Kletterblog & Berggeschichten
Bafflfall (WI3)
Bafflfall (WI3)

Bafflfall (WI3)

Literatur: Alpinverlag Eiskletterführer Tirol*

Röchel

Alle
Blick auf die ersten zwei Seillängen

Eigentlich sind gerade alle krank. Hannah ist gerade wieder zum Leben erwacht, ich versuche krampfhaft am Leben zu bleiben und die anderen Eiskletterer sind der allgegenwärtigen Akustik zufolge auch irgendwo zwischen diesen beiden Stadien. Schonende Bewegung und frische Luft ist angesagt – eigentlich die Definition eines gefrorenen Wasserfalls. Die Luft ist dann halt besonders frisch und die Bewegung…naja.

Broncho-Bafflfall-Forte

Bafflfall

Der kleine Bafflfall schwebt mir schon länger im Kopf herum. Anders als beim etwas raueren Einstieg in die Eissaison am Rechten Konzentschatter gehe ich hier von einer regelrechten Genusskletterei aus. Der Wasserfall trotzt seit Wochen Wind und Wetter und präsentiert sich mit dankbaren Bedingungen und kurzem Zustieg. Mir fehlten nur jeweils Zeit oder Seilpartner. Oder beides. Umso witziger, dass sich die Tour nun in zweifelhafter Verfassung als Feierabend-Eisfall ausgeht.

Der Wasserfall liegt unweit des Örtchens Gries im Sellrain und lässt sich mit wenigen Mühen mit einem kurzen Fußmarsch erreichen. Ließt man sich die einschlägigen Zustiegsbeschreibung genau durch, so wird man nichtmal in das benachbarte, schmalere Flussbett einsteigen und seinen Fehler erst nach 100 Höhenmetern bemerken. Wir machen natürlich letzteres. Das richtige Flussbett ist dann wirklich breit, offensichtlich und üppig gespurt – der Eisfall selbst ist beinahe von der Straße aus einzusehen.

Neben einigen etwas schwierigeren Eisgebilden rechterhand führt der Bafflfall klassisch in rund 3 Seillängen empor. Zwei von ihnen führen durch ein breites, gestuftes Eisschild, in dem auch mehrere Seilschaften nebeneinander koexistieren können. Man ließt und hört, dass das für Kursbetrieb gängige Praxis ist. Erst oben verjüngt sich der Wasserfall zu einer engeren Rinne, durch welche die letzte Seillänge zum Ausstieg führt. Insgesamt kommt man wohl auf rund 100 Klettermeter im bei normalen Bedingungen überwiegend gutmütigen Eis.

Als wir das Eis erreichen sind noch zwei andere Seilschaften am klettern – allerdings nur in der unteren Stufe. Eine gewisse Aufbruchstimmung liegt in der Luft, es ist bereits spät am Nachmittag. Wir entscheiden uns dennoch für den Einstieg und stellen uns darauf ein möglicherweise ebenfalls rasch den Rückzug anzutreten. Der wirklich kurze Zustieg zum Wasserfall hatte noch nicht die heilende Wirkung, die wir erhofft haben.

1. Seillänge (WI2-3)

Ich steige ein. Das Eis ist überraschend spröde. Es war einigermaßen warm zuletzt – die Nächte waren aber stets kristallklar. Der Bafflfall ist bestimmt nicht so üppig aufgebaut wie in anderen Jahren, macht aber einen prächtigen Eindruck. Die Begehungsspuren sind reichlich, fest verwachsene Sanduhrschlingen lassen sich auch bereits vom Boden aus ausmachen. Unverbindlicher wird ein natürlicher Wasserfall wohl kaum.

Wir wählen eine Linie etwas links der Mitte des Eisfalls. Wahrscheinlich ist sie ein wenig steiler als die Möglichkeiten rechterhand – sie hat aber auch das dichteste und beste Eis. Zumindest auf den ersten Blick. Die kurzen Stufen von 2-3 Metern lösen sich toll auf, dazwischen laden kleine Bänder zum stehen und schrauben ein. Nach ungefähr 35 Metern erreiche ich ein verschneites, breiteres Band unter einem zweiten Aufschwung und beziehe einen Standplatz.

