Kofel (1342m) von Oberammergau (T3)
Kofel (1342m) von Oberammergau (T3)

Kofel (1342m) von Oberammergau (T3)

Der Kofel ist mein absoluter Trainigsberg. Das liegt vor allem daran, dass er über den Königssteig bei Wind und Wetter ziemlich direkt erstiegen werden kann und dabei einen tollen Tiefblick und passagenweise interessantes, alpines Terrain bietet. Dazu gibt es zahlreiche kurzweilige Varianten – etwa den wilderen Abstieg über den Marxensteig oder eine kleine, optionale Gratkletterei im II. Grad am Gipfelaufbau.

Anders als die üblichen Hausberge der Region, hat mich der Kofel aber auch schon ab und zu mit besonders wilden Wolken- und Lichtstimmungen überrascht und hält besonders bei etwas unüblicheren Bedingungen zahlreiche Facetten bereit. Die heutige Tour ist eine solche. Denn eigentlich war ich im immertrüben, winterlichen Nebel davon ausgegangen einfach kurz ein paar unverbindliche Höhenmeter auf verschneiten Pfaden zu laufen. Und ich dokumentiere diese “Routinewanderung” auch nur deshalb, weil es anders kam. Eine kleine Notiz an mich selbst, auch bei schlechtem Wetter oder mangelnder Motivation ab und zu vor die Tür zu gehen:

Es könnte sich ja lohnen.

Eine Winterbegehung am Kofel ist keine Seltenheit – nach dem nicht lange zurückliegenden Neuschnee scheine ich aber der Erste zu sein. Spuren gibt es noch keine. In der gespenstischen Stille und Kälte eines ruhigen Winterabends erreiche ich über die kurzen Stahlseilpassagen den vagen Südgrat des Berges und einen ersten Blick in Richtung Westen.

Da endet die Wolkendecke doch tatsächlich irgendwo im Allgäu. Dahinter ist ein kristallklarer Streifen goldenen Himmels zu sehen. Die Sonne wird in wenigen Minuten untergehen und davor für einen winzigen Moment unter der Wolkendecke hervortreten und ihr letztes Licht in die noch düstere Berglandschaft werfen. Und obwohl der Kofel kein wirklich guter Berg für Sonnenuntergänge ist – dieser versteckt sich meist hinter dem Teufelstättkopf – ist das bizarre Gegenlicht nur eine Frage der Zeit.

Dann geht alles ganz schnell. Die Natur fackelt für wenige Minuten ein Feuerwerk ab, von dem heute Abend die wenigsten etwas mitbekommen dürften und für das bei dem grauen Himmel auch gefühlt niemand auf einen Berg gegangen ist. An der Hörnlegruppe trifft surreal orangenes Licht ein. In der sonst düsteren Umgebung geben sie nun einen strahlenden Kontrast ab. Dann wandert das Spotlight weiter und streift das Labermassiv, dessen Gipfel von dünnen Wolken umspielt wird.

Als die Abendröte ihren Zenit erreicht, die Sonne untergeht und die Wolken im Westen von unten angestrahlt werden mache ich mich an den Rückweg. Das erste Stück des Abstiegs führt nämlich genau auf das Spektakel zu, das als winterlich-feurige Interpretation von Polarlichtern gewertet werden kann. Ich staune vor allem über die Kleinräumigkeit und Exklusivität dieses Momentes, der wenige Minuten andauert und dann wieder in einer sonst grauen und tristen Winterwoche verschwindet. Nebenan in Garmisch-Partenkirchen ist es heute zappenduster geblieben. Wenige Kilometer weiter östlich wäre ich wirklich durch den Nebel gewandert. Weiter westlich ist den Webcams zufolge auf eindrucksvolle Weise das Licht angegangen – allerdings in weniger abstrakter Wolkenstimmung und Farbvielfalt.

Für einen Augenblick war der Kofel genau der richtige Ort und genau die richtige Zeit. Und ich durch einen Zufall mittendrin.

Genau diese Momente sind es, die mich immer und immer wieder vor die Tür bringen. Und ich wünsche jedem, dass er auch einmal in eine solche Situation stolpert. Was man daraus macht sei jedem selbst überlassen. Eine Insta-Story? Einen Blogartikel? In meinem Fall war es ein sehr ähnlicher Moment, der mich von einem Tag auf den anderen vor die Tür katapultiert hat und nie wieder losgelassen hat. Alles was ich heute in den Bergen und Wänden veranstalte, tue ich um nochmal an die Magie dieser ersten Tour anzuknüpfen. Wohlwissend, dass sie unwiederbringlich ist.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Der Kofel ist bei Schneeauflage im oberen Abschnitt durchaus ernst und kann trotz Stahlseilversicherung auch etwas gröberes Werkzeug erfordern. Der Fels ist an einigen Stellen ziemlich speckig, was durch eine Schneedecke hindurch kaum auszumachen ist – an diesen Stellen ist es sogar im Sommer und mit klarer Sicht nicht ganz einfach einen wirklich guten Tritt zu finden. Nach über 30 Begehungen, von denen viele auch im Schnee oder Regen stattgefunden haben kenne ich die Ecken ganz gut – ich bin die Tour bei ähnlichen Bedingungen aber auch schon mit Grödeln und einmal sogar mit schweren Steigeisen gegangen (und war bei den damaligen Bedingungen damit auch nicht alleine am Berg). Im Zweifel gibt es wesentlich einfachere und sicherere Winterwanderungen – der Anstieg am Kofel erfordert auf kurzer Strecke dann doch ziemlich genau das, was im Winterbergsteigen im größeren Stil geboten ist und verzeiht je nach Schneelage keine Fehler.

Zusammenfassung

Eine Feierabendtour aus dem Bilderbuch

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner