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Parete di Sherwood – Little John (VI)
Parete di Sherwood – Little John (VI)

Parete di Sherwood – Little John (VI)

Literatur: Versante Sud: Hohe Wände bei Arco Vol. 2*

Parete di was?

Fair. Gehört habe ich von diesem kleinen Felsen mit seinen kurzweiligen Mehrseillängen bis zu meinem inzwischen 9. Besuch in und um Arco auch noch nicht. Versteckt unter und zwischen den bekannten bis überlaufenen Wänden der Cima alle Coste, Anglone und Antiscudo geht das Gebiet völligst unter. Vielleicht sogar zu recht? Das wollen wir herausfinden.

Die Route „I Tre Soci“ an der benachbarten Antiscudo-Wand hat uns an unserem Abreisetag noch nicht wirklich ausgelastet und die nächsten Stunden mit Eis essen zu verbringen ist zwar geil aber auch keine nachhaltige Lösung. Praktisch, dass die Parete di Sherwood beinahe am Wegesrand unseres Abstiegs liegt und gleich mehrere mit 120 Metern einigermaßen kurze Touren beherbergt.

Das Motto der Wand ist Robin Hood. Nebenan gibt es auch einen Sheriff von Nottingham (VI) und Robin Hood (VII+).
Little John

Ganz am rechten Rand des Wändchens wartet mit der Little John eine von mehreren Linien, welche gemein haben, dass sie 4-5 Seillängen messen und unten einen recht steilen und direkten Vorbau überwinden. Danach geht es meist flacher zur Sache. Die Routen sind – mit Ausnahme der zwei linken – gut mit Bohrhaken abgesichert. Die ringsum oft gängige „alpinere“ Absicherung mit Schlingen und wenigen, sparsam platzierten Bohrhaken muss man hier nicht erwarten.

Trotz bestem Wetter hält sich der Trubel hier in Grenzen. Eine Wohltat nachdem wir am Tag zuvor ziemlichen Stress und 8 Stunden in einer übervollen Wand hatten. Ein Geheimtipp ist das Gebiet aber gewiss auch nicht. Nebenan ist eine Seilschaft in der Route Fra Tac unterwegs, zwei Mädels üben neben der ersten Seillänge unserer Route das Abseilen.

1. Seillänge (VI-/VI)

À propos unsere Route. Ich übernehme die erste Seillänge und die Motivation für unseren kleinen Seitensprung schwindet bereits nach dem ersten Meter. Absolut kein Geheimtipp. Speckig ist es. Viel schlimmer als bei vielen der ganz großen Grill-Klassiker. Zum Glück begrenzt sich das auf die ersten Meter, die dennoch etwas eigenartig zu klettern sind. Was wie ein logischer Riss zum Piazen aussieht, entpuppt sich mangels brauchbarer Tritte als ganz schön wackelige Angelegenheit. Mir fällt es tatsächlich leichter auf die mit kleinen Leisten bestückte Platte links des Risses zu wechseln und dort – mit etwas Abstand zu der Vorgabe der Haken – die Höhe zu machen.

Sind die ersten Meter erstmal überwunden, so fühlt sich der Fels schon etwas weniger poliert an. Ein wenig unübersichtlich bleibt es allemal. Links eine brüchige, griffige Verschneidung. Rechts eine glatte Platte. Die Kletterei? Irgendwo in der Mitte. Alles gleichzeitig. Spaß für alle Sinne. Ich erreiche den Standplatz, der fein im Schatten eines großen Blocks liegt. Schön ist es hier schon. Der Fels leuchtet goldgelb, die Blätter rascheln. Wirklich gegrillt wird man hier noch nicht. Auch die nächste Seillänge verspricht einen interessanten Weiterweg. Aber zunächst steigt Hannah nach und löst die Seillänge mit etwas mehr Stil und etwas weniger Mimimi.

2. Seillänge (VI)

Die Schlüsselseillänge entschädigt für den gewöhnungsbedürftigen Einstieg. Es ist leider nur ein Viertel der Route – die Länge macht aber wirklich Freude und gehört zu den schöneren. Man kann durchaus einige Tage in den Wänden um Arco verbringen ohne einmal so lässiger, homogener Kletterei zu begegnen.

