Cima alle Coste Sud – La Luna Argentea (VI, A0)
Cima alle Coste Sud – La Luna Argentea (VI, A0)

Cima alle Coste Sud – La Luna Argentea (VI, A0)

Nach einem schönen aber nicht ganz so leichtfüßigen Start in der Piccola Piramide liebäugeln wir einen Tag später mit einem weiteren etwas längeren Klassiker über Dro. Die 2008 erschlossene Route stammt von den selben Erstbegehern und verspricht ein paar sehr interessante Seillängen. Darunter eine unvorstellbar markante und exponierte Platte, das “Schild des Mondes”, welche der Route ihren Namen gegeben hat. Aber auch ringsum gibt es mit einer Stelle VII+ (die üblicherweise VI, A0 gelöst wird) und der nicht ganz vorhersehbaren Absicherung bestimmt eine Menge zu erleben. Zumindest sind wir am Vortag wieder ein Stück weit geerdet worden und haben passablen Respekt vor der Tour, die stellenweise abgegriffen sein soll und über die es beim genauen hinsehen noch ein paar lustige Kommentare im Internet gibt:

Deutlich anspruchsvollere als Vieles weiter südlich im Sarcatal…
Es gibt inzwischen einige Bolts nicht mehr…

Prima. Nach gestern kann dann ja überhaupt nichts mehr schief gehen. Mit dieser etwas sarkastischen Grundhaltung – und aus Angst vor dem ebenfalls in anderen Berichten prophezeiten Andrang – stehen wir heute etwas früher am Sportplatz Dro und schultern unsere Rucksäcke.

Zustieg

Die “La Luna Argentea” hat wohl den direktesten Zustieg von allem, was ich in diesem Wandabschnitt bislang geklettert bin – auch wenn sie aufgrund fehlender markanter Merkmale in der Wand aus dem Tal gar nicht so leicht auszumachen ist. Wer genau hinschaut, kann das Schild des Mondes aber schon aus der Ferne als markante Platte in der Wand kleben sehen.

Wir folgen also dem bekannten Weg nach Norden in Richtung Pietramurata und biegen, wie auch schon von Dinosauri und La Bellezza della Venere bekannt, bei einer Schranke nach links auf den breiten Pfad in Richtung Wand ab. Einige Meter später tut sich links schon ein kleines Schotterfeld auf, an dessen Ende unsere Tour startet. Wir halten uns noch rechts vom Schotter hinauf und queren am Wandfuß ein Stück nach links. Zack. Routenname. Purer Luxus hier.

1. Seillänge (V+)

Viel ist noch nicht los. Genau genommen gar nichts.

Jackpot!

Wir bereiten unser Zeug vor und ich starte in die erste Seillänge, die mit 50 Metern ziemlich lang ist und auf den ersten Metern etwas eigentümlich ist. Zumindest wird hier schonmal kurz das Ticket gelöst, was die definitiv nicht plaisiermäßige Absicherung angeht. Ein Haken mit Schlinge ist zwar schon zu erkennen – befindet sich aber reichlich weit oben und wird über eine nicht ganz triviale Schuppe und einen kleinen, abdrängenden Bauch erreicht. Kurzum: es muss geklettert werden. Und zwar ziemlich direkt im oberen 5. Grad um überhaupt die erste, rund 8 Meter über dem Boden hängende, fixe Sicherung zu erreichen. Ich verbrate direkt hier schon einen violetten Totem in einem Riss und jammere ein wenig über den obligatorischen Kaltstart.

Danach wird es leichter und flowiger und in dem gestuften Kalk vermisst nicht allzu viel. Immer wieder dämmen Bänder (mit lostretbarem Schotter) den Tiefblick ein und die kleinen, plattigen Stufen haben ein paar trickreiche Momente, die sich aber fast immer gut auflösen. Eine schöne, griffige Schuppe und einen etwas kniffligen Ausstieg aus der Länge später erreiche ich den Standplatz auf einem breiten Band und hole Hannah nach.

Unten im Gebüsch tut sich was und während Hannah meinen Spuren folgt stapfen immer mehr Seilschaften auf die Wand zu. Die allermeisten scheint es aber weiter nach Norden zu ziehen und später werden wir viele von ihnen nebenan in der La Bellezza della Venere Schlange stehen sehen. Irgendwie, haben wir das Teil Anfang 2023 schon extrem gut erwischt. Haben die einsame Felsfahrt aber auch mit einem sehr frühen Start und sehr wenig Schlaf bezahlt.

Als mich Hannah erreicht ist sie vergleichsweise gestresst von den doch nicht ganz einfachen Aufschwüngen und verkündet einen schlechten Tag. Zum Glück kommt es nicht zu einem solchen und wir haben inzwischen die Theorie entwickelt, dass Hannah einfach grundsätzlich immer die erste Seillänge vorsteigen muss um wortwörtlich in die Tour reinzukommen. Aber gut. Es ist November 2023. Wir sind jung, naiv und haben das Muster noch nicht erkannt.

2. Seillänge (V)

Die nächste Länge ist ebenfalls eigentümlich – zumindest was die Seilreibung angeht. Es empfiehlt sich sehr hier an geeigneten Stellen lange Expresschlingen einzuhängen. Geeignete Stellen sind auf jeden Fall die ersten 2-3 Sicherungspunkte, was wir aber leider erst merken als Hannah oben am rupfen ist. Die Seillänge führt nämlich erst ein gutes Stückchen nach rechts auf einen winzigen aber markanten Überhang zu, geht dann ein paar Meter gerade nach oben und zieht dann nach links. Letzteres viel weiter als man annehmen würde, der folgende Stand befindet sich deutlich links der Falllinie des Ausgangspunktes.

Da wir uns wie so oft das Topo nur mit mittelmäßiger Aufmerksamkeit angeschaut haben, versucht Hannah über dem kleinen Überhang geradeaus eine griffarme Platte auf einen Absatz zu überwinden anstatt den doch einigermaßen offensichtlichen Pfadspuren nach links zu folgen. Vielleicht eine Erstbegehung?

Miiiindestens 8+

Mit der Zeit ahnen wir aber auch, dass so eine Platte kaum Teil einer Seillänge im V. Grad ist und ein Blick auf’s Topo lehrt uns, dass wir das in Zukunft öfters tun könnten. Der Stand ist dann entsprechend schnell und leicht gefunden und ich steige die etwas verwinkelte Länge nach.

3. Seillänge (V+)

Während ich mich die 3. Seillänge hocharbeite merke ich, wie ich warm werde. Die erste Seillänge war etwas schräg, die zweite krumm und unsere kurze, kollektive Verwirrung nicht gerade förderliche was das Selbstbewusstsein angeht. Aber spätestens die 3. Seillänge verdient nur noch das Prädikat saugeil.

Anhaltend steil, irrsinnig henklig und löchrig geht es die steile und vor allem mit Sanduhren ganz brauchbar abgesicherte Wand hinauf zum Standplatz. Der Fels wirkt auf den ersten Blick recht abschüssig und nach unten geschichtet – es gibt aber überall perfekte Kanten und mehr als ausreichend Tritte um die Länge ruhig und sauber zu kraxeln. Der Fels ist dabei auch noch nicht wirklich abgegriffen – was aber bestimmt auch an der immensen Auswahl hier liegt. Im oberen Stück gibt es auch noch eine kleine Verschneidung.

Auf dem allerletzten Meter, der Standplatz ist schon zum Greifen nah, stellt sich dann nochmal ein ordentlich glatter Block in den Weg, auf dessen Oberseite man kaum Griffe findet. Ich probiere ein paarmal einen direkten Weg und löse die Stelle dann von rechts. Recht plötzlich wird es auch recht luftig – spätestens hier merkt man zumindest, dass man schon ein paar Meter Höhe gewonnen hat und die Wand doch recht durchgehen steil war.

4. Seillänge (V+)

Eine sehr interessante Seillänge fällt Hannah zu. Zumindest sieht man ihr das Abenteuer auf den ersten Blick gar nicht an. Klar die Wand ist noch steil – scheint sich hier aber wieder ein wenig nach hinten zu lehnen und ist von einigem Buschwerk durchzogen. Die Berührungen mit letzterem bleiben aber minimal. Stattdessen ist der unscheinbare Block nach wenigen Metern auf seiner linken Seite extrem plattig zu überwinden. Dabei hilft ein kleineres Fingerloch im sonst geschlossenen Plattenpanzer. Man sieht den Zug nicht kommen, das kleine Stück ist aber wirklich interessant.

