Geierwand – Alhambra (VI/VI+)
Geierwand – Alhambra (VI/VI+)

Geierwand – Alhambra (VI/VI+)

Die Zeit zwischen den Jahren war überaus produktiv – das feine Wetter hat natürlich seinen Teil dazu beigetragen. Zwischen zwei schneereichen und ausdauernden Tagen sehnen wir uns dann aber doch nach etwas Fels, Sonne und Südseite: Morgen soll es durch die Westrinne auf die Tiefkarspitze gehen – ein wuider Jugendtraum meinerseits. Gestern waren wir mit Skiern im knüppelharten und gar nicht ganz so trivialen Schnee am Pirchkogel unterwegs. Und auf dem Weg zu letzterem hat uns rechts der B171 eine überaus sonnige Wand angelacht.

Jaaa warte mal…

Arco für Arme. Die Geierwand kenne ich bisher nur für ihren Klettersteig, der bestimmt kein Geheimtipp ist, allerdings einer der eindrucksvollsten leichteren Eisenwegen ist. Tiefblicke garantiert, wobei die Steiganlage einen sehr eleganten Pfad durch die ziemlich senkrechte Wand findet. Bei meinen letzten Begehungen hier, ist mein Blick immer wieder nach links in die zentralere Wand gefallen, wo meistens auch einige Seilschaften in den zahlreichen Klettertouren zu Gange waren. Wild sah es aus. Steil.

Mit der Alhambra hat Kurt Bubik die bisher längste Route in die Geierwand gelegt. Die 430 Meter lange Führe ist eine der wenigen, die einen Durchstieg der Geierwand zulassen. Die allermeisten Touren enden auf einem breiten Band in der Wandmitte, einige führen weiter in die Hauptwand und münden dort in Abseilpisten und wenige münden in die Alhambra oder finden ihren eigenen Weg aus der steilen Wand über dem Inntal auf das bewaldete Plateau. Die Alhambra führt im rechten Wandteil, stellenweise recht nah am Klettersteig entlang auf das oberste Eck des breiten Bandes um dann den oberen Wandteil über ein rampenartiges Pfeilersystem zu überwinden. Die steile bis überhängende Hauptwand wird damit zwar geschickt umgangen – luftig dürfte es aber allemal werden und mit Stellen im oberen VI. Grad sollten wir auch recht gut bedient sein.

Zustieg (B)

Die Tage sind kurz und wir haben uns vom Vortag gemerkt, dass die Sonne erst gegen 10:00 oder 11:00 in die Wand fällt. Da wir die Tage auch mal in Nassereith einen Hauch zu früh und frostig gestartet sind, wollen wir heute klüger sein.

Der Zustieg ist ein Hauch von Nichts. Genuss pur. Kurz über die Brücke, den Schildern zum Klettersteig folgen. Wir entscheiden uns für den Zustieg über die linke Einstiegsvariante “Platteneinstieg” des Klettersteiges. Man könnte das breite Band auch von links auf den Pfaden und Zustiegen der anderen Mehrseillängen erreichen – das ist aber mehr Strecke auf kleinen, steilen und schotterigen Pfaden. Die haben wir in unserer Variante auch. Aber eben kürzer. Man könnte ferner auch eine Seillänge neben dem Klettersteig durch die Platte klettern. Uns zieht es heute aber in die Route, die wir uns vorgenommen haben. Die Tage sind kurz.

Das Klettersteigstück führt mit einer steilen Sprossenleiter durch eine rund 25 Meter hohe, plattige Verschneidung. Etwas unorthodox steige ich ohne Schlinge oder Klettersteigset das kurze Stück hinauf, Hannah folgt in selber Manier. Ist ja nur B. Dafür aber reichlich luftig und ich ertappe mich, wie ich kurz runterschaue und mir “hui” denke. Das passiert eigentlich nicht mehr allzu oft.

Oben angekommen folgen wir den Pfadspuren zum Weiterweg in den Geierwand-Klettersteig. Wenige Meter davor glänzt das Einstiegsschild der Alhambra in der Sonne, die inzwischen ordentlich in die südlich ausgerichtete Wand knallt. Wir ziehen unsere Gurte an, bestücken uns mit Expressschlingen und einer beinahe Tradition folgend, steigt Hannah in die erste Seillänge ein.

