partenkirchener Dreitorspitze geklettert. Wahrscheinlich war das gut so. Ein halbes Jahr später hat sich bereits viel getan. Der VI. Grad ist geklettert, ein paar Touren jenseits aller Erwartungen sind sich ausgegangen und die Motivation ist groß.

Nur heute nicht.

Irgendwo zwischen leicht angeschlagen und einer schlaflosen Nacht sind Hannah und ich uns ziemlich einig, maximal etwas Kleineres anzugehen. Mir fällt eine Kletterei ein, mit der ich im letzten Jahr oft geliebäugelt hatte. Und da wir neulich im Abstieg von der Viererspitze genau dort entlanggekommen sind und die Ecke für schön befunden haben zieht es uns heute hier her. Ins Dammkar – einen engen und imposanten Schotterschlauch über Mittenwald. Umrahmt und beschattet von eindrucksvollen, steilen Karwendelwänden. Ein Geheimtipp ist dieses Gebiet bestimmt nicht, im Soldatenweg am Predigtstuhl geht’s zu wie am Stachus und auch die luftige Kante ist bekannt und beliebt. Da wir spät loskommen ist uns klar, dass wir heute – untypisch für uns – wohl nicht ganz alleine sein werden.

Der Zustieg lässt sich bis zur Materialseilbahn auch mit Mountainbike machen oder mit E-Bike komplett entschärfen. Hätten wir fast machen können, ganz fit sind wir beide wirklich nicht. Aber die Zeiten, in denen ich ich eines von Beidem tue liegen hoffentlich in sehr ferner Zukunft. Der letzte MTB-Zustieg war beinahe traumatisch. Also heißt es latschen. 4 Kilometer und 800 Höhenmeter zur Dammkarhütte – entlang steiler und öder Forststraßen und einem kurzen Steiglein am Ende. Von der gut besuchten Hütte geht es nochmal rund 200 Höhenmeter durch die karge aber hübsche Schotterlandschaft der vorderen Dammkars, welches eine große Rechtskurve beschreibt. Obwohl man seit geraumer Zeit um die Kreuzwand herumgelaufen ist, zeigt sich die luftige Kante erst, wenn man kurz vor ihr steht. In unserem Fall ist die Orientierung besonders leicht – immer den schreienden Seilschaften nach. Man landet entweder in der luftigen Kante, der Joe Muff oder der MaMa-Kante.

Tatsächlich haben wir diese drei Kandidaten auch bis zuletzt am gegeneinander abgewägt. Wir wollten dort einsteigen, wo der wenigste Andrang herrscht. Pauschal eine feine Idee. Aus der Nähe betrachtet, hängen aber in jeder Route mindestens 2 Seilschaften in den unteren Seillängen. Nagut. MaMa-Kante ist uns für heute zu rustikal. Die Joe Muff ist ganz unten besetzt und die Seilschaft dort wirkt auch etwas hektisch-angestrengt. Immer wieder fliegen Steine. Dann wird es wohl der Weg des geringsten Widerstandes, die luftige Kante.

Diese ist linkerhand ein bisschen weniger markant als die MaMa-Kante, die schöne und plattige Linie ist aber leicht auszumachen und der Einstieg mit einer Tafel schnell gefunden.

1. Seillänge (III)

Hannah steigt vor und verschwindet schnell durch das sehr leichte Gelände um’s Eck. Kurz darauf heißt es schon Stand. Ich steige das kurze Stück nach und bewundere den Abseilstand auf dem Absatz, den Hannah sich geschnappt hat. 30 Meter waren das irgendwie noch nicht.

2. Seillänge (V-)

Ich steige weiter und komme ein paar Stichbohrhaken später am eigentlichen Standplatz mit einem soliden Ringhaken vorbei. Merken wir uns mal – die sehen alle so aus. Aber jetzt nochmal Stand zu machen bringt auch nichts, wir können uns mit 60 Meter Einfachseil durchaus einen eigenen Rhythmus gönnen. Wirklich kantig ist hier noch nichts. Im weitläufigen und gestuften Gelände geht es höher. Überall und nirgendwo kann geklettert werden – überall und nirgendwo findet man diverse Generationen und Arten von Haken. Nach einigen entspannten Metern im festen Fels stehe ich vor einem “Stück” Platte, welches von einigen Wasserrillen durchzogen in die breite Rampe eingebettet liegt. Was geht ab Mittenwald? Mittendurch zieht eine Linie Haken geradewegs durch das Felsschild.

