Kletterblog & Berggeschichten
Höllentorkopf (2150m) via Nordkante (IV+)
Höllentorkopf (2150m) via Nordkante (IV+)

Höllentorkopf (2150m) via Nordkante (IV+)

Literatur: …das mit Aaaaabstand beste Topo kommt vom Deichjodler

Reizvolle Kletterei für Gehfaule

Pause, Im schweren Fels

Ich hab mich heuer schon einige Male ganz eifrig über mein Knie beschwert, welches aus einer scheinbaren Laune heraus die Sommermonate und die meisten größeren Pläne in diesen blockierte. Beim Versuch darin etwas Gutes zu sehen, fallen mir vor allem zwei Dinge ein. Viel Fliegen & Gondeltouren im Nahbereich, die sonst immer irgendwo hinten runterfallen. Heute also ein Ausflug in letztere Kategorie:

Blick ins Höllental aus dem Hupfleitenjoch

120 Jahre ist es her, dass die Nordkante des Höllentorkopfes durch Freudenberg und offenbar im Alleingang durchstiegen wurde. Damit ist sie die Ältere der beiden klassischen Kanten, die hier im nördlichen Wetterstein in den Himmel ragen und in Walter Pause’s „Im schweren Fels“ aufgenommen wurden – dem gemäßigteren Gegenstück zum Kultführer mit dem extremen Fels.

Seitdem hat sich einiges getan in den Felsen über dem Werdenfelser Land. Man kann es sich auch deutlich schwerer machen – im Sinne der zahlreichen Nachbarrouten im Alpspitzgebiet in Schwierigkeitsgraden, an die 1904 noch gar nicht zu denken war. Man kann es sich heute auch einfacher machen – mit modernen Kletterpatschen, (manchmal) brauchbaren Topos, Wetterbericht, Bohrhaken und bunten Haufen mobiler Sicherungsgeräte. Und natürlich mit der Gondel, die einen in wenigen Minuten auf über 2000 Meter katapultiert. Trotz all dem meint mein Büchlein von 1985:

Abgesehen von dieser Trägheitsstütze bietet die Nordkante durchaus handfeste, alpine Reize

Pause, Im schweren Fels

Und mein Knie und eine aufkeimende Sommergrippe sind sich ohnehin einig, dass so eine Tour mit Trägheitsstütze heute gerade recht wäre.

Die Kante – von hier aus durchaus imposant.
Die Nordkante…

…versteckt sich ein wenig hinter dem Rummel des Garmisch-Classic. Zwar sieht man ihre oberen Ausläufer direkt hinter der Aussichtsplattform am Osterfelderkopf aufragen – begehrte Fotomotive stellen dort aber Alpspitze, Zugspitze und die markanten Waxensteine dar. Dass es sich bei dem Wändchen überhaupt um eine durchaus ausgeprägte Kante handelt erkennt man eigentlich erst, wenn man die Seite wechselt und durch das Hupfleitenjoch ins Höllental absteigt. Nur dort gibt die rund 400 Meter hohe Wandflucht ein kurzweilig imposantes Bild ab.

Die Kletterei lässt diese Kante meist links liegen und schlängelt sich in alter Manier „elegant“ über gangbare Schwachstellen, Rinnen und Kamine in die Höhe und kommt dabei mit der heute etablierten Linienführung je nach Quelle mit dem unteren 5. Schwierigkeitsgrad und etwa 12 Seillängen aus. Für die nötige Unschärfe sorgen die speziell hier nicht wirklich guten Topos der einschlägigen Führerliteratur und ein komplettes Ausbleiben von neumodischen Dingen wie Standplätzen im oberen Teil. Aber dazu später mehr.