1. Seillänge (V-)

Den regelmäßigen und soliden Bohrhaken folgend geht es über den bereits überwiegend festen, löchrigen und rauen Fels in die Höhe. Für eine V- versteckt sich in der Mitte des Einstiegswändchens ein kurzer, recht steiler Aufschwung, an dem Hannah’s Aufwärtstrieb kurz ausgebremst wird. Auch im Nachstieg bin ich zwischen beeindruckt und begeistert, wie steil und griffig die Wand hier schon ist. Wer weiß, was uns oben noch erwartet.

Hannah in der schwierigsten Passage der ersten Seillänge

Damit ich nicht den ganzen Artikel über am Schwärmen bin, versuche ich das Thema Felsqualität an der Geierwand hier direkt einmal abzuhandeln. Zumindest bleibt der Eindruck, den wir in unserer ersten Seillänge in dieser Wand gewinnen für den Rest der Route (und für inzwischen auch weitere Begehungen an der Geierwand) bestehen.

Ich spreche aus keinem allzu großen Erfahrungsschatz – empfinde den Fels hier aber als extrem interessant und eine angenehme Abwechslung zu dem, was ich bisher in der Region geklettert bin. An den steilen Passagen, die es in dieser Wand zu genüge gibt, überwiegt eine für mein Empfinden begeisternd raue und löchrige Kletterei. Trotz der großen Beliebtheit der Route finden sich nahezu keine speckigen Stellen an den Griffen und Tritten – auch nicht in den offensichtlichen Schlüsselstellen. Die teilweise eher weiten und athletischeren Züge lösen sich in genialen Henkeln und Löchern auf. Überall gibt es feine, scharfe Leisten. Auf dem rauen, porösen Fels halten auch kühnere Tritte, die ich andernorts so nicht setzen würde. Abseits der vorhandenen aber kaum störenden Unterbrechungen mit etwas Schotter und Erde überwiegt sehr fester und vertrauenswürdiger Fels. Kurzum – wir haben unverhofft viel Spaß und feiern jeden Traumhenkel, den wir finden.

2. Seillänge (V)

Im selben Stil geht es für mich weiter. Ich arbeite mich von Loch zu Loch und Stufe zu Stufe. Immer wieder durchaus steile, weite und kräftige Züge. Aber an perfekten Griffen. Es fühlt sich ein bisschen an, wie die henklige Aufwärmroute in der Kletterhalle. Die Absicherung ist sehr gut ohne zu aufdringlich zu sein. Ein paar Meter Runout im unteren V. Grad sollte man schon mal tolerieren können.

Ich liebe es. Mit meiner Seillänge, nimmt der Tiefblick auf die Inntalautobahn, den Inn und Haiming zu. Die Kletterei führt über ein paar steile und griffige Stufen leicht linkshaltend auf eine kleine Verschneidung zu. Hier geht es steil und mit ein paar sehr interessanten Zügen an einem Miniaturpfeiler empor zum Standplatz, wobei ich einen Weg etwas weiter links über den luftigen Pfeiler wähle. Hannah hält sich im Nachstieg eher im Riss und weicht dann auf die kleingriffige rechte Seite aus um die Verschneidung zu verlassen. Eine begeisternde und konstante Seillänge. Auf allen erdenklichen Wegen.

3. Seillänge (III)

Gut es kann halt auch nicht jede Seillänge eine 10/10 sein. Hannah kriegt einen eher unspektakulären Vorstieg, bei dem einige kurze Felsstufen in einer erdigen Rinne münden, die zum Standplatz unter einer glatten Wand führen. Wenn es Vortags geregnet haben sollte, hat man hier bestimmt eine perfekte Möglichkeit seine Schuhe zu versauen und sich einen kleinen extra Kick für die kommenden Seillängen zu organisieren. Stellenweise bouldert man auf jeden Fall mehr zwischen Graspolstern hin und her, als dass man nennenswert klettert.

