Croce di Ceniga (390m) via Crucis (VI+, A0)
Croce di Ceniga (390m) via Crucis (VI+, A0)

Croce di Ceniga (390m) via Crucis (VI+, A0)

In den ebenso epischen wie aquatischen Tourenberichten der letzten Tage hat der aufmerksame Leser vielleicht schon mitbekommen, dass Tami und ich Ende Oktober in Arco ganz ordentlich geduscht worden sind. Umso motivierter sind wir nach einem langen Auftakt in der Dinosauri und einer kurzen Sonnenloch-Gratwanderung am Monte Baone nach zwei Tagen Dauerregen an unserem Abreisetag noch was zu klettern.

Ausgesucht haben wir uns diesmal die Ostwand am Croce di Ceniga, ein markantes Wändchen mit Gipfelkreuz über dem Dörfchen Ceniga. Zusammen mit den recht bekannten und gut besuchten Paolowänden bildet sich eine Doppelwand, die von einer breiten Terrasse unterbrochen wird. Paolo unten, Croce di Ceniga oben. An beiden Wänden zahlreiche Routen. Theoretisch lässt sich an Routen in der Paolowand also eine Tour am Croce di Ceniga anhängen. Uns genügt heute der obere Teil in dem wir uns die “Via Crucis” ausgesucht und vorgenommen haben. Erstbegangen 2011 von D. Cabas & P. Masera. Mit 6 relativ kurzen Seillängen vollzieht die bestens abgesicherte Tour einen langen und markanten Quergang im zentralen Wandteil und endet direkt unter dem etwas überdimensionierten Gipfelkreuz. Im unteren VII. Grad aber durchaus interessant – zumindest ist das im Kletterjahr 2023 die magische Grenze der Kraxelei gewesen. Während sich der VI. Grad in Mehrseillängen durchweg halbwegs genüsslich ausging, wurde es exakt ab VI+ nämlich sehr plötzlich sehr zappenduster.

Ein interessantes Phänomen, welches weiterer Untersuchung bedarf. Aber gerade in Mehrseillängen bin ich “zum Wohle der gesamten Tour” und der “Ausdauer über die Länge” oft geneigt sehr früh zu mogeln und mir meine Kräfte aufzuheben. Dennoch führe ich solche Situationen auch gerne herbei. Vor allem bei guter Absicherung. Lehrreich ist es allemal.

Zustieg

Bei perfektem und nach den grauen Tagen fast surrealem Alpenglow über der Brentagruppe schwingen wir uns ins Auto und düsen das kurze Stück hinunter nach Ceniga. Die Wände – nunja. Nasser als erhofft. Aber auch zu gut um umzudrehen.

Also überqueren wir in Milimeterarbeit (mit PKW, so fett sind wir auch wieder nicht) die historische Brücke über die Sarca und parken an geeigneter Stelle. Heute sind wir die Ersten, schultern unsere Rucksäcke und laufen zurück zur Brücke und biegen hier nach links zu den Wänden ab. Der Forststraße folgend geht es noch kurz durch Olivenhaine und dann in den obligatorischen Arco-Dschungel. Der erste Abzweig zur Wand ist noch sehr deutlich und mit einem Steinmann markiert. Dann gewinnt man in einigen Serpentinen an Höhe und sieht zumindest im Oktober immer wieder die Wand zwischen den Bäumen hindurchschimmern.

Und nu?

Der Abzweig gen Wand ist dann leider überhaupt nicht mehr naheliegend. Alle 20 Meter zweigt ein kleiner Pfad ins Buschwerk ab…aber welcher ist der richtige? Ich möchte vermeiden, dass wir zu früh zur Wand queren, da sich die “Via Crucis” relativ zentral und damit etwas höher befindet. Als dann nach einigen weiteren Höhenmetern die kleinen Pfade ausfallen und unser Weg wieder weiter von der Wand abweicht beginne ich aber auch an meinem sonst recht brauchbaren inneren Kompass zu zweifeln. Wir schnappen uns – fairerweise auf mein Kommando hin – den nächstbesten Streifen Busch, der gangbar und mit ganz viel Kreativität sogar wie ein Pfad aussieht und biegen nach rechts ab. Schon wenige Meter später ist klar – das ist kein Pfad. Nun hätte man natürlich umdrehen können. Aber wer trifft im Busch und mit Wand vor der Nase schon rationale Entscheidungen. Ich auf jeden Fall nicht.

Sobald wir angeschriebene Routennamen sehen, können wir uns nach oben oder unten am Wandfuss orientieren

Nachdem wir uns also wie Indiana Jones durch die Sträucher geschlagen haben und Tami mich berechtigterweise für den botanischen Zustieg geschimpft hat stehen wir am Wandfuss und stellen fest, dass wir schon zu weit oben sind. 50 Meter tiefer, den Einstieg der “Via d’ell Arco” passierend, finden wir dann auch unseren Einstieg. Rot angeschrieben, mit Bohrhaken abgesichert und direkt ganz schön steil. Na dann.

1. Seillänge (VI/VI+)

Tami übernimmt den Kaltstart in die Wand, der im schattigen Wald und an dem klamm-nassen Fels durchaus ein solcher ist. Zumal es aus der schwarzen Verschneidung, in welche die Route nach wenigen Metern führt ganz ordentlich tropft. Zum Glück sind die kniffligen Einstiegsplatten auf einem kleinen, kletterbaren Streifen trocken.

Sieht leichter aus als es ist

Ein seltenes Exemplar sein Art. Sonst sieht es immer schlimmer aus als es ist. Tami braucht einige Anläufe um aus der etwas merkwürdig nach unten geschichteten Einstiegsplatte schlau zu werden. Was in der Draufsicht recht easy und griffig erscheint entpuppt sich dann doch als authentisch bewertet und die kleinen Leisten und Tritte wollen durchaus gesucht werden. Mit zunehmender Nässe wird die Seillänge für uns immer einfacher, die Verschneidung wirft dann sogar noch ein paar nasse aber feine Henkel ab und wenig später hat Tami schon den ersten Standplatz am Eck erreicht. Ich stelle mich beim Nachstieg natürlich angemessen an, krieg die Seillänge dann aber auch irgendwie gerupft und freue mich auf meine nun wesentlich einfachere 2. Seillänge.

2. Seillänge (V)

Ich steige kurz erdig nach rechts an die Platte mit Sanduhr. Schön nochmal Kletterschuhe einsauen bevor man auf Reibung klettern darf. Lieb’s. Von hier geht es gestuft und leicht linkshaltend aufwärts, wobei sich ein paar interessante, plattige Aufschwünge mit Gemüse abwechseln. Als Tami nachsteigt stellt sie fest, dass die Länge gar nicht so uninteressant war. Würd ich so unterschreiben.

Die “Via Crucis” lässt sich übrigens ideal als ungleiche Seilschaft in Wechselführung angehen, da sich die “schweren” Längen über dem VI. Grad mit solchen im unteren V. Grad abwechseln. So muss ich in dem Rhythmus in dem wir eingestiegen sind nur 3 Seillängen im V. Grad vorsteigen, während Tami sich den ganzen Schlüsselstellenkram geben darf. Ist mir ziemlich recht so.

3. Seillänge (VI, A0)

Schon beim nachsichern von Tami habe ich etwas Zeit gehabt mir den folgenden, steilen Aufschwung anzugucken. Er ist komplett nass. Also er tropft. So richtig. Wir haben mit erschreckender Präzision die eine nasse Route in der sonst trockenen Wand gefunden. Zumindest entsteht der Eindruck bei den sonst trockenen Felsen ringsum.

Als Tami lossteigt glaube ich noch nicht so ganz an einen Durchstieg dieser Länge. Wobei…die Absicherung ist extrem eng und die Crux schaut für eine VII- sehr kletterbar aus. Der schwarze, porige und raue Fels stellt sich trotz Nässe als einigermaßen kletterbar heraus und Tami leistet im Vorstieg einen ziemlich fairen Versuch für den ich definitiv keine Nerven gehabt hätte. Die Schlüsselstelle ist eine kleine Nische mit Sinter und einem recht guten, kleinen Griff auf der rechten Seite. Darüber kommt erstmal nichts und es gilt einen etwas abdrängenden Wulst zu überklettern. Ein dafür notwendiger Tritt auf Reibung auf die linke Platte funktioniert für uns nicht, wir benötigen beide einen Griff in die Sanduhr um die entscheidenden 30 Zentimeter zu überbrücken.

Danach geht es spektakulär luftig und abdrängend einer schmalen Rampe folgend zum Standplatz. Man hängt einige Male ganz ordentlich mit dem Hintern über dem Sarcatal und arbeitet sich mit Übergreifen und Gegendruck durch die nach oben immer leichter werdende Seillänge. Ich steige jammernd nach. Mache mir aber durchaus die innere Notiz, diese Route nochmal in sommerlichen Verhältnissen zu versuchen. Sie ist bisher wirklich interessant, abwechslungsreich und begeisternd. Der raue Fels, die luftigen Sequenzen und der stets gute aber im Routenverlauf sehr unterschiedliche Fels tun den Rest.

4. Seillänge (V-/V)

Geil!

Es folgt ein sehr ausgesetzter Quergang, der sich aber relativ einfach klettert. Spektakulär ist er allemal – wegen dem tollen Tiefblick nach Ceniga und ins Sarcatal. Aber auch wegen den teils doch recht kühnen Reibungstritten am Abgrund während man sich leicht ansteigend zum etwas ungemütlichen Standplatz vorarbeitet. Aber eine coole Länge. Also wenn man Quergänge mag. Wobei ich diese Frage für mich noch nicht final beantwortet habe.

5. Seillänge (VI/VI+)

Beinahe die schwierigste Einzelstelle. So kam es mir zumindest vor und ich glaube so würde es mir sogar auch ergehen, wenn ich die VII- vorher im trockenen Zustand frei geklettert wäre. Am Standplatz ist die “Via Crucis” erneut blau angeschrieben – mit Pfeil nach links. Das ist auch wichtig, da die “Via d’ell Arco” hier kreuzt und man durchaus geneigt wäre vom Standplatz geradeaus durch eine kleine Verschneidung zum Bohrhaken zu klettern.

Wir dürfen – nein Tami darf – hier nochmal ordentlich auf der Platte tanzen. Der Standplatz ist etwas ungeschickt in die steile Platte gehämmert und für niemanden so richtig angenehm. Geschickter wäre vermutlich gewesen, wenn der Vorsteiger links startet und von dort in die Platte steigt. Tami hält sich eher rechts unter ein abdrängendes Dach und verschärft sich den ersten Meter über dem Stand damit. So richtig naheliegend war ein Platztausch am Standplatz im Eifer des Gefechts aber auch nicht. Die Platte ist durchaus steil, luftig und mit kleinen Griffen und Tritten gesegnet, an denen es durchaus filigran zu einem kleinen Überhang geht. Mir fällt vor allem der kräftige Zug von der Platte weg schwer. Zumal man auch hier eine – wie ich fand – für die kleine Tour überraschend große Tiefenwirkung unter den Zehenspitzen hat.

Danach geht es deutlich einfacher durch gestuftes Gelände nach links zum Standplatz.

6. Seillänge (V-/V)

Die letzte Seillänge fällt nochmal mir zu. Es geht wieder den Pfeilen und Markierungen folgend horizontal nach links an den Fuß einer Verschneidung. Das Gelände ist extrem leicht – bei der bisher dichten Absicherung wundert man sich aber doch kurz über den einige Meter messenden Runout vom Stand weg. Geht aber eigentlich schon alles mit rechten Dingen zu. Die Verschneidung ist dann etwas brüchiger als der Rest der Route und ist im Vergleich zur Quergangslänge mit der selben Schwierigkeitsbewertung spürbar einfacher.

An schönen Leisten hangelt man sich durch die geneigte Platte rechts der Verschneidung und erreicht prompt den Ausstieg. Ich mache Stand an einem Baum – ein Blick auf die Topo bestätigt, dass der Künstler sich das auch so gedacht hat. Tami steigt rasch nach und wir steigen noch schnell dem Croce di Ceniga auf den Buckel. Ich sogar zweimal. Denn ich war sicher, dass der Abstieg vom Ausstieg direkt nach rechts hinabführt. Es geht aber über das Gipfelkreuz und dahinter auf den üppig markierten und ausgetretenen Wanderweg nach Ceniga.