Zustieg

Der Zustieg ist eigentlich erstmal ein Abstieg. Zumindest wenn man – so wie wir – die Gondel benutzt und am Osterfelderkopf quasi auf Gipfelhöhe ausgespuckt wird. In den ersten Sonnenstrahlen hüpfen wir den feinen Wanderweg unter der Hochalmbahn hinab und biegen vor dem Längenfelderkopf links gen Hupfleitenjoch ab. Auf einen kurzen Abstieg in die oft thermikspendende Mulde folgt der Gegenanstieg zum Joch und wenig später drängt sich schon die hübsche Kante ins Blickfeld. Bis hierhin alles easy.

Weniger easy ist es, den richtigen Einstieg in das bereits gut ersichtliche Zustiegsgelände zu finden. Wir marschieren erstmal an diesem vorbei und bemerken das, als der Hupfleitenjochsteig mit uns auf dem Buckel die markante Felsrinne queren möchte, die hier vom Höllentorkopf herunterzieht. Das ist zu weit. Wir hatten gelesen, dass es vorher auf Pfadspuren links hinauf geht. Auch wenn in einigen Berichten auch ein Direktanstieg durch die Rinne beschrieben wird, der uns aber erstmal wenig einladend erscheint. Also wieder zurück.

Nach Einstieg in den Latschengürtel bietet sich diese Felsrampe an und mündet in einer Sackgasse…

Mit ein wenig Kreativität lässt sich dann etwas höher, einige Meter hinter der letzten der in Karten erkennbaren Serpentinen tatsächlich ein subtiles Steiglein ins Gebüsch ausmachen. Allzu viel sollte man hier wirklich nicht erwarten. Häufig sind Zustiege zu Kletterrouten trotz epischer und ausschweifender Zustiegsbeschreibung offensichtliche Autobahnen. Hier würde ich auf den ersten Metern eine Ausnahme von dieser Regel anbringen wollen – von allzu vielen Begehungen zeugt die winzige Trittspur ins Latschendickicht nicht. Obwohl wir damit den richtigen Einstieg gefunden haben biegen wir nach wenigen Metern falsch ab. Nämlich steil empor als sich eine freie Felsrampe im vielleicht oberen II. Grad anbietet. An ihrem Ende – ein wenig brüchig-erdige Kraxelei später – laufen wir aber in eine Sackgasse und müssen das nicht wirklich angenehme Gelände zähneknirschend wieder absteigen.

Statt hier also dem Offensichtlichen zu folgen soll man, wie wir bei einem zweiten Blick feststellen, geradewegs durch die dichten Latschen hangeln. Diese weisen auf einigen Metern keine Zeichen von Begehungen oder vergangenen Gartenarbeiten auf, wie man sie selbst auf den vermeintlich abgelegenen Geheim-Gipfeln vorfindet. Stattdessen darf an Ästen hängend und auf Ästen stehend wenige Meter über dem Steig durch’s Gebüsch geturnt werden bis sich das Gelände endlich lichtet und ein brauchbarer Weiterweg ersichtlich wird.

Ob das so ganz richtig war – unsicher. Da uns ohnehin ein wenig die Zeit im Nacken sitzt halten wir uns aber nicht mit weiteren Untersuchungen auf und folgen dem nun leichten und flowigen Spaßgelände zum Einstieg der Nordkante. Spart man sich den Abzweig und Verhauer in die Felsrinne und trifft direkt das Steiglein und hält sich horizontal querend durch die Latschen, so gelangt man mit rund 50 unangenehmen Metern in gangbares Gelände. Ich würde es wohl beim nächsten Mal wieder so tun solang mir niemand einen besseren Weg zeigt.

Das Gelände öffnet sich – der weitere Zustieg ist ziemlich offensichtlich

Es wechseln seichte Schotterrinnen und solide Felsstufen, die kurze und simple Kletterei erfordern. Wir folgen recht intuitiv den Bändern durch das sonst überwiegend weglose Gelände unter den düsteren Kalkmauern hindurch. Rasch gelangen wir in die Rinne, die hier oben ziemlich festen, griffigen und ausgewaschenen Fels bereithält und sich schön Kraxeln lässt. Ausgesetzt ist der Zustieg bis auf die letzten Meter nicht – höchstens dem Steinschlag von oben. Die Wegwahl ist hier ziemlich frei. Wahrscheinlich lässt sich auch gut im kompakten Fels links der Rinne und ggf. etwas rustikaler auf der brüchigen Rippe rechts der Rinne steigen. Ziel sollte in jedem Fall der tiefste Punkt der Nordkante sein.

