Kletterblog & Berggeschichten
Au Süd – Adlernest (VI+ A0)
Au Süd – Adlernest (VI+ A0)

Au Süd – Adlernest (VI+ A0)

Als feststand, dass wir im Juni zwei Wochen zum Fliegen im Zillertal sein würden, war die Au auch direkt wieder auf dem Zettel. Denn hier haben wir im Herbst des letzten Jahres ein ganz unverhofftes und wundervoll entschleunigendes Wochenende im sonnigen Granit verbracht und absolut keinen Grund gefunden nicht nochmal dort hin zu wollen. Fairerweise – es wird heuer wohl ein bisschen stressiger. Wir schreiben nämlich den Abreisetag aus dem Zillertal und ich habe Nachmittags noch auf einem Geburtstag zu sein. Aber deshalb heute auch „nur“ etwas Kurzes.

Im Vorjahr haben wir mit der Supersommer bereits eine der längsten leichteren Routen in der interessanten Wandflucht kennengelernt, in den plattigen Schlüsselstellen der Silbermond ordentlich zu Knabbern gehabt und nicht schlecht gestaunt, was die Erschließer aus dem unübersichtlichen Wändchen über dem Zillergrund gezaubert haben. Aufgefallen ist mir vor einem Jahr schon eine Seilschaft in der Nachbarroute, die als „Adlernest“ beschriftet ist und zu der wir zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Infos hatten. Inzwischen wissen wir mehr & die einschlägigen Topos wurden aktualisiert: Eine recht neue Linie mit 5 Seillängen im jeweils oberen 6. Grad. Erneut von Fritz Amann und Gefährten, auf deren Konto auch die anderen fein abgesicherten Klettereien hier gehen. Kurzdiagnose:

Klingt spaßig!

Die Route ist eigentlich eh die Allererste, die man am Wandfuß erspäht

Zustieg

Bereits beschrieben – und hier besonders trivial, da man das Adlernest am Wandfuß nichtmal wirklich suchen muss. Geparkt wird auf jeden Fall am Gasthof in der Au. Von dort kurz an der Straße empor zur zweiten Kehre auf 1320 Metern und dort sichtbar links einer kleinen Mauer auf einen steilen Pfad. Dieser schlängelt sich dann super direkt und kurzweilig zum Wandfuß – es sind sogar ein paar neue Fixseile an kurzen, unproblematischen Stufen angebracht worden. Den Wandfuß erreicht man wahrscheinlich mit einer gewissen Pfadtreue an der Leider Geil. Wenige Meter weiter rechts finden wir die kleine Metalltafel des Adlernestes. Soweit sind wir noch im Zeitplan.

1. Seillänge (VI+)

Auch wenn alle fünf Seillängen mit einer 6+ bewertet sind, fällt der Einstieg für meinen Geschmack sehr gutmütig aus. Eine Rarität ist, dass ich heute mal die erste Seillänge vorsteige. Traditionell machen wir das immer anders herum. Und hätten wir gewusst, was Hannah in der zweiten Seillänge erwartet, wäre ein wenig mehr Traditionsbewusstsein beinahe angebracht gewesen.

Für mich geht es erstmal bei bombiger Absicherung über einen winzigen Kaltstart-Überhang, der an eine kleine Kante heranführt. Diese wird rasch an feinen Leisten in eine kleine Platte verlassen, ehe sich das Gelände schon wieder zurücklehnt. So richtig hoch hinaus sind wir damit noch nicht gekommen – wir befinden uns nun auf Höhe des Einstiegs der benachbarten Silbermond. Aber immerhin haben wir das Band mit ein paar schönen Klettermetern und nicht durch steiles Gemüse erreicht. Kurz vor dem Standplatz stellt sich noch eine kurze Stufe in den Weg, welche sich aber auch gutmütig auflöst und unter die in der Draufsicht reichlich beeindruckende zweite Seillänge führt.

2. Seillänge (VI+ A0)

Hehehe

Die hübsche Verschneidung zu Beginn der 2. Seillänge

Der Standplatz befindet sich direkt am Fuße einer Idealverschneidung, die rechterhand auch noch von einem üppigen Faustriss gespalten wird. Darüber ein Dachl – dahinter dann unbekanntes Land. Hannah übernimmt den Vorstieg, der in der Verschneidung und am Dach noch ganz flüssig von der Hand geht. Spätestens an der Kante und am Rand meines Sichtfelds kommt der Auftrieb plötzlich zum Erliegen.

