Gimpel (2173m) via Südostkamin (IV+)
Gimpel (2173m) via Südostkamin (IV+)

Gimpel (2173m) via Südostkamin (IV+)

Lass mal was klettern gehen!

So oder so ähnlich sind Marcel und ich verblieben, nachdem er sich ein Zimmer in meiner WG angesehen hat. Letzten Endes wurde es für ihn dann eine andere Ecke. Der Kontakt blieb aber irgendwie bestehen und nach mehreren geplanten und wieder verworfenen Versuchen (wo von Krankheit über Deutsche Bahn bis Autounfall wirklich alles dabei war) sollte es im sonnigsten Oktober 2023 doch noch klappen. Für Marcel die erste Mehrseillänge und das erste Mal am Fels – wobei in der Halle wohl schon einiges geht.

Nach einigen Überlegungen schieße ich mich schonmal auf die Tannheimer Berge ein – mit ihren bekannten und offensichtlichen Vorzügen: tolle Wände an “kleinen Bergen, schnell und unkompliziert mit kurzen Zustiegen erreicht und viele und facettenreiche Touren in meist sehr gutem Kalk. Die Auswahl, auch leichter Routen, ist trotzdem gewaltig. Doch in der Feinauswahl meldet sich Marcel zu Worte – der Gimpel fehle ihm noch. Mir auch. Passt. Gimpel also. Obacht – jetzt werf ich aber immer noch mit vielen Routen um mich:

Denn da mich der Westgrat nicht wirklich interessiert, die alte Südwand in dieser Konstellation ein wenig zu rustikal klang und mir aus verlässlicher Quelle vom Südwestkamin abgeraten wurde lande ich unweigerlich beim Südostkamin. Dieser stellt eine Variante der Südostwand dar und ist damit perfekt für unsere Bedürfnisse. Je nach Lust und Laune können wir nämlich in der Südostwand bleiben, die wohl die leichteste und beliebteste Kletterei am Gimpel darstellt und nur den oberen III. Grad erfordert. Und wenn nach vier Seillängen und auf Hälfte der Strecke noch Luft nach oben ist, können wir in den Südostkamin abbiegen. Hier dann Kletterei bis IV+ und scheinbar ebenfalls passable Absicherung. Wesentlich mehr Informationen finde ich nicht. Es reicht um Marcel zu überzeugen und im Dunklen zwischen röhrenden Hirschen in den Wald hinter Nesselwängle zu latschen.

Es ist fast schon albern, wie schnell sich die Kletterarena zwischen Hochwiesler, Rote Flüh und Gimpel vom Tal weg erreichen lässt. Bereits im Abstieg vom Hochwiesler bei meinem letzten Besuch, habe ich die Vermutung aufgestellt, dass man hier brachial schnell hochkommt. Damals waren wir von woanders gekommen und unter dem Gimpelhaus abgestiegen. Heute geht es die Direttissima rauf und nach einigen Minuten keuchen und Waldpfad treten, stehen wir schon am stillen und dunklen Gimpelhaus. Das Schild in Nesselwängle sagt 2 1/2 Stunden. Ich sag was anderes. Trotz schwerem Rucksack und schwüler Luft.

Albern halt

Ebenso kurzweilig führt der Pfad vom Gimpelhaus hinaus auf die freie Fläche zwischen den hübschen, steilen Kalkmauern der Tannheimer Berge. Und während der gemeine Kletterer noch schläft spazieren wir im blauen Dämmerlicht auf den Gimpel zu. Die Route offenbart sich bereits aus der Ferne und macht definitiv Lust. Der Kamin ist als tiefe, markante Furche im oberen Wandteil auszumachen. Und auch die Südostwand folgt im unteren Abschnitt einer logischen und weitläufigen Rampe. Ich bin motiviert. Marcel hoffentlich auch.

Gimpel Südwestwand – rechts der Gipfelfalllinie erkennt man bereits den schnurgeraden Kamin

Der Einstieg ist sehr schnell gefunden. Man kann sich scheinbar auch an irgendwelchen Tafeln orientieren – da solche hier aber nahezu überall rumhängen ziele ich einfach direkt auf die kleine Schlucht ab, in welche die markante Rampe ansetzt. Es ist herrlich logisch und naheliegend. Dort geht es einige Meter in die Schlucht bzw. über Blöcke hinauf, bis linkerhand auf der rechten Seite der Rampe die ersten Bohrhaken im leichten Gelände zu erkennen sind.