Abstieg

Auf der Rückseite den Markierungen folgend nach Ceniga. Ich staune an ein-zwei Stellen aber nicht schlecht über die schmalen Kanten in gigantischen Platten über die hier abgestiegen wird. Also – nicht weiter tragisch – es gibt wesentlich spannendere Abstiege im Sarcatal. Aber bei Nässe sicher interessant. Zum Glück ist es heute…naja lassen wir das.

Der Abstieg ist schnell geschafft und die relativ wenigen Höhenmeter des Croce di Ceniga vergehen wie im Flug. Wir schauen zurück auf eine durchaus spannende Tour, die trotz ihrer Größe einiges zu bieten hatte. Im positiven – mit herrlichen Kletterstellen, einem genialen Quergang und mehr Exposition als erwartet. Aber leider auch mit etwas zu viel Nässe in der Crux und kalten Fingern am Start. Dieses Problem ist aber hausgemacht. Also – total interessante Linie und mal ein bisschen was anderes. Sportliches Abenteuerkraxeln im Taschenformat. Und total interessante Seilschaft die sich trotz tropfender Sinter an diesem morgen gar nicht so hässlich da durchgearbeitet hat. Zumindest haben wir seit unserer Dinosauri-Begehung vor zwei Tagen einiges an Ruhe im Umgang mit dem Element Wasser gewonnen. Kann man bestimmt irgendwann, irgendwo mal gebrauchen.

Aber nicht jetzt. Jetzt geht’s zur zweiten Tour des Tages. Und die ist dann wirklich trocken. Ist nämlich eine Spigolo.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Die Route kam mir relativ einfach vor. Das heißt konkret, dass die erste Seillänge vom Boden weg kurz knifflig ist, sich dann aber sehr hübsch auflöst. Die Crux ist griffig, rau, sehr kurz, allerbestens abgesichert und noch nicht allzu luftig. Die Platte und der kurze Überhang in der 5. Seillänge kamen mir dann unter allen Aspekten am schwierigsten vor – sind aber durchaus passend bewertet und im Einklang mit dem, was man sonst so im Sarcatal als VI/VI+ verkauft kriegt. Zumindest nach meinen bisherigen Erfahrungen.

Die Route ist wirklich gut abgesichert und geht in meinen Augen als Sportkletterei durch. Viele Bohrhaken, dazwischen einige gefädelte Sanduhren in moderater (aber keinesfalls guter) Qualität. Gleichzeitig durch die Nähe zu Bohrhaken aber eh nicht wirklich von vitaler Bedeutung. Sämtliche Klemmkeile, Klemmgeräte und Schlingen hatten maximal dekorative Funktionen. Standplatzschlinge macht aber Sinn, da die Stände nicht immer und manchmal nur sehr zweifelhaft verbunden waren. Rückzüge wären teilweise möglich, nach dem Quergang aber eher über die “Via d’ell Arco”. Eigentlich genügen Exen und 60-Meter Seil(e). Die objektiven Gefahren durch Steinschlag dürften hier – anders als in anderen bekannten und beliebten Routen im Sarcatal – sehr überschaubar sein. Ein Helm ist natürlich trotzdem Pflicht.

Fazit

Ich finde mein Abschluss hat es schon gut getroffen. Wanddurchstieg im Taschenformat, der so ziemlich alles präsentiert, was sich auch in Groß in den umliegenden Wänden finden lässt. Platten, Verschneidungen, Sinterpassage, Quergang und ein kleiner Überhang bei unverbindlicher Absicherung und tollen Tiefblicken. Die Tour ist dabei oft steil ohne richtig steil zu sein und für die geringe Höhe dann oben raus doch beeindruckend exponiert. Bestimmt im Moment noch eine der ruhigeren Wände im Sarcatal, woran mein Blog unter Berücksichtigung der Besucherzahlen auch kaum etwas ändern wird 😉

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