Womöglich mehr ein Bilderbuch als ein Blogeintrag. So richtig viel gibt es zur “Via del 92° Congresso” am Monte Baone nämlich gar nicht zu erzählen. Was aber durchaus auch daran liegen kann, dass wir die anspruchsvollste Stelle aus Versehen geschickt umgangen sind. Ein schöner Spaziergang über den Dächern von Arco geht sich hier aber auf jeden Fall aus und für einen Regentag mit winzigem Sonnenfleck am Abend ist die Tour bestimmt eine brauchbare Alternative zu den sonst noch nassen Wänden.
Als markierter Kletterweg beschrieben wusste ich vorweg gar nicht so recht, wo ich die Tour im Taschenformat hinpacken soll. Ist das jetzt schon eine leichte Mehrseillänge, bei der man unter Umständen doch mal ein Seil mitnehmen möchte? Gerade wenn es – wie bei unserer Begehung – auch durchaus nass sein kann? Oder ist das eine Wanderung und ich drauf und dran mal wieder im ganz großen Stil Trainingsgewicht mitzuschleppen. Der III. Grad in Arco – meist komplett geschenkt und allerhöchstens durch Buschwerk und Dornen interessant. Der III. Grad daheim – durchaus spannend. Und ich weiß auch, dass ich obwohl ich oft einen recht guten Flow im ungesicherten II. und III. Grad hinlege durchaus schon Stellen dieser Schwierigkeit gefunden habe, die ich ohne Seil nicht angehen würde.
Es hat zwei Tage lang Dauerregen gehabt und nur widerwillig stimme ich Tami zu, dass ein Seil wirklich recht albern sein dürfte und man im Notfall ja auch einfach umdrehen könne. Und fairerweise – in der Draufsicht sieht der wenig steile und breite “Grat” zwischen den Olivenbäumchen hinter Arco wirklich nicht allzu spektakulär aus.
Zustieg
Wir starten vom Parkplatz im Lagheltal nördlich von Arco, der vor allem für eine Besichtigung der Burgruine über der Stadt verwendet wird und entsprechend hart umkämpft ist. Zumindest waren wir bei unserem letzten Versuch, welcher weniger 100 Meter vom Auto entfernt in einem Regenschauer endete, absolut chancenlos hier einen Parkplatz zu ergattern. Und auch heute führt nur eine glückliche Fügung und der Einsatz von Pfefferspray dazu, dass wir hier durch die verträumten Olivenhaine starten können.
Nach zwei Tagen ergiebigem Regen hat es kurz vor Sonnenuntergang nochmal kristallklar aufgerissen und wir – massiv unterkraxelt – hoffen auf möglichst trockenen Kalk in dieser kleinen, herbstlichen Runde. Schon im Zustieg, den Straßen und Pfaden an den südlichen Ausläufer des Monte Baone folgend, hüpf ich von einem Ausblick zum Nächsten. In der steilen Ostwand des Monte Baone mache ich Routen aus – einige davon dürften auch noch auf meinem Wunschzettel stehen. Genial ist auch der glasklare Blick über den Gardasee – eine Seltenheit – da diese Ecke meist im Dunst verschwindet. Und der Fels sieht auch gut aus – die schwarzen Streifen in der schattigen Ostwand sind vernachlässigbar und unser Grat hat kriegt noch eine Runde goldene Abendsonne ab.
Der Einstieg zur Route ist übrigens in Google Maps eingetragen. Deshalb red ich von Sonne, Oliven und Wölkchen. Über was anderes muss man sich wirklich keine Sorgen machen. An einer kleinen Kreuzung mit Wasserstelle und Mauer geht es nach rechts auf den sichtbaren, geneigten Fels zu und rasch bestätigen auch die ersten, vagen Markierungen die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges.
Einstieg und leichter Grat (I-II)
Kurz über eine paar Stufen und etwas vegetationsreicheres Gelände und schon weitet sich das Gelände und geniale, raue und henklige Plattenpanzer tauchen auf. Man könnte das meiste ohne Benutzung der Hände gehen – aber die Griffe sind zu schön und fest um sich nicht auch irgendwo mal sinnlos in eine Platte zu hängen und eine kurze Bewegung zu bouldern.
In diesem Gelände macht man rasch einige Höhenmeter und bekommt schnell einen tollen Blick auf Riva und den Gardasee. Wenn man möchte, kann man rechts an der Kante auch einen durchaus steilen Tiefblick auf die immer noch hübschen Olivenbäume mitnehmen. Zwingen tut einen niemand, gerade nach links ist das Gelände sehr weitläufig und bietet viele Möglichkeiten einen gesunden bis übertriebenen Abstand zur Abbruchkante einzuhalten.
Bei einer kleinen, weißen Madonna über den Dächern von Arco flacht der Grat bereits merklich ab und wir entscheiden uns rechts an der Kante zu bleiben.
Luftige Querung und Platte mit Riss (III-)
Teils blassen, roten Strichen folgend geht es in eine Querung etwas unter der Gratkante. Allzu exponiert ist diese nicht, es gibt noch einen kleinen Absatz und einige Bäume bevor die Wand nach Osten hinabrauscht. Quatsch sollte man hier aber auch nicht machen, Versicherung oder Stahlseile, die der Alpenverein hier mancherorts schon lange gezückt hätte sucht man vergebens. Dafür gibt es kompakte Platten, eine griffige und horizontale Rissspur und gute Stufen für die Füße.