Hannah folgt einer schmalen Rinne zwischen einen abgesprengten Block und das steile Wändchen. Hier geht es – ein wenig gegen den Block spreizend – empor zu einem kleingriffigen aber ideal rauen und interessanten Überhang. Überhang ist ein großes Wort. Aber in Arco schimpft sich fast alles, was grob gegen vertikal geht oder markant aus einer sonst geneigten Wand heraussteht als Überhang. Und wo kämen wir hin, wenn wir die örtlichen Traditionen nicht ehren und wahren würden. Die Bewertung scheint recht passend – vielleicht sogar etwas gutmütig. Denn nach dem schönen Aufschwung geht es rau, griffig und abwechslungsreich an teils traumhaften Henkeln durch eine vage Verschneidung.

Okay, die war richtig fein!

3. Seillänge (II)

Leider wirklich nur Gehgelände mit etwas Geröll und Gemüse – ziemlich kurz noch dazu. Dafür jetzt mit mehr Sonne und etwas Aussicht nach oben und unten. Ich komme meiner Pflicht als Vorgeher nach und hole Hannah rasch nach.

4. Seillänge (V-)

Die Hauptschwierigkeiten liegen an diesem Punkt auf jeden Fall hinter uns. Es wartet nur noch eine gestufte Ausstiegslänge, in der die „Schwierigkeiten“ auf einzelne Blöcke konstruiert zu sein scheinen. Ein markantes Beispiel ist ein eckiger, sperrender Block auf halbem Weg. Geht man diesen an seiner rechten Kante an, so gelangt man im ungefähr unteren 5. Grad recht genüsslich auf und über ihn. Geht man den Block hingegen frontal an kann man sich hier aber auch nochmal eine kleine Schlüsselstelle provozieren.

Die 4. Seillänge präsentiert an einem pfeilerartigen Block nochmal ein paar kurze, wahlweise harte Züge

Danach geht es durch einfaches, gestuftes Gelände zum höchsten Punkt des Wändchens. Auf dem Weg liegt leicht links noch ein extrem großer (~1-2 Personen) und überraschend loser Block, der zum Anklettern einlädt. Obacht geben. Falls das Teil irgendwann runterkommen sollte räumt es in der Wand, am Wandfuß und im darunterliegenden Bergwald ordentlich auf. Auch wenn wir uns mit dem Little John in einer sehr übersichtliches und unverbindliches Klettererlebnis stürzen: wir sind immer noch in der Natur, im steilen Fels und in einem nicht zwingend kontrollierbaren Umfeld.

Abstieg

Vom letzten Stand geht es gutmütig und kurzweilig über einen kleinen Pfad im Wald rechterhand zurück zum Einstieg, welcher nach wenigen Minuten wieder erreicht ist.

Nochmaaal!

Tatsächlich beschließen wir für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir hier mal etwas härter klettern wollen, beim nächsten Mal der Nachbarroute Fra Tac einen Besuch abzustatten. Mit dem neu gewonnenen Wissen über den gigantischen, losen Block über der Tour werden wir dort bestimmt ganz sorglos und fokussiert herumtüfteln können.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Persönlich würde ich die ersten 3 Meter als Schlüsselstelle identifizieren – der rutschige Riss lässt sich direkt über dem Boden gar nicht mal so freundlich klettern und die Schlinge wird dort auch nicht ohne Grund in den Bohrhaken geknüpft worden sein. Die zweite Seillänge ist dann wirklich schön und im authentischen 6. Grad mit einer kurzen Crux, feiner Absicherung und verschwenderisch henkliger Genusskletterei. Darüber Gehgelände und eine unspektakuläre, blockige Arco-Seillänge. Die Absicherung ist gut – im Kontext der vielen Sanduhr-Alpintouren im Nahbereich vielleicht sogar sehr gut. Expressschlingen reichen in jedem Fall aus.

Zusammenfassung

Nettes Wändchen für unsicheres Wetter oder An- und Abreisetag. Der Zustieg geht recht schnell von der Hand und auch der Abstieg ist schnell, direkt und unproblematisch. Ganz ehrlich – ich kenne im Sarcatal inzwischen auch deutlich längere Führen, die weniger brauchbare Klettermeter abwerfen. Die Kletterei ist im unteren Teil der Wand definitiv nicht unlohnend und auch die Nachbarrouten sehen nicht uninteressant aus. Eine große Unternehmung ist das natürlich nicht. Aber es gilt ja manchmal auch den kleinen Dingen einen gewissen Wert beizumessen – und als spontane Ehrenrunde vor einer Kugel Eis gibt es definitiv schlimmere Ideen.

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