Pirchkogel (2828m) – Skitour vom Sattele (WS-)
Pirchkogel (2828m) – Skitour vom Sattele (WS-)

Pirchkogel (2828m) – Skitour vom Sattele (WS-)

Ganz schön hart.

Der Schnee – nachdem es tagelang nur geblasen und nicht geschneit hat. Die Tour – die im Führer deutlich unkreativer klang. Das Leben generell?

Irgendwo vor den sommerlichen Klettereinlagen an der Geierwand und wild-winterlichem Gullygestapfe an der Tiefkarspitze sollte zu den freien Tagen um den Jahreswechsel auch noch eine Skitour her. Recht leicht soll sie sein. Recht hoch soll sie sein. Denn gar so viel Schnee liegt in den Tieflagen nicht mehr oder ist vielerorts knallhart und aufgeweht.

Ich bin im Winter 2023/2024 selbst erst ins Skitourengehen eingestiegen – was eigentlich längst überfällig ist. Aus einer mutmaßlich etwas rustikaleren Kindheit und Jugend profitiere ich von einigermaßen robusten Techniken für die Abfahrt im Gelände – ohne jemals einen Berg auf Skiern erklommen zu haben. Dieser Teil ist also nun neu und ein paar Spitzkehren später gingen sich bereits im ersten Jahr schon ein paar feine Gipfel und noch viel feinere Abfahrten aus.

Der Pirchkogel ist eigentlich eine ziemliche Wucht. Nicht in seiner markanten Form aber in den Ausmaßen seiner langen Rücken und zahlreichen Hänge. Im Rahmen meiner Alpenüberquerung bin ich hier schonmal vorbeigekommen – habe den Berg aufgrund der vielen und nicht notwendigen Höhenmeter aber gerne links liegen gelassen. Heute bilden wir uns ein genau diese Höhenmeter mit Skiern zu laufen und vom Sattele über den langen Westrücken auf den Eckpfeiler über dem Skigebiet Kühtai zu gelangen.

Nach Irrungen und Wirrungen im Wald endlich offenes Gelände

Über eben jenes Skigebiet wird der Pirchkogel übrigens üblicherweise bestiegen. Mit Gondelbenutzung schrumpft die Tour auf einen kurzen Aufschwung von 300 – 400 Höhenmetern und 2 Kilometern zusammen. Wir tun uns heute mit fast 7 Kilometern Wegstrecke und über 1000 Höhenmetern einen etwas puristischeren Ausflug an, in dem wir aber das leichtere Gelände vorfinden wollen.

Waldzone nach dem Sattele

Wir folgen dem Forstweg – im Winter eine Rodelpiste – die von der Feldringalm hinabzieht. Rückblickend hätte es auch maximalen Sinn ergeben, einfach auf dieser zu bleiben. Stattdessen lacht uns aber eine etwas steilere, mit Spitzkehren gespurte Rinne rechts in den Wald an. Ein kurzer Blick auf die Karte zeigt: das nimmt sich nicht viel. Aber vielleicht ist es im Wald ja schöner.

Nein.

Durch maximal eisigen, hartgepressten Schnee arbeiten wir uns die steile Schneise empor – die Felle sind am Limit. Als wir uns an einer Gabelung mit zwei möglichen Spuren uneinig sind und uns kurz trennen, verlieren wir uns komplett aus dem Blick und gehen 30 Minuten allein unseres Weges. Nur, dass Hannah auf mysteriöse Weise vor mich gelangt ist und im offenen Gelände der Feldringer Böden auf mich warten muss. Man könnte nun sagen, die Hannah ist einfach schneller. Ist sie ja meistens auch. Aber in diesem Fall hatte ich tatsächlich die Spur weiter östlich und damit mehr in Richtung Berg gewählt und Hannah müsste diese eigentlich irgendwo geschnitten haben um an unseren späteren Treffpunkt zu gelangen. Kein ganz fluffiger Start. Aber das passt.

Denn dass heute überhaupt irgendwas fluffig wird ist ohnehin zweifelhaft. Die westseitigen Hänge waren zuletzt schweren Winterstürmen ausgesetzt und sind hartgepresst und die Sonne ist unter einem bedeckten Himmel nicht stark genug um für eine spürbare Veränderung der Bedingungen zu sorgen.

Weite, flache Winterlandschaft
Westrücken bis Schafjoch

In sanfter Steigung geht es den weiten Rücken hinauf. Eigentlich schönes Gelände und eine feine Landschaft – ringsum stehen ein paar tolle Tourenberge. Lediglich die Strommasten stören den Bergblick ein wenig. Hat man diese hinter sich gelassen passiert man aber eine wirklich hübsche und geräumige Winterlandschaft und erreicht über kurze Aufschwünge und eine ganz kurze Abfahrt in eine Mulde den etwas anhaltenderen und steilen Hang zum Schafjoch.

Kurze Abfahrt und Gegenanstieg auf dem in der Ferne schmaler werdenden Rücken

Zum Pirchkogel selbst scheint es noch ein ganz schönes Stück zu sein – der Gipfel scheint unfassbar weit weg, das Gipfelkreuz winzig. Letzteres liegt daran, dass der Berg tatsächlich nur über ein sehr kleines Gipfelkreuz verfügt. Das ändert die Umstände trotzdem nur minimal – es fehlen von der kleinen Mulde jenseits der Strommasten noch satte 3 Kilometer zum Gipfel. Dafür wird das Gelände nun etwas steiler und interessanter.

Einer der etwas steileren Hänge hinauf zum Schafjoch

Nach einem weiteren langen und breiten Hang zieht sich der Grat langsam aber spürbar zusammen. Wir sehen Abfahrtsspuren auf der Südseite, halten uns nun aber etwas stärker nach Norden und erreichen das Schafjoch.

Grat

Ganz ehrlich – von einer Tour mit der Bewertung WS- nach Panico habe ich ein bisschen weniger erwartet. Ich war zuvor auch in anderen WS und ZS Touren unterwegs und empfand die nun ansetzende Spur auf den Pirchkogel als gar nicht so trivial. Der Grat ist nach Norden stark überwächtet und der gangbare Bereich beschränkt sich auf wenige Meter zwischen offenliegenden Blöcken im Süden und Absturzgelände im Norden. Mehr als einmal kommen wir in Situationen, in denen wir auf recht exponierten Grataufschwüngen einzelne Spitzkehren machen müssen, die keinen Fehler verzeihen. Das ist bestimmt teilweise auch den eisigen und windgeformten Bedingungen anzurechnen – ich hatte trotzdem gehofft, dass solche Szenarien hier gar nicht möglich sind.

Hannah am Grat. Ein paar heikle Momente liegen bereits hinter uns – ein paar weitere noch vor uns.

Hannah, die sich jetzt auch nachvollziehbare Sorgen um die Abfahrt macht ist auch angespannt. Wo die Lawinengefahr quasi gebannt ist überwiegt heute halbwegs steiles, knüppelhartes und felsdurchsetztes Gelände.

Nordseitige Querung

Gerade so erreichen wir auf Skiern den finalen Gipfelaufbau des Pirchkogels. Nicht, weil wir fast abgeschmiert wären – aber auf den letzten Metern war die Navigation zwischen den vielen Steinen und aperen Flächen ein rechter Eierlauf. Hier öffnen sich zwei Möglichkeiten – direkt durch steilen Firn und einfaches Mixed-Gelände zum bekreuzten Vorgipfel aufstiegen oder durch eine rund 30°-35° steile Flanke auf der Nordseite queren. Normalerweise wäre das die lawinentechnische Schlüsselstelle der Tour – in fester Spur und gepresstem Firn bietet sie sich heute auf jeden Fall an.

Am Ende der Querung
Gipfelanstieg

Wir erreichen nach Umquerung des Gipfels eine ziemlich steile, breite Rinne im Osten des Pirchkogels und steigen in dieser durch rund 35° steilen aber erstmals weichen Schnee hinauf. Im fahlen Licht unter einem bleiernen Himmel verliert der Schnee jede Kontur. Schritt für Schritt schieben wir uns in die kleine Scharte zwischen dem niedrigeren Kreuzgipfel und dem höheren Hauptgipfel. Letzteren besuchen wir – er hat uns heute viel mehr abverlangt, als wir ursprünglich aufbringen wollten.

Ostseitiger, steiler Gipfelanstieg

Aber hübsch ist es – die Einsamkeit und etwas abweisende Stimmung tut den Rest. Besonders schön ist der Tiefblick auf den noch offenen und stahlblau leuchtenden Speicherseen um Kühtai und die dahinterliegenden, kühnen Berggestalten der Stubaier Alpen. Ich mache mich in diesem Blog oft über Kühtai lustig. Es ist im Sommer auch leider einfach unfassbar hässlich. Höhö.

