Sarcatal mit Tami! Irgendwas mit langem Wochenende, Urlaubstagen und Feiertag und unbeständigem Herbstwetter. Die einzig logische Antwort auf sowas ist für mich seit April das Sarcatal. Und da Tami diese Ecke noch nicht kennt und wir im Juli im Tannheimer Tal bereits eine Menge Spaß in den sportlicheren Mehrseillängen zwischen Gimpel und Gehrenspitze hatten bin ich absolut motiviert ihr dieses beinahe tropische Kletterparadies zu zeigen. Dass uns das immersonnige Arco dann aber unverhofft mit reichlich Regen begrüßt war nicht abzusehen. Letzten Endes gingen sich nur am Anfahrts- und am Abfahrtstag Touren aus die vor allem vom Element Wasser geprägt waren. Nasse Überhänge, nasse Verschneidungen, nasse Platten, nasse Sinter, nasse Piazschuppen. Und mittendrin eine motivierte Seilschaft mit Sinn für die jeweils rutschigste Linie der Wand.
Den Anfang macht die Dinosauri, eine recht lange und bestens abgesicherte Plaisierroute aus dem Jahr 2012 von L. Pilati und A. Machelotti. Nach nächtlichem, ergiebigen Dauerregen hoffen wir hier am Anfahrtstag noch eine etwas größere Tour abwickeln zu können, bevor zwei Tage Dauerregen und danach eher wechselhaftes Herbstwetter viele Abenteuer im Keim ersticken dürfte. Da wir der Sonne eine Chance geben wollen, starten wir einigermaßen entspannt von Garmisch aus und rollen etwas nach Sonnenaufgang ins schöne Sarcatal. Ich bin auf der einen Seite begeistert wie “trocken” vieles jetzt bereits aussieht. Kalkplatten bleiben eben nicht lange nass. Auf der anderen Seite scheinen sich in Rinnen, unter Dächern und in Verschneidungen noch dunkle, rutschige Streifen zu halten. Wie lang – dazu habe ich keine Erfahrungswerte.
Wenigstens wird die Placche Zebrate nun wirklich ihrem Namen gerecht und geht als einwandfreies Zebra durch.
Und dann lässt sich von Norden kommend auch schon unsere Route in den Wänden über dem Örtchen Dro ausmachen. Mit 475 Metern Kletterlänge zwar kein ganz großes – im Kontext der hier bekannten und beliebten Touren aber auch kein ganz kleines Vorhaben. Auf jeden Fall führt unsere Route durch einen etwas höheren, gegliederten und gestuften Bereich im rechten Teil der langen Mauer, die vom Monte Brento fast bis nach Arco in den Süden zieht und dabei von einem Netz aus Klettereien durchzogen wird. Rechts von unserer Wand trennt uns eine markante, glatte Plattenzone von den deutlich höheren Wänden des Monte Brento. Nach links senkt sich die Wand etwas ab und beherbergt in direkter Nachbarschaft viele Klassiker wie die “La Bellezza della Venere“, die ich von meinem ersten Besuch kenne und die brachial schöne “La Luna Argentea”.
Der Zustieg folgt zunächst vom Sportplatz in Dro – fast schon gewohnt – dem Wanderweg nach Pietramurata. Auch der Abzweig zu den Kletterrouten ist noch bekannt und kaum zu übersehen doch dann – inmitten von Steinmännern, blauen Markierungen und kleinen Pfaden wird es ein wenig unübersichtlich. Wir halten uns noch eine ganze Weile tendenziell rechts und versuchen in längeren Serpentinen Höhe zu machen und uns nicht direkt an der Wand hinaufzuschlagen. Dabei folgt man immer mehr einer vagen Rinne im Wald. Sobald man in dieser Rinne die Wand erreicht und ein deutlicher Pfad merklich nach rechts querend in etwas offeneres Gelände führt gilt es die Augen offen zu halten. Zumindest sind wir und die Seilschaft hinter uns, die es auch auf die Dinosauri abgesehen hat, einmal über’s Ziel hinausgeschossen. Der Steinmann mit der Routenaufschrift ist eher subtilerer Natur und springt uns erst ins Auge, als wir den Einstieg schon gefunden haben.
Da wir von unten schon gesehen haben, dass Teile unserer Tour auch noch nass sind haben wir es nicht wirklich eilig. Eigentlich ist es sogar ganz schön zu wissen, dass man nicht als einziger zum Schluss gekommen ist, dass das schon irgendwie machbar sein sollte. Und sol lassen wir die österreichische Seilschaft, mit der wir gemeinsam den Einstieg gesucht und gefunden haben gerne vor. Während die beiden in die trockene 1. Seillänge einsteigen bereiten wir unser Zeug vor und ich steige als Erstes ein und folge den beiden. Als ich den Boden verlasse rückt schon die nächste Seilschaft an. Die Modetour ist scheinbar immer dort, wo man sie nicht erwartet.
1. Seillänge (V-)
Es geht sehr typisch los. Ein Bilderbuch-Arco-Fünfer der so absolut keiner ist. Leichtes, geneigtes und gestuftes Schrofengelände führt bestens abgesichert zu einem Baum mit Ring. In Oberammergau wäre das eine Forststraße. Ich neige zu leichter Übertreibung. Aber die Seillänge klettert sich für mich locker einen Grad leichter und der “Überhang” ist wie so oft eine kurze, etwas steilere Stelle, die aus dem sonst recht ereignislosen Gelände hervorsticht. Am Stand befindet sich dann aber einiges an kleinem und großem Schotter, den man nicht zwingend in den Einstiegsbereich treten möchte.
2. Seillänge (V)
Tami ist souverän nachgestiegen, empfindet den Bilderbuch-Arco-Fünfer als ähnlich lustig wie ich und startet in die dunkle, nasse Platte der 2. Seillänge. Rasch hat sie die von einigen schmalen Bändern und Schwachstellen durchzogene Platte überwunden, über der wieder sehr leichtes Gelände zum Standplatz führt. Die Seillänge wäre trocken vermutlich ziemlich schön – es gibt ein paar tolle Henkel, Kanten und Untergriffe zu greifen und wahrscheinlich raue Kalkplatten zu treten. Letzteres können wir aber leider nicht verifizieren – die entscheidenden Stellen, die man sonst einfach auf Reibung antreten würde sind nass und rutschig. Und so werden es für mich ein paar etwas akrobatischere, hohe Tritte und ein paar sehr viel festere Züge als eigentlich notwendig gewesen wären.
3. Seillänge (IV-)
Gehgelände. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Unten lohnen vielleicht zwei etwas längere Expressschlingen. Ansonsten versucht man hier nur – ohne Kies nach unten zu treten – den etwas zähen und bisher nicht allzu lohnenden Vorbau hinter sich zu bringen. Der Stand ist dann etwas unerwartet an einem Busch und Dinosauri-Schriftzug vor einer weitläufigen Platte.
4. Seillänge (V)
Tami fällt der mit Abstand schönste Vorstieg im unteren Teil der Route zu. Über dem weitläufigen Plattenschild, das vor uns liegt, erkennen wir bereits das große, bewaldete Band. Dieses trennt den geneigten Vorbau der Wand von dem steilen Finale ab – denn alle Schwierigkeiten warten erst in den oberen Seillängen.
Mit 60 Metern ist die Seillänge reichlich lang und Tami hat auf den letzten Metern ordentlich mit Seilreibung zu kämpfen. Diese Seillänge gibt auch die Seillänge vor. Also 60 Meter. Also Seil. Dass man dabei hat. So von der Idee her.
Die Seilführung entlang der Bohrhaken ist hier wirklich nicht ganz ideal und wahrscheinlich tut man gut die ersten Exen lang einzuhängen. Abgesehen davon ist die Seillänge aber ideal trocken, ideal schön und ich freue mich schon in der Draufsicht auf meinen Nachstieg. Auch das Bild von Tami, wie sie sich doch in einiger Entfernung durch die glatte Platte arbeitet ist faszinierend und das fahle Licht der Morgensonne spendet einen Hauch von Wärme.
Ich folge und muss feststellen – das ist mal eine etwas authentischere V. Die Platte steilt ganz langsam auf, wird unten noch an tollen Rissen und kleinen Rampen umtänzelt und ist kurz unter dem Standplatz dann wirklich mit tollem, plattigen und kleingriffigeren Zügen zu Klettern. Richtig schön, richtig sonnig.
Ich bin gespannt auf das was kommt. Die folgenden Seillängen sind zwar wesentlich kürzer als die sehr langatmigen Strecken im Vorbau. Dafür geht ab dem Band die Steilheit und Schwierigkeit ganz merklich nach oben und in der Draufsicht sind schon noch einige nasse Flecken zu erkennen. Die Wegwahl ist dabei so logisch und naheliegend, dass sie einen förmlich anspringt. Die riesige Piazschuppe und das Risssystem darüber – die Schlüsselstellen der Tour – sind mit guten Augen auch aus dem Tal – spätestens hier aber für jedermann auszumachen.
5. Seillänge (II-)
Entsprechend einfach ist auf dem dicht bewaldeten Band auch der Weiterweg auszumachen. Es gibt auch eine Pfadspur, man kann sich aber auch einfach leicht linkshaltend auf die große Piazschuppe zutreiben lassen. Das Ergebnis sollte das selbe sein. Wir nehmen das Seil eng auf, binden uns aber nicht aus. Die angedrohten Kletterstellen sind keine und das 100 Meter breite Band bleibt reines Gehgelände. Nur den Standplatz für die nächste Seillänge finden wir nicht – wohl aber einen einzelnen Bohrhaken auf einer markanten Rampe, die sich noch gut frei begehen lässt. Ab hier sichern wir wieder – die folgende Seillänge misst wegen unserem höheren Einstiegs aber ohnehin nur noch 10 – 15 Meter. Unten wären zahlreiche massive Bäume – wahrscheinlich ist das so gedacht, dass man dort irgendwo Stand macht oder einfach vom Körper sichert.
6. Seillänge (V-)
Da wir den beiden Männern aus Österreich (noch) auf Schritt und Tritt folgen erübrigt sich hier die Idee, die Seillängen zu verknüpfen. So kurz wie sie sind wäre das bestimmt möglich. Gleichzeitig kommen sie mir aber teilweise für sich auch vergleichsweise verwinkelt vor, sodass man sich wahrscheinlich einfach an die Empfehlungen der Erstbegeher hält. Mit der stets engen Absicherung und den stellenweise doch ausgeprägten Kurven im Routenverlauf gewinnt man unter Umständen nur mehr Seilreibung.
Und warum erzähle ich das?
Weil die 6. Seillänge ein reiner, belangloser Aufschwung durch eine kleine Verschneidung ist, für die mehr zufällig der 5. Grad erwürfelt wurde.
7. Seillänge (VI-)
Da Tami die vorherige, kurze Verbindungslänge geklettert ist fällt mir nun die erste etwas schwierigere Passage zu und meine flotten Sprüche zum Bilderbuch-Arco-Fünfer und gewürfelten Schwierigkeitsgraden kommen langsam aber sicher zum erliegen. Zumindest merke ich, dass ich die letzten Monate sträflich wenig Fels im 6. Grad unter den Fingern hatte und das Training in der Kletterhalle auch nicht allzu rege betrieben habe. Vor allem die Ausdauer in den Fingern, gibt mir zu denken. Ich kann die Schwierigkeit schon klettern – aber bei Weitem nicht so lange und ausdauernd wie ich gehofft und aus dem recht ergiebigen Frühling heraus erwartet hätte.
Aber genug von mir – anders als ich ist die Seillänge wirklich schön. Vielleicht ist sie damit sogar die Erste ihrer Art in einer bisher äußerst inhomogenen Route. Auf einen steilen Aufschwung rechts des Standplatzes folgt eine Querung nach links in eine Delle, die ziemlich direkt über dem Standplatz liegt. Dort quert man konsequent weiter nach links. Auch wenn man es nicht glaubt – direkt ums Eck wartet hinter dem Untergriff noch ein brutal guter Henkel, der das sonst sehr plattige Gelände herrlich entschärft. Dann folgen ein paar etwas weitere und kühnere Züge über die nach außen gewölbte Platte zum Standplatz. Tami hat sichtlich Spaß beim Nachstieg und war vom bisherigen Gelände wohl maßlos unterfordert.
Auch wenn die Dinosauri landschaftlich bestimmt keine wirklich besondere Lage aufweist, entsteht hier schnell ein beeindruckender Tiefblick auf die Felder, Wälder und ausladenden Schotterfelder am Talgrund. Im Vorbau war von der gewonnenen Höhe noch gar nichts zu merken und erst hier wird klar, dass man bereits einen Großteil der Höhe überwunden hat.
8. Seillänge (V+/VI-)
Tami steigt die nächste Seillänge vor und klingt begeistert. Nach einem relativ offensichtlichen Riss löst sich die steile Wand schnell in feine Leisten und Tritte auf. Für mich ist diese Seillänge mit Abstand die schwerste – was aber auch daran liegen mag, dass ich mich hier noch bemühe vernünftig zu klettern. In der nominell schwersten Seillänge haben wir das noble Konzept der freien Kletterei nämlich kollektiv über Bord geworfen. Aber dazu später mehr.
Mir liegt wie so oft das plattige Gelände mehr und so empfinde ich diese für mich sehr kräftezehrende Länge im Nachstieg schwieriger als meine vorherige Plattenlänge im Vorstieg. Vor allem mittig, bei Verlassen der Risspur nach rechts verliere ich einiges an Energie. Als ich bei Tami ankomme – nicht ohne mich einmal ins Seil setzen zu müssen – bin ich bestens vorbereitet um eine Piaz-Seillänge anzugehen. Nämlich ordentlich durchgenudelt und mit reichlich Misstrauen meiner rasch schwindenden Griffkraft gegenüber.
9. Seillänge (VI/VI+)
Ein – wenn nicht sogar das Herzstück der Dinosauri ist wohl die Monsterschuppe der 9. Seillänge. Sie steht ordentlich weit von der Wand ab und bietet damit eine meist gute Kante um Gegendruck zu dem danebenliegenden, plattigen Fels aufzubauen. Zumindest dort, wo die Platte nicht nass ist. Und obwohl diese Seillänge laut Topo nach oben hin schwerer wird ist es für mich genau andersrum. Ich stelle mich auf den ersten Metern brutal an und weigere mich die steile Platte zum ersten Bohrhaken zu klettern. Stattdessen halte ich mich etwas weiter links in “leichterem” Gelände hinauf zur Schuppe, in der Hoffnung hier ein paar brauchbare Untergriffe zu finden. Diese sind theoretisch sogar vorhanden – ich finde sie auch – aber unter der Schuppe tropft es. Als wenn die Schuppe ein besonders guter Wasserspeicher wäre und oben eingeflossene Nässe wohldosiert und nachhaltig unten wieder abgibt. Bisher hatten wir echt Glück – hier verlassen mich angesichts meiner ohnehin schon schwindenden Kräfte aber gehörig die Nerven.
Der lehmig-nasse Untergrund macht die Tritte enorm gruselig und mehr schlecht als recht und unter Aufwand von mindestens 10 Versuchen in unterschiedlicher Ausführung schaffe ich es mich durch die Stelle zu schummeln. Danach wird es besser und obwohl ich nochmal eine Respektpause einlege fällt mir der Rest der Länge relativ leicht. Die Piazschuppe ist nirgends richtig schwer und an einigen Stellen weicht man vom Riss nach rechts in die stellenweise durchaus griffigen und kletterfreundlichen Platten aus. Das Ende der Schuppe – für Tami äußerst trickreich – ist für mich mit langen Armen gut machbar. Man wechselt kurz vor Ende der Schuppe nach links auf die Schuppe. Ein kleiner, speckiger aber markanter Tritt weist den Weg. Dort richtet man sich auf und greift an die perfekte obere Kante. Oder baut – im Falle von Tami – noch ein paar durchaus spannende Zwischengriffe und -tritte ein um der Schuppe Herr zu werden.
Danach geht es unschwer nach links zu einem Baum, wo sich der relativ bequeme Standplatz befindet. Tami steigt nach, klettert den Einstieg in die Seillänge natürlich schöner, kämpft sich dann oben raus etwas mehr ab und erreicht rasch den Standplatz unter der Schlüsselseillänge.
10. Seillänge (VII-/VII)
Eigentlich hätte ich diese Seillänge – die schwerste der Tour – sehr gerne frei probiert. Sie wirkte sehr kletterbar. Also auch für mich. An einem anderen Tag. Der feine Fingerriss zu Beginn, ein etwas kniffliger und undefinierter Wulst in der Mitte und ein herrlicher Quergang unter fast schon göttlichen Untergriffen entlang einer weiteren, markanten Schuppe. Seillängen 9 und 10 sind wirklich eine spektakuläre Aneinanderreihung bizarrer Felsstrukturen, die mit dem langen Zustieg aber auch einen ziemlich hohen Preis haben.
Da genau rechts des Fingerrisses ein nasser Streifen ist, der normalerweise wohl die essentiellen Tritte abwirft um die Stelle zu lösen haben wir mit unserem kollektiven Klettervermögen heute keine Chance. Selbst Tami – mit durchaus hohem Anspruch an saubere Kletterei und spürbarer Hartnäckigkeit im Lösen solcher Probleme ist rasch A0 unterwegs und kämpft sich von Bohrhaken zu Bohrhaken. Und selbst in diesem Stil lässt sie es nicht nehmen Stellen nochmal zu probieren oder – dem rutschigen Quergang unter der Schuppe etwa – zumindest einen ehrlichen Versuch zu schenken. Vielleicht fehlt mir genau dieser Biss, den ich schon bei mehreren KletterpartnerInnen beobachtet habe. Vielleicht bin ich manchmal zu früh zu faul. Denn für mich ist die Devise hier einfach nur durchkommen – mit allen Mitteln.
Als ich nachsteige hat uns die folgende Seilschaft eingeholt. Wir unterhalten uns noch kurz. Wir hatten vorher relativ lauten Steinschlag gehört und wussten nicht, wo der herkam. Stellt sich raus, dass er im Vorstieg einen fussballgroßen Block aus der Wand gezogen hat. Ich räume den Standplatz und schwing mich auf die abschüssige Platte unter dem Fingerriss.
“Jo dann schauen wir uns das mal an bei dir, vielleicht können wir ja was lernen”
Außer man möchte sich die hohe Kunst des mit zwei unterschiedlich langen Bandschlingen und Karabinern an einer Hakenleiter entlangkrampfen abschauen. Als kleine Showeinlage schaffe ich es im Quergang unter der Schuppe trotz A8 nochmal abzurutschen und einen kleinen Nachstiegsflug in die glatte Platte hinzulegen. Dank Seildehnung bin ich nun so tief, dass ich nochmal hinüber zum Beginn des Quergangs pendeln muss. Und so lasse ich nicht nur jegliche Würde sondern auch nochmal einiges an Kraft in der 10. Seillänge.
11. Seillänge (VI-/VI)
Ich hatte mich eigentlich darauf eingestellt, dass die zwei letzten Seillängen auch nochmal ein ziemliches Massaker werden. Sie sind auf dem Papier ähnlich schwer wie die Seillängen vor den beiden Schuppen-Riss-Piaz-Längen und versprechen immerhin nochmal Platten, Überhang und Steilheit. Tatsächlich ist die Route hier aber geschafft. So zumindest mein Eindruck. Ich steige – wirklich nicht mehr auf der Höhe meiner fragwürdigen Kletterkunst – in die 11. Seillänge ein und stelle rasch fest, dass diese brutal ist. Brutal überbewertet. Es gibt lediglich einen kleinen, sperrenden Wulst auf einer Platte zu überwinden. Ich gehe ihn etwas von rechts an und empfinde ihn als sehr einfach. Es wird keine Kraft gefordert und die flache Platte lädt zum Verweilen ein. Danach kommt Gehgelände mit Schotter (obacht Steinschlag) und nochmal eine lustige, kleine Stufe mit großen Rissen zum gemütlichen Stand.
Über dem V. Grad habe ich hier nichts gefunden. Wirklich schön ist die Länge auch nicht.
12. Seillänge (VI)
Endspurt – nach einem kurzen, etwas abdrängenden und trittarmen Überhang geht es gestuftes aber steiles Gelände hinauf zum Ausstieg. Der Überhang ist wie immer nur eine winzige, abdrängende Stelle die aber nur einen winzigen, speckigen Tritt links anbietet und oben gute Griffe aufweist, sich aber nicht so richtig schön und kontrolliert klettern lässt. Eher ist es ein raues Festhalten und Füße irgendwie irgendwo hochstellen. Ein gigantischer, loser Block über dem Überhang wartet übrigens auf den nächsten unachtsamen Kletterer. Bei all der sportlichen Absicherung sollte man speziell hier nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass die Route eine ganze Menge heikle und lose Blöcke aufweist und man dabei auf langen Strecken den möglicherweise fallenden Steinen komplett schutzlos ausgesetzt ist. Vom persönlichen Empfinden her, war die Dinosauri meine bisher gefährlichste Tour im Sarcatal und stellt viele “alpine” Routen in den Schatten.
