12 km
1200 hm
1100 hm
5.5 h
T4, I
Hahaaa endlich raus aus Kühtai und rein in die Berge. Nach zwei Etappen mit großen Forststraßen- und Zivilisationsanteilen, die beim konsequenten Wandern der Strecke aber nur schwer vermeidbar sind, geht es heute endlich wieder ins Gebirge. Um genau zu sein in die Stubaier Alpen und damit in eine Region in der ich zumindest noch nicht wirklich unterwegs war. Die kurze Etappe bietet auch die Möglichkeit rechts und links ein paar Gipfel mitzunehmen.
Über eine asphaltierte Straße erreichen wir, in Serpentinen die gut getarnte Staustufe querend, den Finstertaler Speicher. Ja es ist nur ein Stausee und nein der gehört das eigentlich nicht hin. Aber gefühlt ist der Finstertaler Speicher einer der hübscheren seiner Art. Die Staustufe ist nach vorne in Richtung Kühtai wirklich gut “getarnt” und fällt im Landschaftsbild kaum auf – was aber auch daran liegen kann, dass die Ecke generell schrecklich ist.
Der Speicher leuchtet grell türkis in der Vormittagssonne, dahinter bauen sich die dunklen Berge auf. Besonders dominant der Zwölferkogel als Beinahe-3000er am anderen Ufer. Dunkel sage ich, weil sich das Gestein – überwiegend Gneis – doch ganz deutlich vom Kalk abhebt, den wir bisher gesehen haben. Ich finde die Berge bekommen dadurch ein etwas morsches, moosiges Aussehen und eine völlig andere Gestalt und Wirkung. Ich muss auch zugeben, dass ich die senkrechten, hellen Kalkwände im Karwendel und Wetterstein eindrucksvoller und schöner finde. Aber in der Sonne, durchsetzt von grünen Wiesen und rötlichen Schuttströmen geben die Stubaier Alpen auch ein gutes und vor allem buntes Bild ab.
Wir umrunden den See auf einem deutlichen Pfad und biegen dann an seiner Südseite scharf links ab. Der deutliche Weg geradeaus, an einem kleinen Bachbett entlang, ist bestimmt auch schön. Führt allerdings auf den Sulzkogel – der nicht ganz auf unserem Weg liegt. Etwa 400 Höhenmeter sind aber hier auf dem “Grubener Weg” zu absolvieren, der erst durch ein kleines Tal und dann linkshaltend in Serpentinen durch den groben Schotter führt. Ich stelle begeistert fest, dass sich Gneis auch ganz anders verhält als Kalk. Große Blöcke – auf die man im Karwendel oder Wetterstein mit Anlauf springen würde – bewegen sich hier plötzlich.
Ohne Geologie oder Physik oder beides studiert zu haben würde ich sagen: der Kalkblock bröselt an seiner Unterseite recht schnell und verschmilzt über eine Schotter- und Sandschicht mit dem Untergrund. Der Genisblock liegt mit oft perfekter Geometrie auf einem anderen Block ebenso perfekter Geometrie auf und denkt nichtmal daran zu bröseln. Spannend auf jeden Fall. Man möchte meinen Stein ist Stein.
Landschaftlich auch jeden Fall wunderschön. Sobald man den Stausee hinter sich gelassen hat findet man auch keinen Blick mehr auf irgendeine Form von Zivilisation – nebst der in Österreich üblichen Wegmarkierung in Minimalabständen. Der schwarze Fels und die grünen Wiesen bilden einen tollen Kontrast und erinnern mich ein bisschen an Island. Wir passieren zwei winzige Bergseen, die vermutlich eher Altschneepfützen und in wenigen Wochen verschwunden sind und geraten dann in finales, etwas stufigeres Gelände vor der Scharte. Auf 2777 Metern öffnet sich der Blick nach Süden in eine grüne, karge Weite und der höchste Punkt der Etappe wäre erreicht. Ab hier führt ein beschilderter Pfad wieder hinab in die grüne Hochfläche und zwischen schroffen Kämmen hindurch zur Schweinfurter Hütte.
Naja fast. Aber nach der Tillfussalm ist ungefähr alles ein Kaspressknödel. Richtig wäre Kraspesspitz – zumindest ist diese mit einem schwarzen Bergweg nach links beschildert. Nach rechts geht es auf den Schartenkopf (2855 Meter), eine kleine Erhebung und Aussichtsloge unweit der Finstertaler Scharte. Da die Etappe bis hier schön aber kurzweilig war und das Wetter ein Traum ist, entscheiden wir gemeinsam ihn noch mitzunehmen. Die Mühen halten sich wirklich in Grenzen. 70 Höhenmeter und 200 Meter sind in leichter Blockkraxelei zu überwinden. Belohnt wird man dafür mit einem doch nochmal eindrucksvolleren Blick auf den Stausee, den Sulzkogel und die umliegende Berglandschaft. Mir fällt besonders die markante, geschichtete Kaspressknödelspitze gegenüber ins Auge. Nach Süden ziert sie ein zerklüfteter und wilder Kamm, den ich mir insgeheim für die Zukunft notiert habe. Bloß nicht den anderen erzählen. Aber den Berg selbst würde ich heute gerne noch mitnehmen.