Spaßiges Gelände in der Zustiegsrinne – Schwierigkeiten dürfen hier nach Belieben selbst gesucht werden

Der Einstieg zur Nordkante ist mit einer kleinen Metallstange gekennzeichnet und ist nochmal um einen kleinen Gerölltrichter rechterhand von der bisherigen Aufstiegsrinne abgetrennt. Dem geübten Auge ist aber ohnehin schon das Rampensystem aufgefallen, welchem die Führe zunächst folgt. Um zu dem kleinen Plateau zu gelangen darf eine kurze Querung im unteren 3. Grad gekraxelt werden – auf dem Absatz ist dann eigentlich genug Platz um die Gurte anzulegen und die Seile auszupacken.

Vamos!

1. Seillänge (IV)

Hannah bekommt, uralten Traditionen folgend, die erste Seillänge. Die schaut auch erstmal ordentlich steil aus. Direkt vom Absatz weg stellt sich ein senkrechtes, vielleicht 8 Meter messendes Wändchen in den Weg. Der Fels entpuppt sich dann aber als reichlich griffig, rau und gutmütig – die Stelle lässt sich schön Klettern. Ein gewisser Abstand zum vierten Grad sollte aber gegeben sein. Fixes Material gibt es nicht und die Möglichkeiten für so richtig spektakuläre mobile Absicherung ist rar. Noch rustikaler wird es, als sich das Gelände wieder zurücklehnt und über Schotter, Schrofen und Bruch leicht rechtshaltend an die Wand lockt. Hier gibt es direkt die Möglichkeit sich sehr vertikale Verhauer zu leisten und eine gelbe Verschneidung anzuklettern, vor der auch in vielen Tourenberichten gewarnt wird. Hannah lässt es sich trotzdem nicht nehmen hier ein wenig zu Projektieren, bis sie den Standplatz am Beginn der ansteigenden Rampe findet und einrichtet.

Ich folge auf leisen Pfoten um keinen der losen Blöcke ins Höllental zu treten. Viele Sicherungen muss ich nicht einsammeln. Was aber hervorgehoben werden darf, ist dass die meisten Standplätze recht vorbildlich mit Bohrhaken saniert sind. Auf die Ausnahme davon gehen wir später genauer ein.

2. Seillänge (IV+)

Gerüchten – nein manchen Topos zufolge – wartet hier direkt die Schlüsselstelle. Und man ist sich uneinig ob diese denn nun im 4. oder unteren 5. Grad anzusiedeln ist. Ist eigentlich auch egal. Die Absicherung fällt hier dann doch ganz gut aus – es haben sich sogar einzelne Bohrhaken in die Seillänge verirrt und in semiregelmäßigen Abständen tauchen auch Normalhaken unterschiedlicher Qualität auf.

Der kurze Schlüsselzug ist ziemlich gutmütig, nicht allzu speckig und auch nicht nennenswert ausgesetzt. An guten aber nicht ganz so offensichtlichen Griffen und eigentlich auch guten Tritten geht es um ein etwas abdrängendes Eck, an dessen Ende ein kleiner, rauer Kamin Zugang zu der ansteigenden Rampe verschafft. Auf dieser möchte man dann auch erstmal bleiben. Man muss nirgends gerade rauf oder abbiegen. Es folgen ein paar genüssliche Klettermeter durch recht guten Fels bis ein kleiner Aufschwung die Rampe unterbricht. Auch hier bleibt das Ziel der Weiterweg auf der Rampe. Es empfiehlt sich aber den Aufschwung ein wenig großräumiger über festen Fels links zu umklettern. Denn: steht man erst einmal über dem Aufschwung, so sieht man aus was für gestapelten, splittrigen Blöcken er besteht. Ich war froh, ihn nicht direkt frontal angezogen zu haben – auch wenn er eigentlich sehr griffig aussieht und das bestimmt auch schon gemacht & überlebt wurde.

Wieder auf der Rampe hat sich die Felsqualität verändert. Morscher, sandiger Bruch führt einige Meter weiter, bis sich (immer noch auf der Rampe) links ein Standplatz finden lässt.

3. Seillänge (III+)

Hannah übernimmt die Führung und folgt für wenige Meter der plattigen Rampe, bis sich nach links eine offensichtliche, breite Rinne öffnet. Und damit ist sie auch schon aus meinem Blickfeld verschwunden. Dass sie einen Standplatz erreicht hat, erfahre ich nur per Seilkommando – wir haben hier zwei Seillängen zusammengelegt was mit 60 Meter Seilen funktioniert. Vorausgesetzt man hat ein vergleichbares Absicherungsbedürfnis. Sonst wird’s wahrscheinlich sportlich mit der Seilreibung.

Die Kletterei folgt der ausgewaschenen Rinne zunächst an ihrem linken Ufer und pendelt dann langsam in ihre Mitte. An einem Block mit Schlaghaken, reudigen Schlingen und einem Bohrhaken kann Stand gemacht werden. Wir haben ihn übersprungen. Nach dem Block geht es der Nase nach ansteigend und bald linkshaltend an den Fuß des markanten Kamins.

Wetterstein-Kletterei pur!

Der Fels ist mal fest und rau, mal glatt und mal splittrig. Und all das passiert in einer Seillänge, die erneut wenige Schlaghaken aufweist aber sonst auch mal für einige (mehrere) Meter nicht nennenswert absicherbar ist. Und ein paar Aufschwüng – stelle ich anerkennend fest – gehen dann gar nicht so leicht von der Hand. Ist halt nicht Arco.

Die Linie bleibt unglaublich intuitiv und logisch – so wie es viele „alte“ Wege gemein haben. Stets den Schwachstellen folgend wird die Wand auf einer äußerst gangbaren Spur durchschritten – eine solche Komplexität traut man der Kante in der Draufsicht gar nicht zu. Und überhaupt – mit einer Kante im dolomitischen Sinne hat das hier eh nichts zu tun. Begeisternd abwechslungsreich ist es aber allemal.

4. Seillänge (IV+)

Passend dazu baut sich vor uns ein düsterer, abweisender und wahrscheinlich immerschattiger Kamin auf. Oben lassen sich bereits mehrere markante Klemmblöcke erkennen, die allesamt im Laufe der folgenden Seillängen erklommen werden wollen. Um in diesen zweifelhaften Genuss zu kommen gilt es aber erstmal ein paar Meter Höhe zu machen.

Ich mache das intuitiv im Kamin, welcher allerdings einige lose Blöcke und potentielle Geschosse bereithält. Hannah weißt mich vom Standplatz aus auf einen Schlaghaken im steilen Wändchen rechts des Kamins hin – so richtig auf dem Weg liegt dieser aber nicht mehr. Stattdessen gibt es im Kamin Bohrhaken. Jeweils an den Klemmblöcken ist die Kletterei typisch kaminig und klassisch angehaubt. Hier darf immerhin davon ausgegangen werden, dass die klemmenden Blöcke halten. Der rettende Henkel befindet sich oft oben auf dem Block. Oder unten drunter. Im hintersten, dunkelsten Eck.

Geklettert wird jeweils vor allem am rechten Ufer des Kamins – da diese Seite deutlich flacher und strukturierter ist liegt das vor Ort aber ohnehin auf der Hand.

Oh, das ist falsch…

Einen kleinen Fehler erlaube ich mir noch, als ich den Standplatz hinter dem großen Klemmblock ignorieren, diesen erklettere und dann feststelle, dass ich mit diesem Seilverlauf wohl kaum in die weitläufige und spärlich gesicherte Kante über mir einsteigen brauche. Der Fehler ist aber rasch erkannt und korrigiert. Auf dem Weg mache ich noch eine besorgniserregende Entdeckung.

Über dem großen Klemmblock, im Bereich von zwei fast horizontal und recht eng nebeneinander liegenden Normalhaken, ist ein ganzer Wandbereich lose und nur mehr angelehnt. In einer perfekten Welt kümmert sich die Frostsprengung im Winter darum. Hier ist aber wirklich Vorsicht angebracht, der Block liegt nur noch auf einer lehmigen Reibungsschicht auf und ist kaum als solcher zu erkennen. Seine Ränder bieten gute Henkel und Tritte. Würde man ihn aus der Wand ziehen, so bedroht er mindestens die darunter liegenden Seillängen und den Hupfleitenjochsteig. Mit Torso-Dimensionen dürfte das Potential eines solchen Ausbruchs auch erfasst sein. Es ist die heikelste Stelle dieser Art, der wir über den Weg klettern. Bisher konnte man sich darauf verlassen, dass der Fels an den entscheidenden Stellen recht solide ist.

5. Seillänge (IV+)

Hannah umtänzelt die Stelle, die ich so bedrohlich beschreibe. Dann verschwindet sie aus meinem Blickfeld, welches unter dem großen Klemmblock ohnehin recht eingeschränkt ist. Nach einem offenbar sehr langen Runout sind zwei Haken erreicht, dann poltern ein paar Steinchen durch die umliegenden Wände und dann ist Stand. Als ich nachsteige verstehe ich warum.

Vom Gipfel des Klemmblocks gelangt man links ums Eck auf eine ziemlich luftige, vage Kante in der es keine fixe Absicherung zu haben scheint. Hannah bekommt hier einen Friend unter – das war’s aber eigentlich auch schon. Erst deutlich weiter oben – vielleicht 20 Meter später – greift die Sanierung wieder. Hier aber besonders löblich. Gleich zwei Bohrhaken entschärfen ein dolomitenhaft steiles und kleingriffiges gelbes Wändchen. Ein Stück Fels, das man hier nicht erwarten würde. Die kräftigen Züge aus dieser knackigen kleinen Einzelstelle kann man sich dann aber direkt wieder abgewöhnen. Das nun flachere Gelände ist unglaublich brüchig und splittrig.

6. Seillänge (IV+)

Und es reißt nicht ab. Hier – im Herzen der Linie – folgen die interessanten Seillängen Schlag auf Schlag. Möchte man so wie ich in einem Zug zum nächsten Bohrhaken-Standplatz klettern, so bietet es sich an zu Beginn keine oder sehr lange Zwischensicherungen einzuhängen. Ansonsten gibt es auf einem Absatz unter dem nun anstehenden „überhängenden Riss“ auch die Möglichkeit an zwei reudigen Schlaghaken Stand zu machen. Aber der Reihe nach…

Vom Stand weg geht es über eine recht luftige und steile Schuppe empor. Coole Kletterei, die dann aber gar nicht so trivial daherkommt, wie man meine möchte. Vielleicht war ich aber auch falsch. Ist man erstmal auf dem plattigen Absatz über der Schuppe, so hat man als die Wahl. Ich entscheide mich in Anbetracht der eher fragwürdigen Möglichkeiten für Standplätze für die Flucht nach vorne.

Das, was in Topos als überhängender Riss beschrieben wird, löst sich in festem und griffigen Kalk ziemlich fein auf während einzelne Schlaghaken den Weg weisen. Gar zu viele sind es aber nicht und die beinahe exzessive Absicherung aus dem gelben Wändchen gerät rasch in Vergessenheit. Steil, griffig und frei geht es im feinen Fels hinauf bis ein Absatz die Nerven entspannt und eine Rampe auf den ersten Blick nach rechts zu führen scheint. Hier nicht abbiegen. Ich schreib das nur rein, weil ich hier auch kurz verleitet war falsch abzubiegen.