Dann steht man direkt unter einem kleinen Dach beziehungsweise der Unterseite eines Blocks, welche gequert und dann durch einen kleinen Einschnitt überklettert wird. Von unten sieht das ziemlich kurz und vor allem uninteressant aus. Ich wundere mich auch ein bisschen, warum Hannah an der Stelle langsamer wird und lacht. Im Nachstieg lösen sich die Fragen in Luft auf. Luft, die man dann unter den Füßen hat, während man unter dem abdrängenden Überhang klemmt. Eine wilde Ecke, der man es nicht ansieht. Denn im Detail ist die Querung unter dem Block überraschend luftig und die Tritte rar. Aus einem ungemütlichen Eck mit Schlaghaken und scharfem Riss schwing ich mich nur an einem unwirklichen, kleinen Felszapfen, den man wie einen Stift hält hinüber zum rettenden Henkel.

5. Seillänge (IV+)

Ich hab in der 2. Seillänge erwähnt, dass wir gelernt haben fortan etwas häufiger Topo zu lesen. Hier – nur 3 Seillängen später – muss ich gestehen, dass der Lerneffekt noch nicht vollständig eingetreten ist. Zumindest baue ich uns in der eigentlich leichten und kurzen Verbindungsseillänge nochmal einen recht umeleganten Verhauer ein.

Ein Blick aufs Handy hätte uns wahrscheinlich die Umgebung intensiver begutachten und die vage Verschneidung rechts von uns erkennen lassen. Hier hätten wir mit ganz viel Glück sogar den Schlaghaken gefunden, der die Seillänge absichert. Mein Blick aufs Handy fällt zu flüchtig aus. Denn mich zieht es vom Stand leicht linkshaltend zu einem breiten Band und vermeintlichem Gehgelände. Die Richtung ist zwar nicht ganz falsch – sie ist aber auch nicht ganz richtig. Nachdem ich einen großen Griff ausreiße und mangels fixer Punkte ungesichert eine wilde Mischung aus Erde, Schutt und brüchigem Fels überwunden habe steht fest, dass das der gruseligste Vorstieg des Tages bleiben wird.

Ich hätte auf Hannah hören sollen, die mich schon viel früher und viel stärker nach rechts schicken wollte. Der Weiterweg ist schwer zu erkennen und eine plattige Wand, die von der Beschreibung her die 6. Seillänge sein könnte weißt keinerlei Absicherung oder Begehungsspuren auf. Tatsächlich ist der Quergang, der zwischen die Bäume und an die nächste Seillänge führt nicht ganz so einfach zu erkennen. Zumindest wenn man unten im eigentlich überall gangbaren Gelände den falschen Weg einschlägt. Nachdem ich mich durch staubige Büsche und erdige, heikle Schrofen wieder ein paar Meter runter gewuchtet habe sehe ich die Pfadspuren und Sanduhren. Und dann auch den Standplatz zwischen den Bäumen. Logisch wenn man’s weiß. Aber wahrscheinlich tut man an der Stelle gut, seinen Aufwärtsdrang ein wenig zu zügeln und die Augen rechts offen zu halten.

Hannah muss meine schrottige Spur zwar nachsteigen, weil ich oben eine Schlinge um eine Wurzel gelegt habe, entdeckt im Nachstieg aber auch noch den Schlaghaken, den ich übersehen hatte und den weniger brüchigen Weg auf das Band.

Nächstes Mal.

6. Seillänge (VI-)

Wahrscheinlich extrem illegal und jede Kletterethik ignorierend: der Baum am Einstieg in die 6. Seillänge ist ein perfektes Sprungbrett in die kleingriffige und scharfkantige Länge, die sich nach wenigen technischen Metern wieder nach hinten lehnt und genüsslich zum Standplatz führt.

7. Seillänge (VI)

Es folgt in meinen Augen die Schlüssellänge der Tour – zumindest wenn man ohnehin ohne Rotpunkt-Ambitionen für die VII+/VIII- Crux in der vorletzten Seillänge eingestiegen ist. Während man diese nämlich auch mithilfe der Haken überwinden kann ist hier zum ersten Mal im größeren Stil Eigeninitiative gefragt. Erst hier kann ich den Kommentar, dass wohl einige Haken fehlen nachvollziehen. Zumindest zeigt das Topo fixes Material, dass es in der abdrängenden Serie kleiner Überhänge schlicht nicht gibt – zum Zeitpunkt unserer Begehung. Ein Bohrhaken weist dennoch den Weg und befindet sich fast schon am Ende der Schwierigkeiten, die mit einer glatten und auch durchaus authentischen VI zu den größten der ganzen Tour gehören.

Ich steige vor und befinde mich rasch in Gelände, das mir gar nicht gefällt. Ich mag es einfach nicht, wenn ich mich festhalten muss. Das klingt jetzt etwas paradox für’s Klettern, aber ich finde bis in und teilweise auch über den vorliegenden Grad kann man sich sehr schön reinschummeln, ohne jemals wirklich doll an Steinen ziehen zu müssen. Bei Überhängen macht die Gravitation dieser Taktik dann doch einen Strich durch die Rechnung. Und so bin ich ganz ordentlich am jammern, als ich die eigentlich leichten aber eben sehr kräftigen Züge durch die abdrängenden, kleinen Dächer folge. Auf dem nicht allzu kurzen Weg zum ersten Bohrhaken versenke ich auch ein paar Klemmgeräte im Fels – ansonsten würde man die (zweit-)schwerste Einzelstelle nämlich mit Chance auf einen ordentlichen Sturz in den Standplatz klettern. Vom Pendel, komischen Gebüsch und rausstehenden Absätzen mal abgesehen: das steht heute überhaupt nicht auf der Bucket-List.

Ich erinnere mich an einen sehr kleinen, schwarzen Totem in einem feinen Riss in der noch leichten Querung vom Stand weg. In den kleinen Überhängen, die von etwa faustbreiten und sehr griffigen Rissen und Henkeln durchzogen sind bringe ich einen #2 Cam unter. Dann ist mit einem letzten, kräftigen Zug an einer perfekten Kante auch schon die Plattenzone über den kleinen Überhängen erreicht.

Die Seillänge empfand ich gerade deshalb so interessant wie anspruchsvoll, da hier ein abrupter Stilwechsel eintritt. Während man im Geiste noch am Überhänge ziehen ist, wird nun schlagartig sorgfältige und ruhige Plattenkletterei gefordert. Die Absicherung wird besser, anstelle einer ziemlich maroden Sanduhr auf dem Weg zu einer langen Verschneidung lege ich aber nochmal einen #1 Cam etwas weiter links. Dann geht es in die mit Bohrhaken und Schlaghaken abgesicherte Verschneidung, die an einigen Stellen schon etwas glatt ist. Aber auch ohne Speck geben die beiden Schenkel und die mal mehr und mal weniger ausgeprägte Rissspur in ihrer Mitte nicht zu viel her. Sauber einklemmen, ordentlich treten. Nach oben erreicht die Verschneidung auch nochmal kurz den unteren VI- Grad und führt dann mit etwas Runout an den Standplatz neben der markanten Platte. Dem Schild des Mondes.

Ich bin euphorisch ganz gut durchzukommen zu sein. Aber auch reichlich durch von der umfangreichen Seillänge. Definitiv eine der interessantesten der Tour und ohne Mitnahme von Friends im unteren Teil auf der sportlichen Seite des Lebens.

8. Seillänge (V+)

Hannah steigt in die wahrscheinlich psychische Schlüsselstelle ein und arbeitet sich rasch in den irren Plattenpanzer. Das Schild des Mondes – ein Name der durchaus Sinn macht, wenn man sich die sich die sichelförmige, makellos weiße Platte mal aus der Nähe ansieht. Die Kletterei entpuppt sich leichter als befürchtet. Zumindest meistert Hannah ihren Vorstieg souverän und ich habe am Stand beim zugucken gefühlt die Perspektive mit mehr Nervenkitzel. Die Platte löst sich über eine Reihe feiner Risse und Leisten auf. Es muss schon auch mal die Platte angetreten werden – es gibt aber auch einige Ruhepositionen und Dellen in denen man relativ gut stehen kann.