4. Seillänge (V-)

Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, dass mir heute all die feineren Seillängen zufallen. Zum Glück werden wir später noch eine Möglichkeit bekommen, dieses Verhältnis wieder zurecht zu rücken. Zumindest geht es für mich kurz nach links queren in eine steile, plattig aussehende Wand. Diese löst sich nach der Querung aber erneut über perfekte Löcher auf.

Querung und steile, löchrige Platte in der 4. Seillänge
5. Seillänge (IV)

Ausstieg auf das große Band – welches wir mit der Alhambra an seinem rechten Eck erwischen. Im schönen Ambiente – im Hintergrund lehnt ein eindrucksvoller Pfeiler an der Wand – geht es für Hannah kurz nach links und dann geradeaus über leichter werdendes Gelände zum Stand. Ich fand ein paar Meter dieser Länge ganz hübsch – oben raus wird es aber tatsächlich etwas brüchiger und rustikaler. Es bleibt die einzige Stelle dieser Art in der Wand.

Wir erreichen den Standplatz am großen Band und haben damit ziemlich genau die Hälfte der Tour hinter uns. Die folgenden Längen durch das luftige Pfeilersystem am rechten Rand der zentralen Geierwand ziehen in der Schwierigkeit aber nochmal ein gutes Stückchen an. So zumindest die Theorie. Der man ja meistens Glauben schenken darf.

6. Seillänge (Gehgelände)

Ich folge der steilen und teils etwas rutschigen Pfadspur durch Kies, Gras und loses Buschwerk zum Standplatz an der gegenüberliegenden Wand. Ein Schild mit der Aufschrift “Alhambra” weißt ganz unmissverständlich den Weiterweg. Im Vergleich zum Schild am Einstieg hat man hier die Schriftart gewechselt…von irgendwas á la Arial zu einem wilden, entfesselten Champagne. Ein genialer Streich, der für Spannung und Abwechslung in einer sonst monotonen und ermüdenden Wand sorgt.

Ironie off.

Der Stand ist an hier nur einem und relativ hohem Standhaken nicht allzu gemütlich – ob man ihn verwenden muss ist eine andere Frage. Wir nutzen den Absatz vor der nächsten Seillänge für eine kurze Rast, bewundern die umliegenden, vertikalen und goldenen Felswände. Dann steigt Hannah in die nächste Seillänge ein.

7. Seillänge (VI-)

Hier kommt es übrigens zum ersten und einzigen etwas kühneren Hakenabstand. Das zerklüftete Gelände zum Beginn der Seillänge lässt sich zwar noch sehr angenehm steigen – vielleicht im IV. Grad – aber der exakte Weiterweg ist nach dem ersten Haken nicht ganz eindeutig und die Abstände im Vergleich zum Rest der Alhambra gefühlt etwas höher. Zumindest ginge sich bis man den Haken in einem Quergang über einem kleinen Pfeiler entdeckt ein Bodensturz auf das Band aus. Den man im leichten Gelände natürlich nicht zwingend antreten muss. Aber man könnte. Und das ist neu.

Speziell in dieser Seillänge lohnt es sich auch, ein wenig auf den Seilverlauf zu achten und die unteren Exen etwas länger zu wählen. Man riskiert sonst , dass sich das Seil ungeschickt hinter dem kleinen Pfeiler verkeilt und einiges an Seilreibung erzeugt die den steilen und kleingriffigen Ausstieg aus der Länge bestimmt nicht erleichtert. Hannah meistert die Länge souverän und landet am sichtbaren Stand über einer diffizilen VI- Ecke, die recht abdrängend, scharfkantig und leicht überhängend daherkommt.

Ich steige nach, staune wie so oft nicht schlecht über den Vorstieg, den ich nicht leisten musste und überwinde die Stelle ebenfalls. Es ist schlagartig ordentlich steil und luftig geworden. Die Griffe sind immer noch vorhanden und teils verschwenderisch gut – die Züge aber teils auch etwas athletischer und kräftig. Direkt unter dem Stand muss ein kleine Delle mit sehr unterschiedlich ausgerichteten Leisten und Kanten überwunden werden und aus dieser etwas abdrängend und plattig zum Stand gestiegen werden. Geiler Sch***.