Stattdessen versteckt sich der Standplatz geradeaus auf der Rückseite der Kante, welche man hier zum ersten Mal so richtig berührt. Durch eine Köpflschlinge und einen Friend zu Beginn der Seillänge habe ich hier nach 35 Metern (und nicht 50 wie es Bücher sagen) eine ordentliche Seilreibung und ein brauchbares Bonus-Workout beim Nachsichern.

Präsentierteller…!

7. Seillänge (III+, Variante härter)

Hier rückt man in den unausweichlichen Fokus der Besucher der Aussichtsplattform am Osterfelder und wird ungefragt auf einigen Zugspitz-Höllental-Fotos zu sehen sein. Nur als Klecks – aber immerhin. Alle weiteren Taten in der Wand werden auf jeden Fall von einem breiten Publikum begutachtet. Man muss also nicht nur in die richtige Richtung klettern sondern dabei auch besonders ästhetisch aussehen.

Letzteres fällt Hannah natürlich nicht schwer, aber mit der Richtung bin ich mir nicht ganz sicher. Sicher ist nur, dass es in dieser Länge keine fixe Absicherung hat und es irgendwie der Kante folgend für 30-35 Meter durch „leichtes“ Gelände geht. Anvisiert wird eine kleine Gufel, die ein wenig links der eigentlichen Kante liegt. Ich persönlich wäre wahrscheinlich links von einem etwas sperrenden Rippchen in eine gestufte Plattenwand gequert und hätte dort die Höhe gemacht. Hannah lacht die Diretissima an – der kleine Überhang an der Kante den sie dabei löst hat aber mit dem 3. Grad wenig zu tun. Eine valide Ausrede ist aber, dass man dem tobenden Mob auf dem Osterfelder ja auch ein bisschen was bieten muss.

8. Seillänge (IV-)
Kurzweilig super griffiger, poröser und fester Fels

Für mich geht es aus der kleinen Gufel über eine markante, löchrige Rippe dem noch blauen Himmel entgegen. Auf wenigen Metern nochmal brutal henklige, feste und griffige Kletterei. Genuss beinahe. Als sich das Gelände wieder zurücklehnt und in einer steilen Rinne leicht links zum Standplatz an den zwei Gedenktafeln führt überwiegen dann aber wieder Bruch & Schotter. Und die Mühen, die Seilpartnerin nicht mit diesem zu bewerfen. Gelingt mir aber eigentlich ganz gut.

Die Linie der restlichen Seillängen zum Gipfel kann man nach Bewölkungsgrad, Kondition, technischem Können und momentaner Laune selbst wählen.

Pause, Im schweren Fels
9. Seillänge (III+)

Das hätten wir vielleicht ein wenig aufmerksamer lesen sollen. Oben lacht uns bereits das Gipfelkreuz entgegen – es scheint zum Greifen nah. Und mit einem großen Teil der Kletterei in der Tasche haben wir uns inzwischen auch schon an die offensichtliche, logische Linienführung und die guten Standplätze gewöhnt. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Bis er sich den Luxus der Gewohnheit nicht mehr leisten kann. Das ist jetzt.

Hannah quert hinüber zu den subtilen Gedenktafeln und einem Block. An diesem geht es – kurz einen interessanten Kamin kletternd – rauf zu einem markanten Felszapfen und dahinter auf ein recht einfaches Band. Was jetzt passiert kann ich nur erahnen. Zeugen vom Osterfelder konnten wir mangels Zeit auch nicht befragen. Auf jeden Fall testet Hannah diverseste Variationen durch. Tief bleiben und in losen Schrofen landen. Steil gehen und in einer schweren, brüchigen Verschneidung landen. Standplatz Fehlanzeige. Erst als ich nochmal in die Topos gucke und die vorsichtige Vermutung äußere, dass da vielleicht gar nicht mehr so viel kommt, darf ein Latschenbäumchen als Standplatz herhalten.

Auf dem Weg dahin, den ich nun nachsteige, ist erneut einiges geboten. Eigentlich „triviales“ und gestuftes Gelände – das im Detail aber doch recht ausgesetzt ist. Ein paar trickreiche Züge sind auch dabei und die Absicherung gelingt auch nicht überall lückenlos. So ganz ohne Richtungsvorgabe entpuppt sich der Weg zum Gipfel dann doch als länger als erwartet. Und erneut ist es das tolle Topo vom Deichjodler, das die entscheidenden Hinweise liefert.

Was man aber wahrscheinlich wirklich festhalten kann: Ganz so reduziert, wie es etwa bei Panico* aussieht, ist das hier nicht und konzentriert bleiben macht wirklich Sinn. Man muss nicht „einfach nur“ in 2er – 3er Schrofen hinaufkraxeln. Das kennen und können wir normalerweise schon – in den meisten Fällen auch ohne Seil.

In den letzten drei Seillängen haben wir stattdessen nochmal richtig gucken müssen. Wo der leichteste Weg ist, wie dieser abzusichern ist und wie man mit dem Material haushaltet um noch einen guten Standplatz hinzukriegen. Es ist rasch möglich in deutlich höhere Grade abzubiegen – ich würde sogar sagen, dass auch auf unserem Weg deutlich kühnere Einzelstellen versteckt waren, die an der Martinswand leicht als 4+ hergehen würden.

10. Seillänge (III+)

Hannah, ein wenig verstört von dem prompten Ausflug ins wilde Irgendwas, schickt mich von ihrem Bäumchen weiter in eine ansteigende, vage Verschneidung. Ich überlege kurz hier den direkten Weg zum Gipfelkreuz anzupeilen – entscheide mich im etwas undurchsichtigen Gelände aber rasch dagegen. Selbst in den auf den ersten Blick leichten Passagen muss nochmal ordentlich geklettert werden – gestützt von wenigen mobilen Sicherungen.

Als feststeht, dass ich eher nach links ausweiche dauert es aber nicht lange, bis mir die markanten, angelehnten Köpfl auffallen, die Hannes in sein Topo gemalt hat.

Quasi-Jackpot?!

Von hier geht es dem horizontalen Band folgend deutlich und anhaltend nach links. Und auch wirklich lang. Und auch wirklich gar nicht mal so absicherbar. Fast schon ein Kriechband. Auch wenn es gegen Ende wirklich schmal, grasig und ausgesetzt wird: Dranbleiben lohnt sich. Am Ende wartet sogar ein verirrter wie versteckter Bohrhaken, den ich prompt in einen Standplatz verwandle. Die 60 Meter reize ich dabei auf jeden Fall voll aus.

11. Seillänge (III)

Mit dem Fund des Hakens sind wir wieder ein bisschen mehr mit Plan unterwegs und guter Dinge, dass wir die Gondel ins Tal erwischen. Zu den Schattenseiten dieser Unternehmung gehört, dass ich nach einem Tag an der frischen Luft nun endgültig im Sommergrippe-Modus bin und ein Abstieg ins Tal für mein kaputtes Knie ein absoluter GAU wäre. Der größte anzunehmende Unfug.

Der Ausstieg ist nun aber nicht mehr weit weg und auch wieder relativ offensichtlich. Hannah findet sogar noch einen wegweisenden Schlaghaken – aber auch ohne diesen gäbe es hier gar nicht so viele Möglichkeiten als einer gestuften Plattenrampe leicht rechtshaltend auf den Grat zu folgen. Wirklich leichtes Gelände und wirklich nur noch 20 Meter. Und schon stehen wir auf dem Gipfelgrat inmitten epischer Wolken.

Immer wieder blitzen die weißen Felsen der Alpspitz-Westflanke durch den Nebel, der wenige Meter über unseren Köpfen beginnt und uns wenige Minuten später in Gänze geschluckt hat. Dass wir die Gleitschirme daheim gelassen haben erweist sich als gute Sache – die Bewölkung wäre wirklich diffus gewesen und wir hätten einen ziemlichen Stress machen müssen um noch zu Sichtflugbedingungen am Osterfelder rauszukommen.