Da wir inzwischen die einzige Seilschaft im Wasserfall sind müssen wir keinen Eisschlag befürchten. Ein seltenes Privileg. Auch der Bafflfall dürfte mit etwas mehr Besuch ein ordentliches Kanonenrohr sein. Hannah steigt nach, erreicht mich am Standplatz und entscheidet sich für einen Weiterweg. Der Broncho-Bafflfall entfaltet seine volle Wirkung.

2. Seillänge (WI3)

Zwei steile Aufschwünge trennen uns von einem bereits von unten vermutbaren Plateau mit etwas Gehgelände. Diese klettern sich jeweils verschneidungsartig und machen richtig Spaß! Das Eis ist hier oben auch ein bisschen weniger spröde, sodass Hannah sich wahrscheinlich durch die schönsten und elegantesten Eismeter unseres kurzen Ausfluges arbeitet. Wenig später verschwindet sie über die Kante, zieht sich noch weitere 20 Meter Seil raus und bastelt einen Standplatz am Beginn der engen Rinne.

Hannah geht die 2. Seillänge an

Ich steige nach und freue mich, die überraschend spaßige Kletterei im Nachstieg ein bisschen sorgloser und dynamischer angehen zu können. Wahrscheinlich ist der kurz senkrechte Ausstieg aus der unteren Stufe die schwierigste Einzelstelle des heutigen Tages. Im Sellraintal ist es schon lange schattig, die gegenüberliegenden, schneefreien Südflanken bekommen inzwischen goldenes Abendlicht. Feierabend-Eisklettern. Ein Format, an das ich mich gewöhnen könnte. Wären nur die Tage, an denen solche Späße möglich sind, nicht so unglaublich kurz.

3. Seillänge (WI3)

Bisher bin ich ganz gut ohne Krisen durchgekommen. Weder in den Waden, noch mental. Ein wirklich entspannendes Eisabenteuer für die ganze Familie. Die letzte Seillänge verpasst dann aber dennoch nicht ihre Gelegenheit, mich ein wenig zu stressen. Landschaftlich klettert es sich hier sehr interessant auf einer kompakten Eisrampe unter einem kleinen Überhang entlang. Die erste Hälfte der Seillänge gelingt auch ohne Schwierigkeiten (und entsprechend auch beinahe ohne Eisschrauben). Eine etwas steilere Stufe im Mittelteil holt mich rasch zurück. Es wird dünner und splittriger. Lange Schrauben funktionieren nicht mehr, die kurzen 13er kriege ich gesetzt aber teilweise entfalten sie überraschende Sprengwirkung. Tritte und Hooks sind teils unter morschem Schnee begraben und knacken verdächtig. Kurzum – ich freue mich doch ein wenig, als sich die etwas rustikalere Rampe nach hinten lehnt und mich leichtes Stapfgelände aus der Rinne und an einen Baum manövriert. Auch wenn das heißt, dass das Eisabenteuer für die ganze Familie sich nun dem Ende zuneigt.

Ich ziehe übrigens recht weit rechtshaltend aus der Rinne raus. Einen Baum erreiche ich nach ca. 75 Metern, das heißt, dass Hannah ein Stück am laufenden Seil nachrücken muss. Leider habe ich die letzte solide Möglichkeit im Eis zurückgelassen und bin im Ausstieg eine bei genauer Betrachtung wesentlich weniger solide Sanduhr angeklettert. Lust, diesen Kurs zu ändern habe ich auch nicht mehr. Wer zufällig in diese Situation gerät: Links von der Rinne sind die Bäume schneller erreicht. Hier befindet sich auch eine Baumschlinge an der abgeseilt werden kann.