8. Seillänge (V-)

Da ich mich gerade zum ersten Mal an diesem Tag wirklich wo festhalten musste – eine Tätigkeit, die ich Bekannterweise gar nicht mag – bin ich nun erstmal traumatisierte. Da kommt es mir gut gelegen, dass mir eine der leichtesten Seillängen des oberen Wandabschnitts zufällt. Wobei leicht hier voraussetzt, dass man mit Höhe und Exposition keine nennenswerten Baustellen hat. Es folgt ein sehr luftiger Quergang nach links, der in meiner Erinnerung überraschend Beinlastig geklettert werden will. Zumindest habe ich in meinem kurzen Kletterleben schon Quergänge mit höherer Schwierigkeitsbewertung gesehen, die mehr Griffe abgeworfen haben.

Man tänzelt auf jeden Fall abenteuerlich über dem rauschen der Inntalautobahn über die plattige Wand und landet an einem relativ ungemütlichen und exponierten Hängestand – vis-a-vis mit der Seilbrücke des Klettersteigs, über die sich gerade noch ein Einzelgänger schiebt.

Inzwischen scheint eine schwache und goldene Abendsonne in die Wand und erleuchtet die neue und wilde Perspektive auf die steile Wand und den markanten Pfeiler nördlich von uns. Wir sind allein in der Alhambra und bald auch allein in der Geierwand. Eine Seilschaft, die im Auge des Geiers neben uns zu Gange war hat nun in Wandmitte das Ende ihrer Tour erreicht und macht sich ans Abseilen.

9. Seillänge (VI-)

Wir verlieren nicht viel Zeit. Wegen der schwindenden Sonne auf der einen Seite – wegen dem fehlenden Platz am Stand auf der anderen. Hannah quert an ein paar griffigen, gelben Henkeln über mir in einen kurzen Quergang nach links, der sich für mich als Schlüsselstelle der Tour herausstellen wird. Zumindest wird er – in meinen Augen – von der folgenden VI+ Seillänge nicht mehr übertroffen.

Wie so oft ist es nur ein Meter – der es aber in sich hat. Es gilt, die unglaublich ausgesetzte Wand auf eine leichtere Stufe zu verlassen. Das geschieht über eine für meinen Geschmack sehr abdrängende und kleingriffige Wandstelle, die nicht allzu einfach zu halten ist und gleichzeitig keinen richtig offensichtlichen Weiterweg aufzeigt. Hannah geht die Querung sehr hoch und kleingriffig an und kommt gut durch. Ich probiere es im Nachstieg tiefer über eine kleine Einkerbung, in der man theoretisch nach der Querung ganz gut stehen kann. Der Meter nach oben ist dann trotzdem hart und ich fühle mich reichlich unelegant, als ich mich irgendwie aus dem Gelände heraus wuchte.

10. Seillänge (VI/VI+)

Da Hannah in den letzten Seillängen mehr als überzeugend demonstriert hat, dass sie gerade über wesentlich mehr Freude am Klettern und Reserven verfügt, überlasse ich ihr sehr gerne den Vorstieg der nominellen Schlüsselstelle, die ich noch vor einigen Sekunden als Last empfunden habe. Wir spulen das Seil über und Hannah startet in die Länge, die gleichzeitig auch das Ende der Tour markiert. Danach kommt, sofern man hier nicht umdrehen und abseilen mag, nur noch trashiges Ausstiegsgelände.

Direkt vor der untergehenden Sonne hangelt Hannah mit begeisternder Präzision durch die steile Wand. Über der absolut senkrechten Hauptwand folgt unsere Länge zunächst einer Risspur und geht dann in eine steile, plattige und schmale Rampe über. Die eigentliche Crux – der untere Teil ist nur mit V – V+ bewertet – ist dann ganz oben vor dem Stand eine spannende Querung nach rechts aus der Rampe heraus.

Neben dem Sichern bin ich relativ vertief darin, den Moment in mich aufzusaugen. Da sind wir wieder. Im einsetzenden Alpenglühen in einer bunten und einsamen Wand. Mittendrin im Paradies und mit der Aussicht, die Route zur perfekten Zeit und am Ende eines perfekten Tages zu verlassen. Irgendwie schaffen wir das immer wieder. Der Tag war initial schon eher als etwas fortgeschrittener Pausetag gedacht, an den ich wenige Erwartungen und Ansprüche gestellt habe.