Yehaw – Gehgelände

Nach einem kurzen Besuch am Gipfel, der eher ein Laufsteg über dem Höllental ist, packen wir unsere Sachen zusammen und steigen in Richtung Osterfelderkopf ab.

Abstieg

Kurzweilig geht es durch das ernste Gelände, welches aber mit soliden Fixseilen entschärft ist. Dennoch darf nochmal kurz ziemlich exponiert am Grat gequert werden, bevor ein steiler Kamin in die Rinderscharte führt. Alles fein – alles offensichtlich. Danach nur noch lächerlich schnell und easy zur Gondel und Ciao. Das gehfaule Herz schlägt höher.

Ein toller und überwiegend einsamer Tag im Wetterstein und eine überraschend schöne und abwechslungsreiche Linie in der ersten Reihe. Ganz ehrlich – ich hatte Schlimmeres erwartet.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Tolle und überraschend abwechslungsreiche Kletterei. Ein für mich ein fast ideal-alpiner Klassiker in gemäßigter Schwierigkeit. Besonders überrascht hat mich die Tatsache, dass die Linie nicht nur zahlreiche unterschiedliche und interessante Kletterstellen bereithält sondern diese auch stets durch recht guten Fels führen. Gleichzeitig bleibt man immer auf dem herrlich logischen Weg des geringsten Widerstandes.

Die (sehr) sanfte Sanierung soll aber nicht über den alpinen Charakter der Route hinwegtäuschen. Steinschlag – insbesondere aus den leichten Längen – ist ein allgegenwärtiges Thema und die Route verträgt meines Erachtens wirklich nur eine Seilschaft am Tag. Die Kletterei ist auf weiten Strecken auch mal ordentlich frei von Haken und die unregelmäßig gestreuten, historischen Schlaghaken sind definitiv nicht immer als solider Fixpunkt zu verstehen. An den schwierigsten Stellen darf man sich über einzelne, gut platzierte Bohrhaken freuen. Oben raus werden – wie beschrieben – Wegfindung, kaum absicherbares Gelände und Standplatzbau abgefragt. Dass es unten einige gebohrte Standplätze hat, spielt dann plötzlich keine große Rolle mehr. Der Gesamtanspruch ähnelt dem der benachbarten Zwölferkante – lediglich der Abstieg ist geschenkt.

Wir waren mit einem Satz Totems* bis #2 unterwegs und haben diese immer wieder gut gebrauchen können. Auch wenn es unten nur 1-2 Placements pro Seillänge sind – je nach Wegwahl ist es oben raus dann doch entspannt, wenn man ein wenig Auswahl und Puffer hat. Keile kriegt man stellenweise bestimmt auch unter – haben bei uns jetzt aber absolut keine Rolle gespielt. So richtig der passende Fels dafür ist es eigentlich nicht. Einige Schlingen machen für die Ausstiegslängen Sinn – lange und sehr lange Alpinexen sollten ohnehin nicht fehlen.

Zusammenfassung

Einfach schee! Also überhaupt mit einem kaputten Knie in solch anregendes Ambiente eintauchen zu können – auch wenn das natürlich nur mit Einwurf großer Scheine bei der Alpspitzbahn ermöglicht wird. Und dann vor der Haustür so einen interessanten Klassiker stehen zu haben. Ich hab mit mehr Bruch, mehr Schrofen und mehr Speck gerechnet – und stattdessen eine wirklich tolle Linie mit schöner Kletterei vorgefunden. Unter meinen bisher gekletterten Pause-Schwerer-Fels-Kanten ist sie für mich persönlich die Schönste.

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Ein Kommentar

  1. Matters

    Schöne Linie für Fußkranke.
    Als einzige Seilschaft in der Route zu sein, ist keineswegs ein Garantie für Steinschlagsicherheit. Bei unserer Begehung traten ein paar Gemsen, im Bereich des Austiegs, einen sehenswerten Steinschlag los.

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