18 km
1540 hm
300 hm
6 h
T2
Vor uns liegt eine zahlenmäßig doch ganz ordentliche Etappe auf – so vermute ich es – eher eintönigen Pfaden und Wegen. Ein kleines Abenteuer baue ich aus Versehen trotzdem ein. Das Wetter wird auf jeden Fall sehr durchwachsen – es passt also perfekt, dass wir heute keine Gipfel oder höhere Gebirgspässe vor uns haben.
Von Haiming queren wir das Inntal auf die Südseite. Hier bauen sich hohe, bewaldete Hänge mit einigen Dörfern auf. Diese wollen wir am Sattele, einem auf 1690 Meter liegenden Übergang überqueren. Da hier eine kurvenreiche Straße hinaufführt auf der wir einige Autos und Motorräder erwarten suchen wir uns einen etwas hübscheren Weg. Wobei hübsch immer im Auge des Betrachters liegt. Ich nutze die Karte in meiner Suunto-App, die tatsächlich ab und zu schon ganz wilde Pfade bereitgehalten hat, die auf den meisten anderen Karten nicht eingezeichnet sind. Ich finde einen mutmaßlichen Pfad zwischen dem Schloss Petersberg und dem höher gelegenen Dorf Gwiggen. Auf der Forststraße – wieder von Schwärmen von Bremsen geplagt – lässt sich aber kein wirklicher Pfad ausmachen. Laut GPS sind wir direkt an der Stelle, wo “irgendwas” rechts abzweigt. Wir folgen einer subtilen, steilen Spur in den rutschigen und nassen Bergwald.
Dieser entpuppt sich nach einigen Metern als nahezu überhängend. In loser Erde geht es quasi senkrecht hinauf und einige verirrte, nasse Wurzeln sind wohl die einzigen seriösen Fixpunkte. So ein Schmarrn.
Auf dem Boden finden wir die Verpackung von einem Snickers. Es waren also doch schonmal Menschen in diesem senkrechten Stück Wald? Über uns lehnt sich das Gelände wieder zurück und es lässt sich sogar wieder sowas wie ein schwache Spur oder ein Pfad ausmachen. Wenige 100 Meter ist das was eine wilde Odyssee im vertikalen Forst hätte werden können schon wieder vorbei. Dank der Karte aus der Suunto-App sind wir nun also wach. Empfehlen würde ich diesen Weg nicht – vorausgesetzt, dass es überhaupt ein solcher war. Auf jeden Fall kreuzen wir hier einen von links kommenden, markierten Wanderweg, der nach Gwiggen führt. Läuft also alles nach Plan hier.
Wir folgen dem Pfad an ein paar hübschen, moosigen Felsen vorbei bis wir irgendwo zwischen den Büschen heraustreten und in die bunte Welt der tobenden, fünf Häuser umfassenden Metropole Gwiggen eintauchen.
Im Regen geht es auf der Landstraße in Serpentinen bergauf, bis wir an zwei ausflippenden Hunden vorbei wieder einen Zugang in den Wald und auf direktere Wanderwege finden. Von hier geht es auf rutschigen Pfaden durch Wälder und Wiesen bis wir das Sattele erreichen. Jetzt folgen wir dem Kaiser-Franz-Josef-Steig in das Tal hinein. Der Steig läuft parallel etwas über der Kühtaistraße, auf die im Winter bestimmt Scharen von Wintersportlern rollen. Heute sieht alles etwas trostlos und verlassen aus, was aber bestimmt auch an den tiefhängenden, grauen Wolken liegt.
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man die Ecke um Kühtai auch direkt so wie sie ist im Erdboden versenken könnte. Und das geistert mir den ganzen Tag im Kopf herum. Go Little Rockstar.
Es ist einfach nicht schön hier. Das Längental, an dessen Eingang unser Weg bald vorbeiführt, ist eine gigantische Baustelle. Bis 2026 soll hier ein 113 Meter hoher Damm gebaut werden und das Längental in einen Speichersee verwandelt werden. Ein Milliardenprojekt, dass sich natürlich nicht in der Landschaft verstecken kann. Wendet man den Blick von Baumaschinen und Containerburgen ab landet man bei den Skiliften, die im Sommer kein besseres Bild abgeben. Und mittendrin steht ein pinkes Schloss. Ihr werdet euch schon irgendwas dabei gedacht haben.
Nach einer langen Etappe, die sich durch ihre gleichförmigen, leichten und nicht wirklich schönen Wege ganz gut gezogen hat erreichen wir die Dortmunder Hütte. Gefühlt sammelt sich hier das einzige Leben in Kühtai im Sommer, der Rest des Skiorts wirkt komplett ausgestorben. Wenn man bedenkt, dass sich nur 30 Einwohner zwischen einer Vielzahl an Hotels und Ferienwohnungen versteckt ist das auch nicht weiter verwunderlich. Und auch die Dortmunder Hütte – mit großen, gepflegten Zimmern und Bädern – mimt eher ein Hotel oder eine gehobene Jugendherberge als eine urige Berghütte. Was nach einigen eher rustikalen Nächten absolut nichts schlimmes ist.
Strategische Punkte:
- Keine
Schlüsselstelle und Schwierigkeiten:
Durchweg leichte und gepflegte Wanderwege, die Etappe kommt allerdings mit einigen Höhenmetern und einem Gegenanstieg nach Kühtai daher, was sie durchaus konditionell fordernd und lang macht. Da sich landschaftlich eher wenig tut und man die meiste Zeit im Wald ist, ist die Schlüsselstelle hier wohl eher mentaler Natur.
Theoretische Alternativen (Schwierigkeiten & Zeitbedarf beachten):
- Alpine Überschreitung des Pirchkogels mit vielen Höhenmetern
- Variante über Stamser Alm und Kreuzjoch, wahrscheinlich nur eine Überlegung wert, wenn man aus der vorherigen Etappe eher in Stams oder Telfs gelandet ist und keine Etappe entlang befahrener Straßen im Inntal haben will
- Übergang am Grünwaslkreuz, die vermutlich etwas schönere Variante unserer Etappe. Entsprechend aber auch mehr Anstieg.