Schon wieder…

Schon wieder überrannt von der Intensität der Momente, die wir beim Klettern fast beiläufig sammeln. Unser erstes Mal in der Geierwand ist an Perfektion kaum zu übertreffen. In der Ferne knallt das rote Licht in die weißen Hänge des Karwendelgebirges. Gegenüber haben wir gestern eine lange Skitour gemacht. Morgen – das weiß ich nur noch nicht – wartet der beste Finalschlag, den das Bergjahr 2023 überhaupt haben könnte. Schon wieder dankbar.

Ich steige nach und löse mit kurzer Pause und ein paar Tipps von Hannah die Querung am Ende der Rampe über der glühenden Wand. Die Seillänge ist vielseitig und eine der schönsten und beeindruckendsten der Route. Immer wieder, werden kleine Leisten mit feinen Reibungstritten kombiniert, die unmittelbar an und auf der ins Inntal abbrechenden Kante gesetzt werden müssen. Immer wieder klemmt man etwas schief auf der Rampe und staunt dann, wie toll sich das Gelände auflöst. Die Querung ist dann nur noch die Kür, die sich mit einem relativ hohen Henkel und einem kühnen Zug gut überwinden lässt.

11. Seillänge (III-)

Man tut gut, die Tour hier als beendet zu sehen. Denn mit den Schwierigkeiten endet auch abrupt das schöne Gelände. Ich steige eine brüchige, ausgewaschene und mit Kies durchzogene Rinne hinauf und habe reichlich Schwierigkeiten, keine Steinchen auf Hannah loszutreten. Der Stand an dem sie mich sichert ist genau an der Mündung der vagen Rinne, man guckt also ganz wortwörtlich in das Kanonenrohr. Zum Glück liegt hier überwiegend feines und splittriges Zeug rum – richtig Spaß macht der Eierlauf trotzdem nicht. Wenige Meter höher finde ich den letzten Standplatz auf der rechten Seite der Rinne und beziehe diesen. Mitten im Bruch, mehr rutschend als stehend. Anders als im Rest der Seillänge, liegt hier auch einiges, was mehr weh tun könnte. Ich habe noch nie so zaghaft ein Seil eingeholt.

12. Seillänge (I)

Ob man oben wirklich aussteigen will und muss, ist mehr eine Frage der eigenen Präferenz. Den Angesichts der schrottigen Ausstiegslängen hat eine Abseilfahrt durch die Wand eine ganz ordentliche Daseinsberechtigung. Wir wollen heute aber oben raus. Zumal wieder lieber im Dunkeln den bekannten Abstieg vom Klettersteig nutzen als mit unseren Stirnlampen über Haiming in einer bald dunklen und dann auch mutmaßlich kalten Wand zu hängen.

Was man sich definitiv überlegen kann, ist hier das Seil wegzuräumen. Wobei der Standplatz selbst dafür nur mäßig geeignet ist. Ich würde – wenn ich die Route nochmal so gehe – wahrscheinlich auf der linken Seite der Rinne bleiben und zu einem der dicken Bäume einige Meter weiter gehen, dort einen Stand bauen, die zweite Person nachholen und das Seil wegpacken. Wie man es auch macht – es lohnt hier wirklich extrem auf Steinschlag zu achten. Aus der Rinne abrutschendes Zeug hat eine gute Chance, nachkommende Seilschaften ziemlich empfindlich zu erwischen. Auch als folgende Seilschaft macht es wahrscheinlich Sinn, die Entscheidung der Vorgänger kritisch zu begutachten und ggf. eine kurze Pause einzulegen. Das betreffende Stück ist kurz – aber es ist quasi unmöglich hier überhaupt nichts loszutreten und das Ausmaß des zu erwartenden Steinschlags steht und fällt mit der Strategie, die hier oben gewählt wird.

Vieles dürfte neben dem Routenverlauf in einer Rinne verschwinden und nicht durch die Route rauschen. Aber nicht alles. Und dann ist die Wand mehr als steil genug um richtig schnelle Geschosse zu provozieren.