Es empfiehlt sich übrigens dem breiteren Weg zur Roten Flüh & Judenscharte noch ein wenig zu folgen. Genau genommen sogar am Einstieg vorbei. Also nicht bei erster Gelegenheit zur Wand fetzen. Weiter oben lässt sich das Schotterfeld vor der Gimpel-Südwand nämlich ohne Höhenverlust und vergleichsweise angenehm queren. Die Abzweiger direkt zu den Wänden habe ich als unangenehmer, steiler und schotteriger in Erinnerung, was sich auch heute im Abstieg noch bestätigt.

Wir bereiten uns vor, während hinter uns der Himmel von Blau zu Rot zu Gelb wechselt. Die Luft im Tal ist heute (und auch die letzten Tage schon) recht trüb, was zu völlig übertriebenen Sonnenuntergängen geführt hat. Und als ich in die erste Seillänge starte, brechen die ersten Sonnenstrahlen wie der Lichtkegel einer Taschenlampe durch den Dunst und tauchen die umliegenden Berge in intensives Rot. Auf geht’s in die Gimpel Südostwand.

1. Seillänge (III)

Die Rampe klettert sich so wie sie aussieht – über kleine Stufen und feste Griffe geht es gemütlich die ersten 30 Meter zum Standplatz. Auf dem Weg finden sich einige durchaus frische Klebehaken – für das einfache Gelände, welches in anderen Touren auch einfach noch Teil des Zustiegs wäre, absolut ausreichend. Marcel folgt ohne Probleme – alles andere hätte mich auch schwer gewundert – und in mir macht sich vor allem Begeisterung über das perfekte Timing breit.

Da ich alles vorsteige, müssen wir am Standplatz kurz das Seil zu Marcel rüberwerfen und mit der zunehmenden Sonne taucht endlich die erste Seilschaft unten am Waldrand auf und steuert auf die Südostwand zu. Das Frühstück am Gimpelhaus war sicher lecker. Der Sonnenaufgang in der Wand aber auch.

Perfektes Timing in der Wand
2. Seillänge (III+)

Ich steige weiter, während unter uns das goldene Licht ins Schotterfeld kriecht. Wir sind noch im Schatten, was sich aber bald ändern dürfte. Das Gelände steilt hier etwas auf, die Absicherung bleibt mit einigen Klebehaken und Normalhaken aber gut und auch die Kletterei ist schön, griffig und überwiegend fest. Wirklich speckige Stellen fallen mir auch nicht auf – wahrscheinlich weil es so viele Tritte und Griffe zur Auswahl gibt. Sobald es geradeaus zu schwierig wird knickt die Route nach links auf ein aufsteigendes Band ab. Eine kleine, plattige Querung im oberen Teil gestaltet sich dabei etwas trickreicher und fühlt sich kurz nach der für die Seillänge veranschlagten III+ an. Auch der Zug auf das schmale Band ist etwas kühner und luftiger, zumal die letzte Sicherung doch schon ein wenig weiter Weg ist. Vielleicht habe ich da aber auch was übersehen. Es überwiegt ohnehin flowiges, spaßiges Kraxeln im leichten Fels. Da gibt’s ganz andere III+ Stellen auf der Welt.

Als Marcel den Stand erreicht steigt die Sonne hinter der Kellenspitze hervor. In der Ferne stapeln sich die Silhouetten der Lechtaler Alpen bis zum Horizont. Im Talkessel unter uns herrscht inzwischen ein reges Treiben von Wanderern, Kletterern und Klettersteiglern. Nichts was uns stressen würde – wir biegen eh gleich in die tendenziell unbekanntere Variante ab. Und überhaupt:

Traumtagerl

Langsam wacht das Tal auf – und die nächsten Parteien wanken zu den Wänden
3. Seillänge (III-)

Auf Hochmut folgt der Fall. Gut ein Fall ist sich im leichten Gelände nicht ausgegangen aber zumindest habe ich den Standplatz übersehen und somit unfreiwillig versucht, 2 x 45 Meter zusammenzulegen. Mit 60 Meter Seillänge ein durchaus ambitionierter Plan. In dem langen und leichten Quergang – teils über abschüssige Grasbüschel und kleine Verschneidungen aufsteigend – verliere ich ein wenig den Überblick über die zurückgelegte Strecke und hänge eine Expresschlinge an einem der zwei Standhaken ein. Und rausche weiter. Keine Ahnung was da mit mir los war. Ich könnte aber nichtmal sagen wo der Stand gewesen ist aber Marcel hat ihn im Nachstieg gesehen und bestimmt mal kurz an den Qualitäten seines Vorsteigers gezweifelt. Als mir das Seil ausgeht, stehe ich vor einem Klebehaken und nur 10 Meter vor unter eigentlichen 4. Stand.

Notgedrungen hole ich Marcel nach und gehe dann die 10 Meter zum 4. Standplatz. Gerade hier ist übrigens nicht alles fest. In den ersten beiden Seillängen war es wenn dann nur Kiesel auf Absätzen, hier gibt es dann doch ein paar Griffe und Tritte die man sich lieber ein zweites Mal anschaut. Das sollte im Schrofengelände keine brandheiße Neuigkeit sein – dennoch – der Einstieg liegt einem nun genau zu Füßen und bis dahin kann Geschoss X durchaus Fahrt aufnehmen. Obacht geben – auch wenn oben schon jemand klettert.

4. Seillänge (I-II)

Gut mit Seil hat sie zu tun, aber lang ist sie wirklich nicht. Ich erreiche den Standplatz nach wenigen Metern und hole Marcel nochmal nach. Wir befinden uns auf einem recht gemütlichen Wiesenstück in der Kalkwand. Die Südostwand-Route biegt hier, nachdem nun also Seillängen 3 und 4 nach rechts geführt haben, markant nach links ab und führt über eine plattige Rampe empor. Wenige Meter rechts vom Standplatz tut sich der tiefe und markante Südostkamin auf, der in steiler und spektakulärer Linie bis kurz unter den Gipfel des Gimpel zieht.

Da wir bisher ziemlich gut durchgekommen sind und Marcel sich auch wohl gefühlt hat entscheiden wir uns für den Südostkamin. Ich bin vermutlich gespannter als Marcel. Zumindest hatte ich dieses Jahr durchaus meine Grenzerfahrung mit etwas rustikaleren IVer Stellen, zum Beispiel nur kurz zuvor an der Zwölferkante.

Wird schon lustig werden

Der richtige Stand – direkt dahinter der Südostkamin
5. Seillänge (IV)

Ich begehe den letzten kleinen Fehler des Tages und mache mir den Einstieg in den Kamin schwerer als notwendig. Vom Stand weg steige ich kurz gerade hoch und folge einem vagen Band nach rechts zum Kamin. Das sah im ersten Moment zwar relativ intuitiv und richtig aus, entpuppt sich aber schnell als brüchige und verkopfte Variante. Einige Meter weiter unten wäre ein breiteres Wiesenband gewesen, das wirklich am tiefsten Punkt des Kamins ansetzt. Dort befinden sich auch Haken. Ich quere einige Meter zu hoch und fernab der Haken in den Kamin und bastel mir damit nochmal eine kleine, mentale Schlüsselstelle. Im Kamin hilft nur die Flucht nach vorne, da ein Abstieg zum Haken schwieriger wäre. Zum Glück taucht der nächste Haken rasch auf und die Begeisterung kehrt zurück. Diesmal gilt sie dem Kamin. Denn der macht vom ersten (richtigen) Meter weg brutal viel Spaß. Tief, griffig und fest. Teils spreizend zu klettern in perfekt rauem, weißen Kalk.

Okay hier ist jetzt richtig genial!

Ich erreiche den Standplatz an einem Bohrhaken und einem großen Ring. Man könnte – sofern man den etwas in die Jahre gekommenen Ring als solide bewertet – also notfalls auch wieder abseilen. Ich hole Marcel nach, der den korrekten Weg in den Kamin nimmt und sich entlang diesem sauber hocharbeitet. Nur die Standplätze fallen hier etwas kuscheliger aus und sind etwas ungemütlich. Der Kamin ist wirklich tief und schmal und von keinen wirklich nennenswerten Absätzen durchzogen.

6. Seillänge (IV+)

Über mir winkt die Schlüsselstelle – wenn man den wenigen Informationen, die ich gefunden habe Glauben schenkt. Eine kurze, abdrängende bis überhängende Engstelle mit einer deutlich sichtbaren gefädelten Sanduhr. Zumindest bei unserer Begehung. Ich steige los und befinde mich direkt vom Standplatz weg schon wieder völlig verkeilt und verklemmt zwischen den Kalkmauern. Absolut dreidimensionale Kletterei, die auch schnell man unübersichtlich werden kann. Mal gibt es auf der einen Seite Tritte aber keine Griffe. Mal ist es andersrum. Dazwischen finden sich aber auch immer wieder sehr gutmütige und entspannte Ruhepositionen und tolle Henkel – auch wenn man das in der Draufsicht gar nicht so recht glauben will.

Da ich bis zur Schlinge keine Haken mehr sehe lege ich einige Meter hinter dem Standplatz einen #2 Totem. Rückblickend wäre er nicht zwingend notwendig gewesen, da einen Meter unter der Schlinge nochmal ein unscheinbarer aber guter Haken auf der rechten Seite auftaucht. Man nimmt dann aber doch ein paar Meter saubere Kaminkraxelei ohne Zwischensicherung in Kauf. Geschmacksache. Eigentlich ist die Absicherung ausreichend, sofern man einen Sturz (überzeugend wahrscheinlich) ausschließen kann.

Die kleine Crux lässt sich auf der rechten Seite schön und an wenigen entscheidenden Henkeln überwinden. Dafür muss man sich aber relativ hoch und hübsch in den Kamin spreizen und die richtigen Tritte finden. Rückblickend wird es darüber noch spannender. Während man den kleinen Überhang nämlich direkt an der guten Sanduhr und dem Haken überwinden durfte, bleiben die nächsten Sicherungen gefühlt aus. Es tauchen zwar nochmal (in meiner Erinnerung zwei) Haken auf, der Kamin bleibt aber durchgehend relativ technisch, plattig und unübersichtlich. Auch der Stand ist über einer etwas steileren Stufe versteckt und so kostet es mit einigen Metern Runout dann doch etwas Überwindung sich konsequent weiter hinauf zu stemmen. Die natürlichen Sicherungsmöglichkeiten halten sich im hier sehr kompakten Fels ein wenig in Grenzen und als ich an einer Stelle etwas zu weit nach links ausweiche wundere ich mich doch über die kühne, ausdauernde und steile Kletterei. Um es anders zu sagen: IV+ obligatorisch. Schummeln, abkürzen oder Pausen machen dürfte hier eher komplizierter sein als weiter zu klettern.

Marcel kommt problemlos nach. Ohne Beschweren, ohne Stürze. Für’s erste Mal richtig gut – eine völlig triviale Route ist das trotz geringer Schwierigkeit auch im Nachstieg nicht.

7. Seillänge (IV)

Ich wiederhole inzwischen minütlich, dass das meine neue Lieblingsroute in diesem Schwierigkeitsgrad wird. Und tatsächlich finde ich den Kamin die perfekte Mischung aus landschaftlichem Eindruck und klettertechnischem Anspruch. Es ist – für mein mittelprächtiges Klettergeschick – nie zu schwierig. Auf der ganzen Strecke durch den Kamin ist aber auch kaum ein Meter wirklich geschenkt und die Vorstiege haben stellenweise auch ihren mentalen Anspruch. All das verpackt in einer logischen, konsequenten und beeindruckenden natürlichen Linie.

Awwwrrr

Seit der alten Ostwand an der Partenkirchener Dreitorspitze hat mich keine Tour im IV. Grad mehr in dem Maße fasziniert. Vielleicht ist heute aber auch einfach der richtige Tag und wir sind in der richtigen Tour.

Die 7. Seillänge, auf dem Papier einen Hauch leichter als die vorherige, fährt dann mittig auch nochmal eine für meinen Geschmack recht brauchbare Crux auf. An einem kurzen Aufschwung nach dem etwas leichteren Anfang und einem flachen Abschnitt befindet sich ein Haken auf der rechten Seite des Kamins. Den möchte man bei 3 Haken auf 30 Metern natürlich nicht auslassen. Um diesen Haken zu erreichen muss man aber in eine sehr schmales und unübersichtliche Passage klettern, in der ich mich einmal völlig verknote. Zusätzlich verwirrend ist, dass hier die linke Seite des Kamins relativ weitläufig und einfach aussieht. Ich klemme dafür irgendwie eingedreht zwischen gar nicht so großen Tritten und gar nicht so vielen Griffen um den blöden Haken zu erwischen.