Aber man muss ihnen lassen – im Winter hat es hier schöne Gipfel, feine Ziele, tolle Hänge und wilde Wände. Bei günstiger, hoher Ausgangslage und Möglichkeiten in alle Himmelsrichtungen bestimmt keine schlechte Idee. Und der Schnee vermag sogar die eine oder andere Baustelle zu kaschieren.

Leider geil – Kühtai im Winterkleid
Abfahrt

Für die Abfahrt haben wir uns einen etwas anderen Plan zurechtgelegt – die Abfahrt über den steinigen Grat ist keine wirkliche Option. Die erste Rinne nach Osten ist steiler, beinahe pulvriger Skispaß, der leider ein zu frühes Ende in der Querung um den Gipfel findet. Hier darf auch nochmal einige Meter angestiegen werden – zumindest ist die Spur so abgesunken, dass keine direkte Überfahrt in die Scharte möglich ist, die den Zugang zum Grat und der Südseite des Berges vermittelt.

Am Ende der Querung und Anfang des Grates ändern wir den Kurs. Nach Süden führt eine mit hübschem Pulverschnee gefüllte Rinne einige Höhenmeter vom Grat weg. Rund 40 Höhenmeter unter der Gratschneide wenden wir uns nach Westen und traversieren den Grat durch die weitläufigen Südhänge. Erneut – geiler Schnee! Viel hübscher als oben am Kamm. Ohne nennenswerten Höhenverlust erreichen wir den Bereich unter dem Schafjoch, ziehen nach rechts in einer perfekte, steile Rinne die das schönste Einzelstück der Abfahrt sein dürfte und brettern dann auf die weiten Hänge, die wir bereits aus dem Aufstieg kennen.

Geil! Das ging jetzt gut.

Abfahrt – bereits unterhalb der Schwierigkeiten

Auf einer Quasi-Piste geht es im harten Schnee rasch den Westrücken hinab. Bei besseren Bedingungen muss das hier eine unfassbar schöne, lange und anhaltende Abfahrt sein. Heute ist der Genuss ein wenig durch das laute Brettern und den sehr wechselhaften Schnee getrübt aber wir erreichen rasch flacheres Terrain. Noch schneller als wir hätte beinahe Hannah’s Ski ein Dach in Marlstein erwischt. Zumindest hat er mitten in der Abfahrt ein gewisses Eigenleben entwickelt und sich auf eine rasante Talfahrt gen Süden verabschiedet.

Eine Verfolgungsjagd und etwas Glück später ist der Ski wieder an Hannah und in gewohnter Symbiose erreichen wir mitsamt Skiern die Feldringer Böden. Diesmal sparen wir uns den blöden Wald und schlagen auf der Forststraße den Weg nach rechts zur Alm ein, passieren diese und erreichen auf der Rodelbahn rasch das Sattele und den Ausgangspunkt der Tour. Skitouren sind so wild. Wie man sich da hochgeschleppt hat und wie schnell man wieder unten ist.

Könnte man sich dran gewöhnen.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Großzügige Winterwanderung mit einem nicht ganz trivialen Finale. Der Grat kam uns nicht gar so trivial vor – der Gipfelanstieg ist es auch nicht. Die nordseitige Querung muss nach Neuschnee vorsichtig beurteilt werden, der nordöstliche Gipfelhang ist auch ziemlich steil. Der Direktanstieg vom Ende des Grates dürfte eher unter die Kategorie Winterbergsteigen fallen und je nach Bedingungen auch rasch Pickel und Steigeisen erfordern. Für den ausdauernden, gemütlichen Hatscher baut sich die Tour auf den letzten Metern doch noch recht eindrucksvoll auf.

Ansonsten viele flache und lange Hänge und eine überraschend feine, anhaltende Abfahrt von einem grandiosen Aussichtsberg. Die Route ist im Skitourenguru hinterlegt und kann über dessen Risikobeurteilung eingeschätzt und eingesehen werden.

Zusammenfassung

Langer Tag an einem gefühlt durchaus üppigen Gipfel – mit holprigem Aufstieg, holpriger Abfahrt und dazwischen ganz viel Panorama und Einsamkeit.

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