Viel mehr ist die Aufgabe einen kühlen Kopf zu bewahren und den richtigen Weg durch die Querung zu finden. Und das bei einer beispiellosen Ausgesetztheit. Das Schild des Mondes ragt so aus der Wand heraus, dass man die filigranen Tritte und Griffe wenige Zentimeter über einem freien Fall ins rund 300 Meter tiefer liegende Sarcatal absolviert. Der Blick auf die Füße – den man stellenweise im recht trittarmen Gelände schon brauchen wird – ist automatisch auch ein Blick auf die Felder, Bäume und Straßen am Talboden. Eine vergleichbare Sogwirkung des Abgrundes habe ich bisher nur an der Delagokante empfunden, welche aber um ein vielfaches einfacher ist.

Beim erreichen der Kante hat der Spuk überraschend schnell ein Ende – hier wartet relativ einfache und griffige Kletterei, die rasch in leichtes Gelände führt. Darüber wartet noch eine seichte, plattige Verschneidung die sehr genüsslich und von jedem Tiefblick befreit zum nächsten Standplatz zieht.

Als ich nachsteige Stelle ich fest, was Hannah in ihrem Vorstieg ein paar Minuten zuvor schon erlebt haben muss. Geile Kletterei, gut lösbar, unfassbar exponiert. Begeistert stelle ich aber auch fest, dass ich die Ausgesetztheit zwar wahrnehme, sie mich aber nicht mehr lähmt, wie es früher oft und in viel leichterem Gelände der Fall war. Man nimmt es zur Kenntnis und klettert einfach weiter. Faszinierend, wie viel man über etwas Zeit in den Bergen doch an den Grenzen rütteln kann, die man mal als gegeben erachtet hat.

9. Seillänge (IV-)

Ein recht einfacher Quergang führt subtil ansteigend an einem großen Block vorbei zum nächsten Standplatz. Was hier an Anspruch im Klettern fehlt wird durch die tolle Landschaft ausgeglichen. Der Blick nach Norden, der aus der etwas gedrehten Wand bisher versperrt war, ist nun wieder frei und man arbeitet sich im bekannten Sarcatal-Panorama auf der plattigen Rampe empor.

10. Seillänge (VI, A0)

Die nominelle Schlüsselstelle wird wohl von den meisten Aspiranten A0 gelöst. Ein kurzer Meter ist schwierig. Wie schwierig…da scheint man sich unsicher zu sein. VII? VII+? VIII-? Alles dabei. Wer einen dieser Grade sicher beherrscht wird aber wahrscheinlich in anderen Wänden und Touren seinen Spaß haben. Und so hat dieser kleine Meter in einer Reihe homogener, leichterer Kletterei den undankbaren Job als kurze Techno-Rampe herzuhalten.

Witzig ist, dass Hannah die Stelle im Vorstieg zufällt. Denn während ich mich inzwischen durchaus damit abfinden kann, dass es Routen gibt die man wegen des Gesamterlebnisses und der überwiegenden Schwierigkeit begeht und dafür auch mal einen Abschnitt technischer Kletterei in Kauf nimmt, so stellt der Griff in die Exe für Hannah ein Totalversagen der Seilschaft und der Menschheit als Spezies dar. Dieser Satz kann Spuren von Übertreibung beinhalten. Und trotzdem – ich hab Spaß am nullen. Ich freue mich wenn ich’s nicht muss. Aber ich weiß auch, was ich (noch) nicht kann. VIII- gehört dazu.

Hannah versucht sich frei an der Stelle. Es ist ein ehrlicher Versuch und ich bewundere sie dafür. Ich bin da viel schneller in meinem Urteil, sehe die kleingriffige und abdrängende Wand und die einladenden Bohrhaken. Ich nehme den Weg des geringsten Widerstandes und bleibe in meiner Komfortzone.

Ein paar Versuche später wird die Stelle dann doch technisch überwunden, wobei man trotzdem recht kräftig ziehen muss und sich den einen oder anderen Gedanken machen darf. Die Bewertung VI, A0 macht trotz der hier zahlreichen und guten Haken schon Sinn, denn auch mit Griff in die Expresschlingen ist das steile Stück kraftintensiv und nicht ganz so einfach. Im Endeffekt wäre es wohl ein kurzer, kräftiger Aufrichter an sehr scharfen, kleinen Griffen. Keine Ahnung.

Nächstes Mal? Eher nicht

Darüber legt Hannah noch einen lila Totem und ein interessanter, kurzer Plattenquergang führt zum Standplatz. Die schwierigste Seillänge ist gleichzeitig die kürzeste.

11. Seillänge (V+)

Im fast schon Gehgelände der nun stark geneigten Wand tut sich die letzte Seillänge auf. Eine große Platte wird mit Start von einem breiten Geröllband überklettert. Ein paar Haken finden sich im glatten Fels, welcher dann im Detail viel einfacher ausfällt als angegeben und erwartet. Ich würde mit einer IV+ gehen. Aber vielleicht habe ich da auch irgendwas falsch gemacht. Zumindest rausche ich den Kalk hinauf, ohne das Gefühl zu haben mal wirklich Klettern zu müssen. Irgendwie sieht es im weitläufigen Gelände auch fast so aus, als könne man diese Platte links und rechts im II-III. Grad umgehen und Weg mittendurch ist nur noch die Fleißaufgabe, die einen vom letzten Standplatz im Schotter trennt.

Ich erreiche den Block mit Bohrhaken, sichere Hannah nach, die ähnlich unbeeindruckt ist und früher als erwartet und viel entspannter als am Vortag erreichen wir das Plateau unter dem Abstiegspfad.

Abstieg

Wir sammeln unser Zeug ein, suchen uns einen halbwegs festen Fels für eine kurze Rast, tanken etwas Sonne und flitzen dann den Pfadspuren nach Süden folgend zu dem leichten Klettersteig, der uns wieder ins Tal führt.

Obwohl wir auf dem Papier dachten, dass wir es bei der “La Luna Argentea” mit der schwierigeren der zwei auserkorenen Routen zu tun haben, lief es für uns heute viel besser als gestern in der “La Piccola Piramide“. Wir waren ziemlich im Flow, die Tour war definitiv eine der ganz feinen Aktionen im Sarcatal bisher. Und in der für Mitte November lächerlich schönen Mittagssonne geht es wieder runter nach Dro.

Oh Arco…


Schwierigkeit, Versicherung & Material

Wunderschöne, abwechslungsreiche und zu Recht beliebte Tour die eine ganze Salve überraschender Kletterstellen abfeuert und dabei fast komplett ohne Gehgelände auskommt. Die Kletterei ist sehr vielseitig und überwiegend reiner Genuss. Mal kräftig, mal technisch, mal kleingriffig, mal plattig geht es durch die konstant steile Wand. Die Schwierigkeiten empfand ich persönlich als vergleichsweise moderat – die Ausgesetztheit ist aber stellenweise sehr hoch und die zusätzliche Absicherung mit Friends zwar nur an wenigen Stellen notwendig, dort dann aber absolut angebracht (SL7).

Die Sanduhren, Haken und Schlaghaken tauchen in vernünftigen aber alpineren Abständen auf und sind – einige Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel – auch von ganz guter Qualität. Wer die Routen im Stil Grill / Kluckner kennt und mag erlebt hier bestimmt keine Überraschung. Stattdessen vermutlich genau das, wofür er gekommen ist – eine bestechende Wegführung entlang faszinierender Kletterstellen durch eine auf den ersten Blick wenig interessante Wand.

Wir waren wir immer mit 60m Halbseilen unterwegs und hatten in Summe schon ein Rack Friends am Gurt, von denen einige auch benötigt wurden. Am wichtigsten sind vermutlich die mittleren Größen. Ein paar Schlingen, Standplatzschlinge und 12 Expresschlingen (gerne ein paar längere) dazu und die Sache läuft. Sofern man früh genug einsteigt. Sonst steht die Sache mehr als dass sie läuft. Hinter uns wurde die Wand dann auf jeden Fall doch noch ordentlich besucht und unser frühe Start hat sich wie so oft mehr als bezahlt gemacht.

Fazit

Nichts als Liebe.

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