Kletterblog & Berggeschichten
Jägerkamp (1746m), Tanzeck (1702m) und Aiplspitz (1759m) – Skitour vom Spitzingsee (WS)
Jägerkamp (1746m), Tanzeck (1702m) und Aiplspitz (1759m) – Skitour vom Spitzingsee (WS)

Jägerkamp (1746m), Tanzeck (1702m) und Aiplspitz (1759m) – Skitour vom Spitzingsee (WS)

Literatur: Panico Skitourenführer Bayerische Alpen*

Es ist Sonntag, feinstes Wetter und ich habe Langeweile. Das frühzeitige und intensive Wintermärchen 2023/2024 hat sich durch Regeneintrag und spontane Wärmeeinbrüche zumindest in unseren Breiten wieder ein wenig beruhigt. Nass- und Lockerschnee ist vor allem in niedrigeren Lagen das überwiegende Problem, das Alpenvorland ist bereits gänzlich grün.

Statt nun aber wieder die Piste im Garmisch-Classic hochzuschrubben, zieht es mich in eine andere Ecke, die als Schneeloch gilt. Der Kessel um den kleinen Spitzingsee hat diesen Ruf – ob nun aus Marketinggründen oder realen geographischen Begebenheiten sei mal dahingestellt. Bisher war ich hier vor allem im Sommer unterwegs. Der kleine Taubenstein und sein Südostflanke im (sehr humanen) 3. Grad hat sich vor ein paar Jahren als meine Default-Solokraxelei etabliert. Mit Skiern war ich hier im freien Gelände noch nicht unterwegs.

Wird mal Zeit?

Da der Winterbetrieb der Taubensteinbahn vor 10 Jahren eingestellt wurde, ist nur mehr das westliche Ufer des Spitzingsees durch das Skigebiet am Stümpfling erschlossen. Die Eastside bleibt den Tourengehern vorbehalten – wobei die üppigen Schneisen vergangener Tage natürlich pistenartige Hänge hinterlassen haben. Durch die extreme Beliebtheit darf man sich auch kurz nach dem ersten Schneefall auf pistenartigen Schnee einstellen – ein Geheimtipp ist das Tourengebiet nicht. Eine weitere Konsequenz dieses Ansturms ist ein Meer an kleinräumigen Schutzzonen, die bei der Tourenplanung berücksichtigt und eingehalten werden müssen um das Gebiet auch für die Zukunft zu erhalten. Ist ja immerhin ein Schneeloch. Könnte sich ja lohnen.

Für mich sind das auf jeden Fall die Zutaten für einen risikoarmen Alleingang – abgefahrene Hänge in trotzdem schöner Landschaft. Gepaart mit der Möglichkeit mit wenigen Höhenmetern gleich mehrere Gipfel zu besuchen.

Durch den Lochgraben zur Rauhkopfhütte

Die Schlüsselstelle wartet direkt hinter dem Parkplatz der Taubensteinbahn. Die ersten 120 Höhenmeter führen einen steilen, oft eisig-buckeligen Hang hinauf, der das Vertrauen in die Felle testet. Es gehört zum guten Ton hier ein wenig zu fluchen. Auch ich erwische den Hang nach den Regenschauern und wärmeren Perioden als ausgeprägtes Eisschild, welches weder im Aufstieg noch in der Abfahrt für Freude sorgt.

Ist diese erste Hürde überwunden geht es in einer Schleife etwas flacher nach links und dann immer der Schneise folgend in ein ausgeprägtes Flachstück. Es gibt auch die Möglichkeit sich hier direkt links über dem Wald zu halten und direkt von unten zur Schönfeldhütte aufzusteigen. Ich bleibe aber erstmal noch am Talgrund. Spätestens hier sollte sich auf jeden Fall etwas mehr Genuss einstellen. Auf 1370 Metern gilt es den Abzweig nach links zur Rauhkopfhütte zu erwischen, dann öffnen sich die weiten und feinen Hänge zwischen den kleinen Gipfeln.

Hochmiesing (hinten links) und Rauhkopf – ebenfalls mit Skiern zu erreichen

Jägerkamp (1746m)

Da mir das Rauheck nun ein wenig zu naheliegend und abgeblasen erscheint halte ich mich erstmal linkerhand hinauf zur Schnittlauchmoosalm. Eine Senke hinter dieser Alm ist ein kleines Pulverfass – der nach Osten gedrehte, kurze Steilhang verspricht für einige Schwünge richtig guten Schnee. Viel mehr als ich für diesen Tag erwartet hatte.

Das Pulverfass – dahinter Tanzeck (Vorgipfel) und Aiplspitz

Ich dreh also gen Westen und steige weiter unter dem Grat auf, wobei eine Schutzzone an der Benzingspitze berücksichtigt wird. Die Skitour folgt hier aber ohnehin dem Sommerweg, ist kaum zu verfehlen und wahrscheinlich nahezu nie unverspurt vorzufinden. Die Aussicht auf den Schliersee und das Voralpenland wird immer feiner als ich den Grat erreiche und die letzten Meter zum Jägerkamp schiebe. Selbst bei den heutigen, nicht allzu winterlichen Verhältnissen lässt sich ohne Harscheisen bis zum Gipfel aufsteigen und auch direkt vom Gipfelkreuz abfahren. Viel mehr als ich für diesen Tag erwartet hatte. Schon wieder!