Wenig später kommt Hannah aus der Rinne gekrabbelt und wir packen unser Zeug zusammen um den schnellen Fußabstieg in Angriff zu nehmen. Die Sonne dürfte inzwischen untergegangen sein – kühl wird es langsam auch.

Da fehlt doch eine Eisschraube??

Abseilfahrt

Aus der Traum vom Fußabstieg. Zumindest für mich. Die Tatsache, dass wir eine Kappe übrig haben spricht sehr stark dafür, dass sich eine Schraube irgendwo auf dem Weg durch den Bafflfall verabschiedet hat oder von uns verabschiedet wurde. Ich habe irgendwie bereits das Gefühl, dass sie irgendwo stecken gelassen wurde. Hannah, die eigentlich schnell runter wollte schließt sich widerwillig meiner Abseilaktion an. Dank fix verwachsenen, bombenfesten Sanduhren kommen wir rasch voran. Nur von der Eisschraube fehlt jede Spur. Bisschen Schwund ist immer…

HAAA! Hab sie!

5 Meter über dem Boden steckt sie. Die verlorene Schraube. Es war eine meiner ersten Schrauben in der 1. Seillänge. Hannah muss sie im Eifer des Gefechts vergessen haben und da ich sie in diesem Moment von oben abgelenkt habe teilen wir uns die Schuld. Ein größeres Happy End hätte der Tag wohl kaum haben können. Obendrein kommen wir tiefenentspannt aus dem Eisfall raus, steigen rasch ab und sind schon bald wieder beim Salbeitee im Auto.

Und auch gesundheitlich blieb der Bafflfall ohne Langzeigtfolgen. Hannah bleibt am Leben, ich werde nicht krank und die Eisschraube ist wieder bei ihren Freunden. Zukunft pink.


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Ein wirklich einfacher und dafür doch recht lohnender Eisfall mit entspanntem Zustieg und Abstieg. Die Lawinenlage sollte aber unbedingt passen – am Ausstieg erhält man Einblick in das gigantische Einzugsgebiet oberhalb. Unten gestuftes Eis mit mehreren möglichen Linien, die kaum schwieriger als WI3 sein dürften und sich stets gut absichern lassen. Nach der ersten großen Stufe, die man wohl normalerweise in 1-2 Seillängen überwindet, folgen ein paar Meter Gehgelände. Die 3. Seillänge führt dann über kleinere Aufschwünge zunächst flach und dann steiler werdend in die überdachte Rinne. Hier in meiner Wahrnehmung etwas dünneres und kompakteres Eis. Diese Seillänge ist meines Wissens meist die letzte, die kletterbar wird und gleichzeitig die erste, die sich im Frühjahr wieder verabschiedet. Zumindest bei unserer Begehung wurde durch die vorhandenen Spuren auch deutlich, dass sich viele mit der unteren Stufe zufrieden zu geben scheinen. Der Durchstieg lohnt aber in jedem Fall – erst hier wird die Route etwas abwechslungsreicher und vermittelt das Gefühl sich zumindest kleinräumig durch wechselnde Eislandschaften zu bewegen.

Neben der üblichen Eisausrüstung gibt es wenig zu beachten. Wir waren mit 60m Seilen unterwegs und hatten einen bunten Strauß Eisschrauben am Gurt. Speziell für den Ausstieg schaden ein paar kürzere Exemplare bestimmt nicht – 16er hätte ich hier bei unserer Begehung nicht mehr wirklich eindrehen könnnen.

Zusammenfassung

Unsere Begehung war wahrscheinlich insofern eine Rarität, als dass der Bafflfall an Wochenenden normalerweise üppigst besucht sein wird. Der sehr kurze Zustieg und das überwiegend sehr leichte Gelände sind kein Geheimnis. Eisschlag und Trubel sind Gerüchten zufolge an vielen Tagen vorprogrammiert und könnten der eigentlich sehr lohnenden, kleinen Linie ein paar Makel bescheren.

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