Rechts einfache Schrofen. Links eine mutmaßlich lässige Kante (die ihren Namen wenigstens verdienen würde). Aber nein. Wir wollen hier jetzt mittig über die Platte rutschen. Klar wirft das spannende Kletterei auf und ist mit V- auch die Schlüsselstelle der Tour. Aber es fühlt sich doch ein wenig an wie mittels Lasso einen Delfin zu bändigen um auf dessen Rücken die Isar zu überqueren, während nebenan die Luitpoldbrücke steht.

Die Platte ist halbwegs trickreich – vor allem der erste Meter und erste Zug auf den Rücken des Delfins. Ich gehe die Sache etwas Rechts der Fallinie der Haken an und schiebe mich dann nach Links in die Wasserrille. Danach geht es – nach oben immer leichter werdend – an den schönen und rauen Wasserrillen entlang in leichteres Gelände. Die Absicherung ist in diesem Bereich sehr gut. Zumindest solange man erfolgreich verdrängt, dass Stichbohrhaken keine soliden Fixpunkte sind und eher wie Normalhaken gesehen und behandelt werden wollen.

3. Seillänge (III+)

Die dritte Seillänge führt über schönen, gestuften und stellenweise sehr festen Fels durch die immer noch weitläufige Rampe. Wir befinden und ein gutes Stückchen Rechts der Kante und finden – wenn man sich an den kleinen Dingen erfreuen kann – einige echt hübsche Kanten und Griffe. Ringsum schallt es aus der MaMa-Kante und Joe Muff hinüber und wir fragen uns auch, wann wir auf die vorausgehenden Seilschaften auflaufen. Wir sind trotz mangelnder Form ziemlich flott unterwegs – das Gelände ist bisher aber auch ein absoluter Selbstläufer.

4. Seillänge (IV-)

Hah! Endlich eine Kante. Zumindest enfährt mir sowas als ich als einzig logischen Weiterweg aus einer kleinen aber hübschen Verschneidung direkt auf die gestufte und einfache Kante wechsel. Luftig – mag sein. Inmitten von Latschen und und viel zu guten Griffen und Tritten bekomme ich davon aber wenig mit und richtig steil ist es auch nicht. Kurz darauf lehnt sich das Gelände zurück und führt auf fast schon Pfadspuren über einen kurzen und umwucherten Gratabschnitt zum Standplatz vor einem großen, sperrenden Block. Welcher besetzt ist.

Ohne dass ich großartig frage, werde ich aufgeklärt: “Servus! Die vor uns san richtig langsam, da schleichen wir jetzt schon ewig hinterher”. Ich erinnere mich. Vor ziemlich genau einem Jahr war ich an der Daumenkante in den Dolomiten in einer sehr ähnlichen Lage. Damals hatten wir auch eine relativ überforderte, streitlustige und langsame Seilschaft vor uns, die generell als Erstes in die beliebte Route eingestiegen waren. Wir waren damals der festen Überzeugung “dass man nicht überholt”, hatten brav gewartet und sind dann von einer Heerschar wilder Italiener über den Haufen gerannt worden.

Seitdem – und auch seit einigen anderen Erfahrungen – vertrete ich eher die Meinung, dass man sich seinen Platz in einer chilligen Kalkalpenkraxelei durchaus auch verdienen und behalten muss. Und es nicht selbstverständlich ist, dass eine Seilschaft stundenlang in der prallen Sonne (und Steinschlagrisiko) abhängt, bis man seine Probleme gelöst habe. Das würde ich von einer Seilschaft hinter mir auch nicht verlangen. Im Gegenteil. Ich bin lieber Jäger als Gejagter – mit auflaufender Seilschaft von unten klettert sich wirklich wirklich unentspannt.