Hannah steigt das brüchige Gehgelände vor. Wir lassen das Seil draußen. Nicht weil man es hier bräuchte – eher weil der Ausgangspunkt am Fuß der Schotterrinne nicht allzu gemütlich zum Aufräumen ist. Weiter oben sieht es besser aus. Sobald Hannah aus meinem Blickfeld verschwindet folge ich am laufenden Seil. Es wird nochmal erdig – am Ende der Länge dürfen auch nochmal ein paar sehr steile Grasstufen und Wurzeln erklettert werden bevor man auf einem schönen Absatz über dem Inntal rauskommt. Einen wirklichen Standplatz gibt es hier nicht mehr – dafür einige Bäume. Wird alles nicht mehr gebraucht – aber vielleicht begibt sich hier ja jemand auf die hoffnungslose Suche.

Abstieg

Der Abstieg ist erstmal ein Aufstieg, ganze 70 Höhenmeter folgt man noch einer subtilen und an ein paar Ecken steilen und grasigen Pfad. Dann erreicht man das bewaldete Plateau mit einem Grillplatz, der auch Szenerie eines Horrorfilms sein könnte. Ein paar Meter später folgt das Gipfelbuch, das überwiegend mit Begehungen des Klettersteigs gefüllt ist. Wir können uns nicht verkneifen, dem Kollegen, der ganz offensichtlich den Geierwand-Klettersteig in seine Morgen-Routine etabliert hat und tägliche Begehungen erfasst die nächsten zwei Tage vorwegzunehmen und einen guten Rutsch zu wünschen. Eines Tages gehen wir dafür in den Knast – aber es war den Spaß wert.

Der Abstieg, der von den zahlreichen Klettersteiglern oft als halbwegs skandalös eingestuft wird ist – fairerweise nun auch schon zum x-ten Mal – schnell, direkt und easy. Klar es geht stellenweise steil und brüchig hinab, der Weg ist aber nie richtig ausgesetzt und mit kleinen Metallstufen und Stahlseilen üppig versichert. Ich hab tatsächlich auch das Gefühl, dass der untere sandige Teil besser wird. Vielleicht weil ausgetreten – vielleicht weil im Winter weniger staubig. Wir stehen auf jeden Fall noch im Dämmerlicht wieder am Auto.

Im Rücken die große, dunkle Wand die uns heute ein paar Stunden beschäftigt hat.

Error 404: Winter not found


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Wunderschöne, gut abgesicherte und toll durch die spektakuläre Wand gelegte Route, die an sonnigen Wochenenden bestimmt auch mal überlaufen sein kann. Die paar brüchig-erdigen Abschnitte stören finde ich kaum, da die überwiegende Kletterei überraschend steil, fest und löchrig ausfällt. Die Kletterei selbst ist dabei human und nie anhaltend schwierig – die wenigen und kurzen Schlüsselstellen aber durchaus trickreich und allesamt im ganz großen Stil exponiert. Am Ende hat mein einen faszinierenden Weg durch eine tolle und vielseitige Wand gewählt und dabei sowohl spannende Kletterstellen wie wilde Tiefblicke und Perspektiven auf das Inntal und die umliegenden Wandabschnitte gesammelt.

Die Absicherung ist sehr gut, neben Exen (teils alpin) lassen sich eventuell noch ein paar Schlingen unterbringen. Klemmzeug & Schlosserei haben wir nicht verwendet und auch nicht vermisst. Doppelseile werden vielerorts empfohlen – wir hatten 2 x 60 Meter dabei. Im Falle eines Rückzugs ist das für’s Abseilen bestimmt eine gute Sache.

Zusammenfassung

Feine und in Summe nicht allzu schwere Mehrseillänge durch die Sonnenseite des Inntals. In festem, löchrigen Fels durch einen flowigen Vorbau und eine facettenreiche, steile und vor allem luftige Schlusswand. Die paar brüchigen Verbindungsstücke haben uns nicht gestört – da gibt es wirklich Schlimmeres. Geierwand – wir kommen wieder. Und nicht mehr für den Klettersteig.

Ähnliche Beiträge

Kraxel mit!

...und verpasse keine neuen Beiträge und Newsletter zu deinen Lieblingsthemen.

Wir versprechen, dass wir keinen Spam versenden! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner