Sagt der Google Übersetzer. Na bei solch einem klangvollen, liebkosenden Namen ist man ja fast schon verpflichtet einzusteigen. Dabei sind wir gar nicht so masochistisch veranlagt und haben uns für unseren zweiten Tag auf, in und über Sardinien etwas ganz gemütliches rausgesucht. In der kräftig-vertikalen Zanahoria des Vortags sind nicht nur Tauben und Jans mit ausbrechenden Schuppen verflogen, sondern auch das Bedürfnis direkt nochmal im groben Nahbereich unseres Limits zu Klettern.
Nebenan steht das Supramonte, das zweithöchste Gebirge Sardiniens. Bereits bei den Fahrten am Vortag haben wir immer wieder die grellen, weißen Kalkmauern inmitten der grünen Hänge bewundert. Ein sardisches Kaisergebirge. Zumindest liegt der Vergleich beim Anblick der senkrechten und von vielen Rissen und Pfeilern durchzogenen Berge in dominanter Lage für uns nahe.
Aus den unzähligen und oft langen und abgeschiedenen Unternehmungen an diesem Gebirgsstock, haben wir uns (so glauben wir) den Weg des geringsten Widerstandes ausgesucht. 200 Meter Kletterlänge aufgeteilt in 4 Seillängen von denen zwei im V. Grad anzusiedeln sind. Die Stupidi e Malprotetti bahnt sich einen eleganten Weg über ein offensichtliches Pfeilersystem in der Westwand der Punta Carabidda. Dazu ein rascher Zustieg von wenigen Minuten und Höhenmetern & laut Führerliteratur sanierte Stände und teilweise gebohrte Zwischenhaken:
Anfahrt
Der Clue an der Punta Carabidda ist nämlich auch die Möglichkeit dem Berg bis auf 1000 Meter über NN. über eine Passstraße auf die Pelle zu rücken. Da der Berg selbst nur 1321 Meter misst, kann man sich leicht ausrechnen wie gemütlich der Zustieg zum Wandfuß ausfällt. Ein Kilometer und 150 Höhenmeter sind zu überwinden. Selbst im Sarcatal wäre man neidisch. Und dafür darf man sich hier trotzdem wie im Hochgebirge fühlen. Die Dächer von Oliena liegen rund 800 Meter tiefer und der Mangel anderer, ebenbürtiger Gebirgskämme macht sich bemerkbar. Tief- und Fernblicke sind schon bei der Anreise berauschend und nehmen im Routenverlauf rasant zu.
Bevor nun aber jeder ins Auto springt und den sardischen Kaiser motorisiert erobert seien noch ein paar Anmerkungen zur Anfahrt gemacht. Auf keinen Fall in Oliena Google Maps durch das Stadtzentrum folgen. Man landet in Teufels Küche. Beziehungsweise in Olienas Gassen, durch die man sich unter den verurteilenden Blicken sardischer Omis in Milimeterarbeit durchwurschteln kann. Keine Ahnung woher ich das weiß.
Ziel der Fahrt sollte der Aussichtspunkt “Tuones” sein, welcher durchaus auch von Touristen und Einheimischen mit diversen PKWs besucht wird. Die Liebe, die man seinem Fahrzeug gegenüber hat darf dafür aber nicht zu ausgeprägt sein. Ab dem Monte Maccione geht es über steile, teils erodierte Schotterpisten in endlosen Serpentinen hinauf. Für uns war das Erlebte relativ dicht an der Schmerzgrenze dessen, was wir einem VW-Bus zumuten wollen und ein niederländisches Pärchen hat vor uns einen Rückzieher gemacht. Bei Nässe lässt sich dieser Pass vermutlich rasch nur noch mit Allradantrieb bezwingen – bei den Idealbedingungen unseres Besuches…Geschmacksache.
Zustieg
Während Motor und Hitze um die Wette brüllen, erreichen wir den Aussichtspunkt und parken am Straßenrand. Wir packen unsere Rucksäcke, schmieren schonmal etwas Sonnencreme vor und starten in Richtung Scala ‘e Pradu, der Passhöhe, welche in das Karstplateau des Supramonte mündet. Kurze Zeit später stehen wir schon an der letzten Kurve vor der besagten Passhöhe und biegen nach links auf einen kleinen Pfad ab. Die Tour und unser Pfeiler liegen dermaßen offensichtlich und zugänglich vor uns, dass es nur wenige offene Fragen gibt. Auch die markante Einstiegsverschneidung unter einer Eibe ist bereits auszumachen.
Nach einer kurzen, schotterigen Querung an den Pfeilerfuß erreicht man eine kleine Scharte mit einem Baum. Hier wenden wir uns der Wand zu, erklettern in einfacher Kraxelei ein offensichtliches Band und folgen diesem nach rechts um ein kleines Eck zu einem Absatz auf der Südseite des Pfeilers. Hier haben wir mehr als genug Platz die Gurte anzuziehen, in die Kletterlatschen zu wechseln und die Schlosserei zu zücken.
1. Seillänge (V+)
Klassischerweise steigt Hannah in die erste Seillänge ein und arbeitet sich mit einem #1 Friend in die griffige Verschneidung unter der Eibe. Einige Meter weiter stößt sie auf den ersten, brauchbaren Bohrhaken und an der Eibe angelangt geht sich auch noch eine Baumschlinge aus.
Wäre da nicht die Tatsache, dass der Vorstieg einer Seillänge Hannah fast 45 Minuten kosten wird, während ich unten langsam aber sicher von der Sonne gegrillt werden. Als noch Rufkontakt besteht, bekomme ich mit, dass der Weiterweg nicht ganz offensichtlich ist. Im Kletterführer wurde davor gewarnt, zu weit rechts oder links in andere Routen zu geraten und entsprechend argwöhnisch sind wir bei jedem Bohrhaken der auftaucht. Rückblickend – nicht vollkommen elegant. Denn die Bohrhaken, die in Frage kommen gehören ziemlich unmissverständlich zu unserer Route und haben auch ihre Berechtigung.
Im Nachstieg dämmert mir rasch, warum Hannah so lange gebraucht hat. Zwar ist es hier gar nicht so “malprotetti” (schlecht abgesichert), wie der Routenname verspricht. Und “stupidi” (dumm) finde ich die Linie auch nicht. Aber die Kletterei entpuppt sich als knüppelhart.
Was sich im Kletterführer ganz lieblich als “einen schönen Riss rechts der Kante aufsteigen (V, eine Stelle V+)” liest, entpuppt sich als absoluter Kraftakt. Wir sind uns sofort einig, dass es sowas weder daheim noch in Sardinien unter einer VI+ geben dürfte. Nach einer angenehmen Plattenquerung lande ich auf einem unübersichtlichen, luftigen Pfeiler und arbeite mich bereits hier mit einem Hänger durch die irritierend schweren Züge. Der Riss rechts vom Pfeiler wirft kaum gute Griffe oder Kanten ab. Der Fels ringsum ist abdrängend und kleingriffig. Ich umarme den Pfeiler links des Risses und schiebe mich irgendwie von Zug zu Zug – wohlwissend, dass ich hier jederzeit abschmieren könnte. Die meisten kleinen Leisten sind Glücksgriffe kurz vorm Sturz und obwohl ich mir eingebildet hatte inzwischen ausreichend weit über den Schwierigkeiten zu stehen, bekomme ich keinen einzigen Meter wirklich besonnen geklettert. Mir fehlt völlig die Idee und das Gespür für den abdrängenden, glatten Fels. Am Standplatz, mit Bohrhaken gut eingerichtet aber nicht zum Abseilen gedacht, gibt es erstmal eine kurze Krisensitzung. Hannah hat in ihrem Vorstieg nachvollziehbarerweise auch einige Körner gelassen und nicht zu viel Freude empfunden.
2. Seillänge (IV)
Ich steige weiter. Die nächste Länge soll einfach sein. Über uns – leicht rechts – sehen wir einen Bohrhaken. Wir sind uns aber auch hier nicht wirklich einig, ob er nicht zu der Route rechts von uns gehört und so probiere ich mich erstmal an einer etwas schwierigeren Umgehung an einem Riss links der idealen Linie, den ich mit einem blauen Totem absichere. Als ich dann ein kurzes Band erreiche und die weiteren Möglichkeiten abwäge, komme ich schnell zu dem Schluss, dass der Standplatz rechts über mir und der nun nicht mehr erreichbare Bohrhaken unter diesem zu unserer Route gehören. Ein kurzer Abgleich mit dem Wandbild und den darin erkennbaren Büschen bestätigt den Eindruck: Die zweite Seillänge führt sehr kurz und leicht rechtshaltend hinauf – und mündet direkt unter einer Rissspur im Standplatz an einem Busch.
Ich hole Hannah nach, die die etwas direktere Linie geht und wir staunen über den bösen Blick auf die winzigen Häuser im Tal. Der Tiefblick passt so gar nicht zu den bisher von uns zurückgelegten Höhen- und Klettermetern. Und Hannah passt es so gar nicht, dass sie wieder eine harte Länge vor sich hat. Und die Schwierigkeiten…ach egal.
3. Seillänge (V)
Hannah steigt ein paar griffige Blöcke empor und erreicht einen steilen Riss von einigen Metern Höhe. Auch dieser ist eine Welt für sich. Abdrängend und trittarm. Die Lösung scheint ein schiefer, schlechter und kleiner Griff nach einem selbst für mich brutal weiten und kühnen Zug zu sein. Selbst mit Friends verstärkt fühlt sich die Passage nicht sicher an – ein kontrolliertes oder kraftsparendes Steigen, wie man es sonst vom V. Grad kennt ist nahezu nicht möglich. Zumindest ergeht es Hannah so. Und mir im Nachstieg auch. Unübersichtliches Zeug. Als Hannah die schwere Stelle gerockt hat, stolpert sie über einen außerplanmäßigen Standplatz. Da ich bisher nur leichtes Gelände geklettert bin und Hannah sich in den überraschenden Herausforderungen der Tour ordentlich abgekämpft hat, wäre es sehr logisch hier Stand zu machen und mich in den anschließenden Riss zu schicken:
Ja und die Hannah so:
Zack. Verloren. Immerhin gibt sie später zu, dass sie es bitter bereut hat hier nicht die Führung wechseln. Ebenfalls verständlicherweise – nochmal komme ich bestimmt nicht so gut davon. Auf jeden Fall kämpft sich Hannah den zweiten Riss auch noch empor, welcher sich als passabler Offwith herausstellt. Zu schmal, um sich mit Kamintechnik sauber einzuspreizen. Zu breit um in irgendeiner Form brauchbar greifen oder piazen zu können. Gerade richtig, um ziemlich cringe halb im Riss und halb auf einem senkrechten, glatten Pfeiler zu klemmen und sich ein entspannteres Hobby zu wünschen. Und im Falle von Hannah dürften die Wünsche auch einen großen #4er Cam beinhalten, der leider im Auto geblieben ist und hier einen perfekten Job gemacht hätte. Denn hier hat es an entscheidender Stelle auch nur einen Schlaghaken, über dem sich gar nicht allzu entfesselt klettern lässt. Ist der Riss einmal überwunden, geht es leicht nach rechts durch eine kurze Verschneidung und tatsächlich ganz angemessene und feine Kletterei zum Standplatz. Hier lehnt sich der Pfeiler bereits zurück und lediglich eine Seillänge voller einfacherem Fels trennt uns vom Ausstieg und Gipfel.
Wir philosophieren bereits ein wenig was hier los ist. Waren wir heute wirklich so fertig vom Vortag? Eigentlich nicht. Und bei dem kurzen Zustieg und wirklich nur 2 schweren Längen können wir uns unsere Verfassung und unseren bisherigen Zeitbedarf kaum erklären. Aber es war wirklich ein Kraftakt hier hochzukommen. Ich bin überzeugt, dass eine Route mit dieser Dichte an anstrengender, exponierter Kalkkletterei in unseren breiten ein ganz großer Klassiker wäre. Einen, den man etwa in der Südwand der Roten Flüh oder am Totenkirchl erwarten würde. Und ich bin überzeugt, dass Hannah uns heute beide durch diese Tour getragen hat.
4. Seillänge (III+)
Ich schnüre den Sack zu und gehe unter Aufwand des Großteils unserer 60 Meter Seile den Grat zum Gipfel an. Über dem Stand folgt eine kurze, spaßige und schmale Gratpassage mit einigen hübschen, weißen Kalkzacken. Danach verläuft sich der Grat wieder in einem breiteren Wändchen und eine Vielzahl an denkbaren Wegführungen zieht gen Gipfel.