Ich mache den Stand etwas tiefer – wir praktisch, dass das sogar einer ist. Dass die beiden im weitläufigen Gelände also schon länger frustriert hinter einer offenbar eher schwergängigen Dreierseilschaft hinterherschleichen, kann ich nur so halb verstehen. Wir hatten die anderen Seilschaften ja vom Einstieg aus gesehen. Und in der Zeit in der wir die unteren 4 Seillängen geklettert sind, hat sich hier oben scheinbar nur sehr wenig bewegt. Wir machen trotzdem eine kurze Pause, bei der ich begeistert feststelle, dass meine Flasche nun auch auf ihrer Unterseite ein Loch hat.

Praktisch.

5. Seillänge (4+)

Hannah steigt vor, nachdem die beiden vor uns ums Eck verschwunden sind. Irgendwann ist wohl auch ein Stand erreicht, aber ich komme nicht nach weil wir wohl warten müssen (wollen, sollen). Als es nach 10 Minuten und einem eindrucksvollen Steinschlag aus dem oberen Teil der Route hinab ins Viererkar weitergeht, staune ich nicht schlecht über den kleinen “Spreizschritt”. Links des sperrenden Blocks ist ein kleiner, abdrängender Überhang zu überwinden. Irgendwie gerade so, dass man sich nicht richtig reinspreizen kann. Etwas abdrängend, etwas kleingriffig, etwas verkopft. Interessante kleine Stelle, die sich als zweite Schlüsselstelle auf einem Meter nochmal deutlich von der übrigen Kletterei an der kantigen Lufte abhebt.

Ich schließe zu Hannah auf – man quert noch ein Stück aussichtsreich und an einigen Stellen etwas brüchiger unter der eigentlichen Kante entlang durch gestuften und leichten Fels. Das Gelände ist aber weiterhin sehr weitläufig. Was mich dazu animiert weiterzusteigen und in der für uns letzten Seillänge nicht mehr auf die anderen Seilschaften zu warten. Hannah hat ihren Standplatz erneut einige Meter hinter den beiden vor uns gemacht und so bewaffne ich mich mit ein paar Friends um parallel meinen eigenen Weg zum Ausstieg zu suchen.

6. Seillänge (IV-)

Die Seilschaft vor uns nimmt’s Gelassen – ich sag kurz Bescheid und halte mich dann mit etwas Abstand neben dem Seil unserer Vorgänger auf den letzten, scharfkantigen Aufschwung zu. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich nun mein Überholmanöver mit wilder, mobiler Absicherung teuer bezahlen muss. Tatsächlich finde ich aber solide Schlaghaken neben der Spur der anderen Seilschaft, sodass die Friends am Gurt und die Absicherungen entspannt bleiben.

Direkt nach dem Aufschwung flacht der Grat wieder ab und führt sehr scharf und zackig zu einem Abbruch von vielleicht 2 Metern in eine kleine Scharte. Tatsächlich nochmal eine richtig lässige Seillänge – ohne den Trubel wäre es vielleicht sogar die schönste gewesen. Für einen ganz kurzen Moment, so finde ich, kann man hier Daumenkante spielen. Ohne dabei nennenswerten Schwierigkeiten zu begegnen.

In der Scharte angekommen hole ich Hannah an einem Köpflstand nach. Ein wenig ungemütlich hängend, ein wenig gezweckt über der Scharte. Aber der gewöhnliche Standplatz ist belegt und wir hatten es gerade eilig. Alles entspannt.

Gipfelausstieg (III)

Mit einem Blick in die Kletterei zum Gipfel, die theoretisch auch nochmal gesichert werden könnte, beschließen wir die Seile wegzupacken. Kurz bevor die Dreierseilschaft hier einsteigt, schlüpfen wir noch seilfrei vorbei und rauschen gen Gipfel. Ein paar hübsche Schrofen, eine vage Verschneidung und kurze Stellen im oberen II. Grad führen in wenigen Minuten auf den Grat. Die III aus der Topo haben wir meiner Meinung nach nicht gefunden. Vieles lässt sich umgehen, vieles ist einfach steile Wiese.

An einem kleinen Gipfelsteinmann machen wir eine kurze Rast und lassen den Blick schweifen. Der bekannte Blick nach Norden über Walchensee und in die Voralpen. Mich beeindrucken vor allem die schroffen Wände im Süden, die man so vermutlich wirklich nur von der Kreuzwand aus einsehen kann. Eigentlich schon eine hübsche Gegend und nette Tour, die aber keinen wirklich besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen wird. Aber zumindest eine Tour von der ToDo-Liste gestrichen und ein paar Klettermeter reicher – jammern auf allerhöchstem Niveau.

Abstieg (II)

Wir gehen den Abstieg an, den wir ein paar Wochen zuvor im abendlichen Alpenglühen bereits beim Abstieg von der Viererspitze gesehen hatten. Es sind nur 10 Minuten und vielleicht 80 Höhenmeter, bis die Viererscharte erreicht ist, die den Übergang ins Dammkar vermittelt. Auf diesem kurzen Stück sollte die Konzentration nochmal kurz reaktiviert werden – nicht selten geht es über steile und teils brüchige Schrofen hinab. Diese brechen einige Meter weiter ausreichend weit ins Dammkar ab. Eine subtile Pfadspur und Bohrhaken (erst im leichten Gelände?) sind aber vorhanden und die Picknickwiese zwischen Viererspitze und Kreuzwand rasch erreicht. Wer sich den kurzen, alpinen Abstieg sparen will, kann am Ende der Kante auch durch eine Rinne abseilen. Da ich diesen Weg nicht gegangen bin, kann ich auch wenig dazu sagen. Im Internet gibt es wie immer Informationen – teils widersprüchlicher Natur.

Wer weiß, wer weiß

Auf dem bekannten und etwas rutschigen Pfad steigen wir zurück ins Dammkar (der vordere Abschnitt mag an der einen oder anderen Stelle übrigens auch Viererkar heißen) und surfen dann einige Höhenmeter bis zur Wiese ab. Dann geht es in wenigen Minuten zur Dammkarhütte auf ein alkoholfreies Bier.

Wenn schon gemütlicher Tag, dann richtig.

Von dort fällt mir auf, dass die Kreuzwand ein eigenes Gipfelkreuz auf ihrem östlichen Eck hat, welches man von der Dammkarhütte sieht. Für uns oben ist das vor den grauen Wänden irgendwie untergegangen. Ist ja fies. Waren wir dann überhaupt oben? Eigentlich sah das bei uns ziemlich arg nach dem höchsten Punkt aus? Ist das da drüben einfach ein Signalgipfel? DARF ICH DAS DING JETZT IN MEIN GIPFELBUCH SCHREIBEN? RAAAAA. Ich brauche Antworten11!11!


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Sehr leichte und intuitive Wegführung auf einer oft weitläufigen und gar nicht so luftigen Kante. Dabei befinden sich neben den guten Ständen und recht soliden Stichtbohrhaken auch noch zahlreiche Schlaghaken aller Generationen in und neben der Route. Mitnahme von Friends schaut zwar unfassbar lässig aus, dürfte aber normalerweise kaum notwendig sein. Die zwei – durchaus knackigen – Schlüsselstellen sind für meinen Geschmack recht fair bewertet. Abseits dieser Meter überwiegt für mich leichtes Gelände irgendwo zwischen dem II. und III. Grad, welches sehr gemütlich gestiegen werden kann. Ich hatte es mir einen Hauch schwieriger und damit auch interessanter vorgestellt.

Wir waren mit 60 Meter Einfachseil, einigen (alpinen) Exen und ungenutzten Friends unterwegs. Die Abseilpiste wäre damit aber keine Option gewesen.

Zusammenfassung

Nette, kleine und einfache Kletterei im Dammkar. Mit großem Andrang und wenigen richtig lohnenden Seillängen aber nichts, was ich als eigenständiges Ziel nochmal brauche. Dafür ist der Zustieg (ohne Bike) dann doch zu zäh und die attraktiven Alternativen zu zahlreich.

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