Hier ruiniere ich mir im Vorbeigehen noch kurz den roten Punkt, weil ich mit meinem Rucksack irgendwann so dämlich im Spalt hänge, dass ich keine Alternative zum Griff in die Exe finde. Besser als verkeilt abzuschmieren allemal. Darüber folgen auch nochmal ein paar spannende Momente, bis die Wand links plötzlich endet und man eine markante Platte mit Standplatz erreicht. Nach links tut sich ein wunderschöner Blick in die Allgäuer Alpen und zum Hochvogel auf. Der Dunst hängt heute nur im Lechtal. Nach Weste ist die Luft kristallklar und die Fernsicht in die grüne Bergwelt brutal.

8. Seillänge (IV)

Und schon sind wir in der letzten Seillänge angelangt. Vier Seillängen “Zustieg” über die Südostwand, Vier Seillängen im genialen Südostkamin. Kann man machen. Ein Stück über der Platte lege ich nochmal den #2 Totem, dann geht es nochmal eine schöne, steile Stufe hinauf. Der Anspruch ist hier aber im Vergleich zu den Längen im Kamin schon deutlich reduziert und früher als erhofft befindet man sich in einer sehr brüchig-erdigen Ausstiegsrinne. Man tut gut hier keine Steine loszutreten – der Sichernde wäre diesen ziemlich unausweichlich ausgesetzt. Ich übersehe einen letzten Haken an einem Block etwas rechts der vagen Rinne und ziehe direkt auf den Grat und Gimpel Normalweg hinauf. Erst dann sehe ich den Standplatz rechts unterhalb und quere hinüber.

Staaaaand

Also in Kürze – eigentlich nochmal hübsch, dann Schrofenrinne und dort eher rechts orientieren und nicht wie ich im linken Zweig bleiben. Man landet aber auf jeden Fall exakt auf dem Normalweg und in einer etwas flacheren Passage unmittelbar unter dem Gipfelaufschwung.

Gipfel (I-II)

Wir nehmen den Gimpel natürlich noch mit, nachdem Marcel zu mir aufgeschlossen und das Kletterzeug verstaut ist. Etwas speckig und relativ steil geht es leicht rechts des Grates über eine Rinne im II. Grad zum Gipfelkreuz. Dort machen wir Rast, Fernblick, Bilder und all diese Dinge. Gerade der Blick in die Allgäuer Alpen lässt meine ohnehin schon überdimensionale Bucket-List nochmal wachsen. Und dabei wollte ich auch noch ganz viel in die Lechtaler Alpen. Und überhaupt.

Es ist kompliziert.

Abstieg (II)

Nochmal konzentriert geht es an den angeblich nicht ganz trivialen Abstieg. Der Normalweg folgt dabei zunächst dem relativ breiten Ostgrat und zweigt dann nach Süden in eine kleine Schrofenflanke ab. Wir kommen gut voran und ich bin ganz kurz davor das Gehgelände auszurufen. Der Grat ist fest und naheliegend, die Schrofenflanke im oberen Teil von etwas brüchigen aber gangbaren und nicht allzu steilen Serpentinen durchzogen. Auf den allerletzten Metern packt der Berg dann aber doch noch eine ganz ordentliche IIer Ecke aus, die mit Schotterauflage und einigen polierten Tritten nochmal mit Bedacht angegangen werden will. Dann steht man auch schon direkt neben dem morgigen Einstieg und nimmt eine der vielen Pfadspuren durch das Schotterfeld. In den Wänden hängen inzwischen unzählige Kletterer – das Erlebnis wäre mit spätem Start definitiv ein anderes gewesen.

Dann flitzen wir den Wanderweg zum Gimpelhaus hinab, nehmen noch ein alkoholfreies Weißbier auf der Terrasse mit und stehen albern schnell wieder im Tal. Im Rückspiegel ein genialer Klettertag mit viel Felskontakt und allerbesten Spätsommerbedingungen. Nach dem frühen Start wäre eigentlich mal eine Runde Ausschlafen angesagt. Doch besagte Spätsommerbedingungen haben sich während wir in den Tannheimer Bergen unterwegs waren auch auf den Folgetag ausgeweitet. Wenn ich da schon gewusst hätte, dass auf den tollen Tag am Gimpel der beste Tag am Jubiläumsgrat folgt. Aber das ist eine andere Geschichte.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Ansprechende Routenkombination, die in der Südostwand sehr gemütlich ausfällt. Der Kamin gibt ab Einstieg sehr direkt und sehr durchgehend einen anderen Ton vor und klettert sich recht ausdauernd im (oberen) IV. Grad. Wem die Art zu Klettern gefällt, wird hier aber eine Menge Spaß haben. Die Absicherung ist in der Südostwand sehr gut und im Kamin ausreichend. Meist kommen die Haken oder Sanduhren genau im richtigen Moment, ein paar längere Runouts und etwas kühnere Abschnitte erfordern aber schon einen souveränen Vorsteiger. Im engen Kamin ist definitiv kein Platz für Experimente, ein Sturz muss an den meisten Stellen entschieden vermieden werden. Aus dem Kamin wäre ein Rückzug an Ringhaken möglich.

Neben einigen Expressschlingen (6-7 Stück genügen eigentlich) habe ich nur den #2 Totem zweimal verwendet. Ich hatte auch noch andere Klemmgeräte dabei, habe dann in der Praxis aber entweder keinen Anlass oder kein Placement gefunden. Ich hab’s jetzt nicht drauf angelegt, aber ich hatte mir vorab vorgestellt, dass ich hier mehr Material versenken würde. Irgendwie war man oft doch mehr mit Spreizen und Kraxeln beschäftigt und wäre nicht angenehm an die Risse im Kamin gelangt. Ebenso oft, war der nächste Haken schon sichtbar – wenn auch etwas weiter weg. Wir waren wie immer mit 60 Meter Doppelseil unterwegs und damit für die bis zu 45 Meter langen Seillängen ausreichend gewappnet. Ich mach auch eigentlich nichts anderes mehr. Thema Rückzug, Thema Steinschlag.

Fazit

Ganz feine Tour. Die Südostwand ist leicht und stark frequentiert und wird lediglich als Zustieg missbraucht. Hier passiert nicht allzu viel. Unlohnend ist es mit dem richtigen Timing aber bestimmt auch nicht. Dafür ist die Landschaft zu hübsch und der Zustieg zu kurz. Der Kamin macht dann einfach nur Spaß. Herrlich logische, ausdauernde und andersartige Kletterei!

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2 Kommentare

  1. Moin Jan,
    da fällt mir doch glatt wieder ein, dass wir uns die Tannheimer Berge schon mal vorgenommen hatten. Die Übernachtungen im Gimpelhaus waren bereits gebucht und dann war irgendwo auf der Welt eine Fledermaus nicht ganz durchgebraten und der Urlaub fiel ins Wasser.

    Beim Lesen dieser Tour kam der Wunsch zurück. Ich denke, hier ist die Auswahl an Routen in “unserem” Schwierigkeitsgrad ausreichend groß. Da wir aus der westfälischen Tiefebene anreisen, muss es natürlich gleich ein (Kurz-)Urlaub sein, damit sich das Ganze lohnt. Oder man plant es auf der Reise in den Süden mit ein…

    Zum Gimpel: Ein wie immer toller Bericht der viel Freude beim Lesen bereitet – wirklich klasse geschrieben. Bei den Bilder würde ich mir die Option zum Vergrößern wünschen. In meinem Alter lassen die Augen ein wenig nach .. Du verstehst? 😉

    1. Jan

      Servus Peter,

      dort gibt es definitiv eine Menge zu kraxeln, ich bin da vor ziemlich genau einem Jahr mal aus Versehen reingestolpert – inzwischen echt meine Lieblingsregion im Grenzgebiet. Den Urlaub solltest du auf jeden Fall nachholen 🙂

      Das mit den Bildern ist ein guter Punkt, ich hab mir das Mal angeschaut und kann das sogar umbauen! Wird aber nur Stück für Stück über die Zeit kommen und bei meinen neueren Tippanfällen achte ich direkt drauf. Gibt leider nicht den einen Knopf, der alle Bilder zoombar macht.

      LG in den Norden

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