Fixe Absicherung finde ich hier keine mehr. Allerdings lassen sich ein paar Sanduhren fädeln und im sonst bombenfesten, griffigen und endlich tatsächlich einfachen Fels vermisse ich auch keine Bohrhaken. Am Plateau angekommen, bastel ich einen Stand mit Friends an einem abgesprengten Block und einem rostigen Schlaghaken. Etwas unbequem und zweckmäßig – aber das Beste, was die Erhebung auf der Hochebene hergibt. Die letzte Länge führt auf jeden Fall durch kontrollierbaren und festen Fels, der über Platten oder Verschneidungen erklommen werden kann.
Abstieg
Nach einer Gipfelrast in der Nachmittagssonne geht es durch einfaches, wegloses Karstgelände nach Süden zur Passhöhe. Während die umliegenden Gipfel nach Westen vertikale Wände zeigen, überwiegt hier oben eine sanfte Weite, in der sich die einzelnen Gipfel fast gänzlich verlieren. Selbst der gegenüberliegende Monte Corrasi, der höchste Punkt des Supramonte, macht eine sehr kümmerliche Gestalt. Der Blick von der Hochebene weg in die Täler hingegen ist irre – eine Dominanz, die man sich in den Alpen hart erarbeiten müsste.
Wir mussten sie uns heute auch hart erarbeiten. Aber das ist selbstverschuldet. Über die Passstraße und den Wanderweg wären wir vom Auto in 20 Minuten auf den Gipfel der Punta Carabidda gelangt. Aber dann hätten wir nie erfahren, wie garstig eine V+ sein kann. Und hätten eine eindrucksvolle Felsfahrt durch einen idealen Kalkpfeiler verpasst.
Im kurzweiligen Abstieg sehen wir die Route nochmal im Profil. Schön sieht sie aus. Wir machen all die Risse und Einzelstellen aus, die uns so viel Zeit und Nerven gekostet haben. Und zweifeln an unseren Plänen für den Folgetag. Denn da hatten wir uns eigentlich die fast schon sagenumwobene und auf dem Papier drastisch schwierigere Aguglia di Goloritzè eingebildet. Demoralisierter könnte man nicht sein.
Und dabei ist noch gar nicht geklärt, ob der Stress von unser oder dem Stück Fels ausging. Im Zweifel aber immer Ersteres.
Schwierigkeit, Versicherung und Material
Eine wirklich harte Route. Ja – wir waren vom Vortag eventuell bereits ein wenig gegrillt und nicht im Besitz unserer absoluten Maximalkraft. Ja – wir sind bisher oft ohne Risse ausgekommen und speziell in diesem Kletterstil wahrscheinlich ein wenig schwächer aufgestellt. Aber der 5. Grad an der Punta Carabidda hatte so absolut gar nichts mit dem gemein, was mir bisher zwischen Allgäu und Dachstein, Frankenjura und Arco unter die Finger gekommen ist. Die Kletterei ist wunderschön und nicht schlecht abgesichert, benötigte für uns aber einige Friends zwischen #0.4 und #3 und stellenweise kühne Kletterei. Im letzten Riss kann wahrscheinlich auch noch größeres Material versenkt werden. Die beiden schweren Längen sind gleichermaßen anhaltend wie exponiert und vor allem durchgehend sehr unübersichtlich. Wirklich gute Griffe, Tritte und Placements sind Mangelware und wir waren rasch und relativ dauerhaft am Limit. Gefühlt fällt die 3. Seillänge sogar nochmal einen Hauch härter aus, obwohl sich die V+ in der ersten Länge befinden soll und oben nur noch im glatten V. Grad geklettert wird. In den Gebieten, in denen ich mich sonst so rumtreibe, würde die Stupidi e Malprotetti sich gut in klassischen VIer Routen mit Stellen VI+ einfügen. Wir haben auf jeden Fall etwas anderes erwartet und waren am Vortag mit der 6a+ der Zanahoria chilliger unterwegs.
Die Stände sind gebohrt. In den Seillängen sind einige Bohrhaken in relativ regelmäßigen aber sehr weiten Abständen an den neuralgischen Punkten. Wirklich mehr als 3-4 sind es in meiner Erinnerung in den langen und schweren Längen aber auch nicht. Dazu gibt es vereinzelte Schlaghaken. Ob das ausreicht, muss jeder selbst wissen. Für meinen Geschmack ist man mit einem Set Friends aber wesentlich besser und sicherer aufgestellt. Schlingen und Sanduhren spielen in dem sehr kompakten und symmetrischen Kalkpanzer eher eine untergeordnete Rolle.
Zusammenfassung
Aua