Tami geht es ähnlich und so trennen sich nach Rückkehr vom Schartenkopf in die Finstertaler Scharte unsere Wege. Meine Eltern steigen direkt in das schöne Tal und zur Schweinfurter Hütte weiter, während Tami und ich den kleinen Gegenanstieg und Umweg über die Knödelspitze in Angriff nehmen. Während wir die beiden immer kleiner werden sehen, queren wir auf einem kleinen Pfad über Schotter und eine Grasrippe in unübersichtliches Blockgelände unter dem Gipfel. Auch dieser Anstieg hält sich in Grenzen – die immerhin 2954 Meter Kraspesspitz kriegt man von der Finstertaler Scharte aus mit 170 weiteren Höhenmetern. Steil ist es trotzdem und das Kraxeln über die teils kippligen Blöcke macht Spaß und ist gleichermaßen relativ mühsam. Schneller als gedacht erreichen wir den Gipfel – auf den letzten Metern noch über einen hübschen, kurzen Grat und werfen einen erneuten Blick auf die schöne Landschaft. Anders als am Schartenkopf hat man von hier auch einen Blick in das Kraspesstal und den Kraspesssee werfen, der anders als der Stausee in einem surrealen Grünton zu uns hochstrahlt. Kaspressknödel-Wonderland.
Lange bleiben wir nicht – bei all den Triggern kommt langsam Hunger auf einen echten Kaspressknödel auf und wir springen das Blockwerk hinab, halten uns dann direkt ins Tal und treffen nach einiger Zeit in den grünen Wiesen auf den Pfad von der Finstertaler Scharte. Zwischen Kühen, Bächen, Blumen und grünen Bergwiesen geht es leicht, schnell und schön hinab zur Schweinfurter Hütte.
Und so geht eine bergige und schöne Etappe zu Ende, die durchweg unkompliziert aber nach belieben erweiterbar ist. Wir waren nicht alleine, der Weg scheint relativ frequentiert zu sein. Umso lohnender der wirklich kleine, etwas alpinere Umweg über die Kraspesspitze, welcher vergleichsweise einsam und eindrucksvoll ist, eine tolle Aussicht hinzufügt und immerhin noch einen Gipfel auf beinahe 3000 Metern mitnimmt. Sofern einem sowas wichtig ist.
Strategische Punkte:
- Am Südende des Finstertaler Speichersees gibt es einen winzigen Holzunterstand am Weg (Platz für 3 Personen)
Schlüsselstelle und Schwiergkeiten:
Durchweg alpine aber unschwere und bestens markierte Etappe. Der Weg bahnt sich eine elegante Linie auf dem Weg des geringsten Widerstandes durch das Gebirge und ist nie nennenswert steil oder ausgesetzt. Kurz vor der Scharte steilt der Weg für ein kurzes Stück etwas an und es sind ein paar leichte Stufen zu überwinden. Wer wie wir Schartenkogel und Kraspesspitze mitnimmt kriegt noch ein wenig Kraxelspaß im I. Schwierigkeitsgrat auf großen Blöcken dazu. Wer den direkten Weg durch die Scharte wählt, bleibt nahezu konstant auf flachen Bergwanderwegen. Gewisse Exposition für Gewitter ist vorhanden – ein solches sollte auf dieser Etappe vermutlich vermieden werden. Meiner Meinung nach ist die Etappe aber bei überschaubarem Schnee oder Regen vertretbar – am heikelsten wird dann vermutlich der erdige, etwas steilere Pfad kurz vor der Schweinfurter Hütte sein.
Theoretische Alternativen (Schwierigkeiten & Zeitbedarf beachten):
- Über die Pforzheimer Hütte kann in verschiedenen (sicherlich sehr schönen) Varianten zur Schweinfurter Hütte oder zur Winnebachseehütte gequert werden. Hier sind ggf. mehrere Etappen notwendig. Zugang ins Horlachtal (Schweinfurter Hütte) via Gleirschjöchl oder Zwieselbacher Rosskogel (3080m) oder Weiterweg über Zischgenscharte, Westfalenhaus und Winnebachjoch. Letzteres könnte man auch eher als erweiterten L1 beschreiben – wenn man eben Zeit hat und noch mehr sehen will.