Die Querung mündet in einem kleinen Aufschwung – hier sind wir sogar noch d’accord mit der Topo und identifizieren das kleine Gemäuer als “Platte mit Riss” (III-). Bombenfest und griffig! Macht wirklich Spaß, auf einem kurzen Stück muss man sogar mal bisschen gucken wo man hintritt. Aber alles in allem eine sehr gutmütige, kurze Passage, die von uns mit einem stumpfen “endlich mal was zum Anfassen” kommentiert wird.
Tami steigt nach, ich mache unnötig dramatische Weitwinkelfotos (die Platte mit Riss ist nämlich viel weniger wild als es hier aussieht) und dann biegen wir in dem Meer aus Stufen, Büschen, Platten und Wasserrillen irgendwo falsch ab.
Gehgelände (I)
Offenbar müssen wir uns irgendwo zu sehr links gehalten haben. Denn wir gelangen in weiterhin markiertes und genüssliches Gelände, welches sich aber so gar nicht mehr mit der Topo deckt und wesentlich einfacher ausfällt. Überall sind Pfade, blaue Pfeile, rote Punkte, Steinmänner. Wir entscheiden immer au Sicht worauf wir gerade Lust haben und fetzen in einem angenehmen Kletterfluss dem Gipfel entgegen. Stellen aber gleichzeitig fest, dass wir die Abzweigung zur Schlüsselstelle komplett verpasst haben müssen.
Ich denke den Bildern lässt sich teilweise ganz gut entnehmen, wie weitläufig und unübersichtlich das Terrain ist. Und wie widersprüchlich manche Markierung. Wenn man wirklich auf die Kletterstellen abzielt muss man sich offenbar sehr konsequent rechts an der Kante halten. Wir sind da im Eifer des Gefechts irgendwo nachlässig geworden.
Kurz vor dem Gipfel – der Grat ist inzwischen nahezu horizontal – finden wir nochmal an die Kante zurück und gelangen über eine weitere Querung zu einem kleinen, blockigen Wändchen. Der Aufschwung macht Spaß – ob er nun zur Tour gehört oder mit dem Topo korreliert kann ich aber nicht sagen. Schwierig war er nicht. Wir landen auf einer weiteren Lichtung mit einer herrlich plattigen Doppelstufe, die wie aus einem Stück Fels gegossen scheint und gelangen dann über einen etwas botanischen Schwenk nach Links von hinten das Gipfelkreuz des Monte Baone.
Gipfel
Bei einer kurze Rast in der schwindenden Sonnen lachen wir nochmal ganz herzlich über meine Idee ein Seil mitzunehmen und machen uns dann – bevor es kalt wird – zum Abstieg nach Norden ins herbstliche Lagheltal. Tag doch noch genutzt – wenn auch recht minimalistisch und leichter als vermutet. Rückblickend hätten wir nämlich schon noch die eine oder andere etwas steilere Stufe vertragen. Aber hey. Für morgen, den Abreisetag, stehen gleich zwei Mehrseillängen in der Region auf dem Zettel, wir möchten früh starten und im Tal ruft bereits die Pizza.
Abstieg
Der Abstieg zieht sich beinahe länger als der Aufstieg und wirft uns die eine oder andere rutschige Passage im Wald an den Kopf. Da hätte man fast wieder über die Via Del 92° Congresso (bzw. unsere freizügige Interpretation dieser) absteigen können. Aber so bildet sich eine hübsche Überschreitung, ein hübscher Blick in die herbstlichen Hänge und Wände des Sarcatals und – ganz wichtig – ein Rundweg der ohne große Umschweife wieder am Auto endet.
Schwierigkeit, Versicherung und Material
Für unsere unfreiwillige “Variante” ist definitiv kein Klettergeschirr von Nöten. Es darf auch festgestellt werden, dass allerhöchstens der II. Grad zwingend geklettert werden muss und auch dieser nur sehr punktuell. Wenn man es drauf anlegt ist wahrscheinlich fast jeder Einsatz der Hände geschickt zu umgehen ohne sich zu sehr ins Buschwerk zu schlagen. Der breite Rücken auf den Monte Baone, der einem Grat nur wenig gerecht wird, ist überzogen von sich kreuzenden und windenden Pfaden, Markierungen und Steinmännern verschiedenster Generation.
Die größte Schwierigkeit liegt vermutlich in der Wegfindung – dabei kann man zwar nur wenig falsch machen aber eben auch wenig richtig. Die Markierungen sind mal blau, mal rot, mal frisch, mal blass und verleiten zu allen möglichen Varianten – wer mit dieser geringen Erwartung einsteigt und einfach noch schnell über ein paar coole Platten rauschen will, wird hier aber durchaus Spaß haben. Als einfache (Einsteiger-)Mehrseillänge oder Tagesprogramm taugt diese Tour aber nicht – wer nach sowas sucht, dem sei eher die Lo Spigolo Nascosto am Due Laghi ans Herz gelegt.
Fazit
Doof gelaufen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Kletterstellen abseits der kleinen Aufschwünge die wir gefunden haben wären bestimmt noch interessant gewesen. Wahrscheinlich werde ich einfach wieder kommen müssen und dann an der richtigen Stelle richtig abbiegen.