Tiefblick zum Schliersee

Nach einer kurzen Pause werfe ich die Felle in den Rucksack und fahre vom Gipfel ab. Am eisigen Grat ist skitechnisch wenig zu holen, die Querung zurück zur Schnittlauchmoosalm ist auch fad. Aber der kleine Hang zu dieser – konsequent im Schatten liegend – kratzt punktuell an den 30° und macht richtig Spaß.

Tanzeck (1703m)

Wie so oft vervollständigt sich ein nicht ganz konkreter Plan von selbst. Um die Abfahrt ein wenig zu Verlängern felle ich nochmal auf und schiebe zum Tanzeck rauf. 70 Höhenmeter – ein geschenkter Gipfel. Fairerweise auch nicht viel mehr als eine unrelevante Graterhebung zwischen Jägerkamp und Aiplspitz. Aber auf Letztere hat man von hier einen sehr schönen Blick.

Zu schön…

Aiplspitz (1759m)

Die Aiplspitz dürfte einer der formschöneren und markanteren Gipfel der Rotwandgruppe sein. Obwohl sie sich in der Höhe nicht wirklich von ihrer Umgebung abgrenzt entsendet sie eine für Voralpen-Verhältnisse recht hübsche Felswand nach Norden und drei mehr oder weniger scharfe Grate in verschiedene Himmelsrichtungen. Einer dieser Grate – im Sommer mit T4 bewertet – liegt nun vor mir. Es ist der vom Tanzeck aus ungefähr 300 Meter lange Westgrat. Ein Paar kommt gerade aus dem, was sogar wie eine Spur aussieht und berichtet, dass diese nach wenigen Metern an einer senkrechten Felsstufe endet und der Grat nicht begehbar sei.

Mein Ass ist heute nicht im Ärmel sondern hinten im Rucksack: ein kleines Gully. Eigentlich kein übliches Werkzeug in dieser Region. Ich lasse die Skier am Tanzeck zurück und schaue mir den Grat aus der Nähe an. Die kurze Felsstufe ist zwar recht exponiert, umgeht aber elegant die nordseitige Querung, die mächtig eingeweht aussieht. Der Pickel hält im gefrorenen Gras perfekt und mit ein paar sauberen Tritten mit den Skischuhen ist die Stelle schon überwunden. Danach geht es einen prächtigen Schneegrat entlang und zuletzt etwas steiler und die kleinen Wechten umgehend hinauf zum Gipfel. Von Osten hat dieser Berg über die Standart-Skiroute schon einige Besucher gesehen – in der goldenen Nachmittagssonne habe ich ihn aber für mich alleine. Die kleinen Berge der Rotwandgruppe kommen im hübschen Licht und Winterkleid ganz groß raus.

Nach einer kurzen Rast folge ich meiner kleinen Spur zurück zum Tanzeck. 10 Minuten kostet das Manöver. Ich schlüpfe in die Bindungen und sause die sulzigen aber ausreichend tiefen Hänge hinab und stehe 15 Minuten später wieder am Parkplatz. Skitouren sind einfach anders.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Jägerkamp und Tanzeck sind sehr einfache Skitourenberge, die auf den normalen Routen bei guter Spurwahl und normalen Verhältnissen fast gänzlich ohne ein nennenswertes Lawinenrisiko auskommen. Eher wird man pistenartige Hänge vorfinden – im unteren Teil je nach Timing durchaus anspruchsvoll eisig. Oben hat es dann aber wirklich schöne und weite Hänge und die Möglichkeit auf viele kleine Aussichtsgipfel.

LVS-Ausrüstung sollte bei nicht völlig klaren Zielen & Bedingungen trotzdem dabei sein – auch in der Rotwandgruppe gab es schon entsprechende Unfälle. Harscheisen können durchaus Sinn und Spaß machen – etwa für den Auftakt hinter dem Parkplatz und die jeweiligen Gipfelanstiege.

Der hier beschriebene Übergang zum Aiplspitz ist dann je nach den vorherrschenden Verhältnissen eher ein kleiner Ausflug ins moderate Winterbergsteigen und kein „normaler“ Bestandteil der beschriebenen Skitouren. Der Grat bildet gerne Wechten aus und zu beiden Seiten gibt es eine gewisse Absturzgefahr in steileres, felsdurchsetztes Gelände – es kann durchaus sein, dass hier Steigeisen und ein Pickel erforderlich werden. Bei guter Spur ist es aber ein lohnender Extragipfel am Wegesrand, der mit überschaubaren Mühen mitgenommen werden kann. Auf keinen Fall sollte hier in die Flanken ausgewichen werden – auch hier liegen Schutzzonen.

Zusammenfassung

Ein entschleunigendes, kleines Skitourenabenteuer in einer gutmütigen und idyllischen Ecke gegenüber des Pistentreibens… und durch einen kleinen Abstecher um einen Hauch von „Berg“ bereichert.

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