Das kann man nicht Klettern, da sind überall A0-Schlingen

Das ist insofern lustig, als dass Hannah die Faszination des technischen Kletterns bislang noch nicht wirklich heimgesucht hat. Ehrlicherweise – mich auch nicht. Aber ich kann mich mit solchen unästhetischen Rupf- und Ziehaufgaben zumindest bis zu einem gewissen Grad anfreunden, weshalb wir neulich im Sarcatal bewusst mich in die A0-Platte geschickt hatten. Es sind nur einige Meter – die Platte auf der man hier landet ist aber wirklich steil und luftig. Entsprechend kräftig die A0-Passage, durch die Hannah sich ein wenig mürrisch durchwurschtelt. Die eigentliche Schlüsselstelle wartet ohnehin noch – denn als die Schlingen enden ist plötzlich ausgesetzte und diffizile Wandkletterei angesagt um den Standplatz zu erreichen. An diesem Punkt hat man bereits ein wenig Seilreibung und ist eher auf kraftvolles Ziehen eingestimmt als auf sauberes und ruhiges Treten. Vielleicht war es doch nicht so blöd, dass wir so eingestiegen sind.

Denn während Hannah diese Meter irgendwie frei vorgestiegen ist, hab ich im Nachstieg noch eine kleine Grenzerfahrung und wenig Freude an dem Genrewechsel mit aufgepumpten Armen.

Am Ende der 2. Seillänge wird’s kleingriffig

3. Seillänge (VI+)

Hier teilen wir uns einige Haken mit der Nachbarroute Leider Geil und queren am Ende der kurzen Kante markant nach rechts. Wir teilen erste Zweifel, ob es wirklich so smart war eine solche Tour mit subtilem Zeitdruck anzugehen. Wir klettern VI+ zwar schon irgendwie, aber eher in Einzelstellen. Wenn die folgenden Längen so wild bleiben wie die eben erstiegene, dann können wir zeitnah die Seile werfen und den Ausflug abkürzen. Die gute Nachricht: es wird wieder einfacher und genüsslicher!

Das aber auch erst, nachdem die ersten Meter der 3. Seillänge überwunden sind. Diese kommen nochmal recht anspruchsvoll daher. Mit viel Schieben und Drücken geht es an kleinen Leisten ein wenig links einer Kante empor. Bei geeigneter Stelle will diese Kante dann nach rechts in einen einfacher werdenden Quergang verlassen werden. Genau dieser Übergang ist nochmal kühne Kletterei an senkrechten Leisten und vagen Tritten. Hier hilft tatsächlich ein bisschen Reichweite um rascher an die rettenden Henkel zu gelangen.

4. Seillänge (VI+)

Wollen wir noch??

Die Wand kann gar nicht so viel dafür, dass wir uns das heute fast an jedem Standplatz fragen. Vom Vorabend hängt uns noch die Blutwurst in den Knochen und die Möglichkeit hier mit einem einzigen Abseiler wieder Boden untern den Füßen zu haben drängt sich beinahe auf. Dass wir uns erneut für den Weiterweg entscheiden liegt wohl vor allem an der folgenden Seillänge, welche wirklich schön aussieht und sich dann zum Glück auch so klettert.

An einer kurios dünnen Schuppe klettert Hannah einen kurzen Schwenk nach links und dann zurück in gutmütigere Platten. Darüber setzt eine ehrlich tolle Rissverschneidung an, die sich sehr genüsslich klettern lässt und für uns in Summe auch die schönste Seillänge darstellt. Verglichen mit den Schlüsselmomenten der vorherigen beiden Längen kommt sie auch wieder spürbar einfacher daher.

5. Seillänge (VI+)

Das Finale fällt nun wieder mir zu. Auf einer offensichtlichen Rampe geht’s rechts einige Meter empor, bis ein steiles kleines Dächlein zum Überklettern auf den nächsten Block einlädt. Diese Einzelstelle ist zwar kurz kräftig und löst sich oben raus gar nicht so henklig auf, wie man sich das im Granit oft wünscht – dafür ist sie aber auch der einzige spannende Moment in der Seillänge.