Abseits vom kniffligen Überhang (der aber auch keine authentische VI ist) und dem Schocker am losen Block ist die länge nochmal richtig schön, steil, griffig und dabei aber leicht und anregend zu kraxeln. Definitiv eine der Schöneren in der Tour und ein würdiges wie kurzes Finale einer langen Kletterei über dem Sarcatal.
Abstieg
Nach einer kurzen Rast mit obligatorisch trübem Blick zum Gardasee geht es auf einer etwas weglosen und blockigen Verlängerung des bekannten Abstiegsweges zurück nach Dro. Die Felsen sind wirklich scharf und es ist der erste Einsatz für meine neuen Zustiegsschuhe. Lange Rede kurzer Sinn – ich rutsche nicht nur einmal von Blöcken runter, weil ich die Reibung meiner eingelaufenen alten Schuhe gewohnt bin und halte mich an einer viel zu scharfen Kante fest. Dabei schneid ich mir sogar mal ordentlich die Hand auf. Also doller als in jeder Kletterei bisher. Ich sollte einfach mehr Klettern und weniger Wandern. Einfach mal die Extremsportarten aus meinem Leben verbannen.
Schwierigkeit, Versicherung und Material
Die Dinosauri ist äußerst inhomogen, in den schweren Längen aber für mein Empfinden recht passend bewertet. Der obere 6. / untere 7. Grad ist aktuell definitiv mein Limit am Fels außerhalb des Klettergartens und gelingt mir mal besser und mal schlechter. In dieser Route überwiegt in meinen Augen ausdauernde und kräftige Kletterei – gute Griffe gibt es meist wie Sand am Meer. Insbesondere die Seillängen 1, 3, 5, 6, 11 und 12 kamen mir wesentlich einfacher vor und erreichen den angegebenen Schwierigkeitsgrad höchstens in kaum wahrnehmbaren Einzelstellen.
Die Route ist perfekt abgesichert, in den (wirklich sehr) leichten Seillängen sind die Abstände vielleicht mal ein paar Meter weiter. Die Schlüsselstellen lassen sich A0 im ganz großen Stil entschärfen und so kann man sich definitiv auch in die Route wagen, wenn man nur im 6. Grad klettert. Wie ich zum Beispiel. Wohlwissend, dass Abseilen trotzdem eine etwas nervigere, botanische und vor allem im Sinne des Steinschlags ungeschickte Alternative ist. Abseits der zahlreicheren Expresschlingen, Standplatzschlinge und langer Seile (60m) haben wir kein zusätzliches Sicherungsmaterial verwendet, Friends und Keile waren definitiv umsonst dabei.
Fazit
Ideal abgesichert aber für mein Empfinden leider nicht ganz so lohnend wie viele der etwas klassischeren Linien ringsum, die ich bisher kennenlernen durfte. Vielleicht war unsere Begehung aber auch ein wenig verfärbt von der allgegenwärtigen Nässe. Dennoch finde ich ganz persönlich, dass es schönere Wege durch die Wände im Sarcatal gibt. Die 9. und 10. Seillänge sind zwar brachial geil und hätten mich trocken wahrscheinlich noch mehr begeistert als so schon. Ringsum bleiben dann aber noch 10 oft eher träge Seillängen, von denen eigentlich keine weiter in Erinnerung bleibt. Ich bin normalerweise sehr leicht zu beeindrucken und achte definitiv nicht vorrangig auf die Ästhetik oder Logik einer Tour. Die geschickte, interessante und überraschende Wegführung anderer Erschließer in der Region vermisst man hier dann aber doch ein wenig, während man der geraden, gebohrten Linie zu den zwei tollen Schlüsselmomenten der Route folgt. Für mich hat es sich ein wenig angefühlt, als wollte man die große Piazschuppe unbedingt mit einer Route “einfangen” und hat dabei aber nur wenig lohnendes Zustiegsgelände gefunden. Mich haben die zwei eindrucksvollen Seillängen nicht ganz über den hohen Preis hinweggetröstet und mit viel Gehgelände und nicht überall gutem Fels verbleibe ich mit etwas gemischten Gefühlen. Vielleicht waren meine Erwartungen aber auch zu hoch – denn gefreut hatte ich mich ganz arg auf die Dinosauri. Spaß hatten wir trotzdem eine Menge. Und Sonne eigentlich auch.
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