Nach dem Miniatur-Dach geht es prompt wieder nach rechts und dann linkshaltend an einer immer flacher werdenden und bald im Waldboden auslaufenden Rippe empor. Auf den letzten Metern sind wir dann doch noch reichlich zügig voran gekommen. Mit einem Blick auf die Uhr hole ich Hannah nach und nach einer kurzen Rast treten wir schon den Rückzug durch die Wand an. So wie wir uns das vorstellen, sollte das ziemlich schnell gehen. Die Vergangenheit hat aber oft in genau solchen Fällen anregende Überraschungen und Verhänger bereit gehalten.

Am Ende der Tour – Ausstieg in den Wald an einer kleinen Rippe

Abseilerei

Ich lasse Hannah in einem Zug über die Seillängen 4 und 5 ab. Das geht sich gut aus – und wir vermuten, dass wir vom 3. Standplatz aus bereits den Boden neben dem Silbermond-Einstieg erreichen können. Und auch das funktioniert einwandfrei. Einen Seilwurf und ein paar steile Platten später stehen wir schon wieder am Wandfuß und haben sogar noch Restseil um direkt in den kühlen Schatten eines Baumes abzuseilen. Und wir haben sogar auch noch Zeit beim Rückweg eine Bäckerei heimzusuchen.

Für alle die es nicht gar so eilig haben – in den Kommentaren zu diesem Beitrag hat der Erstbegeher angemerkt, dass sich das Seil bei derart langen Abseilfahrten im Granit durchaus gerne verhängt. Ganz zu empfehlen ist unser Blitzabstieg also vermutlich nicht, man kommt auch ein wenig achtsamer und den Seillängen folgend zurück auf den Boden. Wobei ich die direkte Linie dann ab dem 3. Standplatz tatsächlich ganz elegant finde und hier kaum versuchen würde wieder rüber zu den anderen Standplätzen zu gelangen.

Zügig zurück – mit 60m Halbseilen in nur zwei Abseilern.

Wir packen zusammen und spazieren wieder aus dem steilen Wäldchen heraus. Der Blick fällt nochmal auf die hohen, verschneiten Berge auf der gegenüberliegenden Talseite. Schön ist es hier wirklich. Nächstes Mal bringen wir wieder mehr Zeit mit – denn heute war ein wenig impulsiv und dieses magische Örtchen und die weiterhin lustige, gestufte Wand verdient eigentlich weniger Hektik.

Und für alle, die hier noch mitfiebern: Das mit dem Geburtstag ist sich auch noch ausgegangen. Und auch wenn Soccergolf bei 33° auch eine gewisse Grenzerfahrung ist…

…Ich häng mich lieber wieder in die Au


Schwierigkeit, Versicherung und Material

Das Adlernest reiht sich nahtlos in die bisher gekletterten Touren an der Au Süd ein und wirft ein paar schöne und sehr schöne Klettermeter in sonnigster Lage und bei bester Absicherung ab. Dazwischen gibt es auch immer wieder Bänder oder etwas erdigere Passagen – wie sie aber in der ganzen Wand vorkommen und hier gewiss nicht Überhand nehmen. Die Route ist rasch erreicht und kann jeder Zeit per Abseiler abgebrochen werden. Die Absicherung ist sehr gut, die Standplätze verbunden und zum Abseilen eingerichtet. Neben einigen Expresschlingen und der üblichen Kletterausrüstung bedarf es keinem zusätzlichen Material.

Die zu Beginn sehr geile und fotogene 2. Seillänge wurde für uns ein bisschen durch die unerwartete A0-Passage getrübt – der anschließende Übergang in die Platte und zum Standplatz dürfte mit Abstand die schwierigste Einzelstelle sein. Anders kommt man hier halt nicht durch. Wer sonst nur löchrigen Kalk an der Geierwand klettert (hi it’s me) staunt ggf. nicht schlecht über den Anspruch einer 6+ im Zillertaler Granit. Die anderen Seillängen passen dann besser ins Bild. In der dritten Seillänge versteckt sich zu Beginn auch noch ein kleiner Ausreißer nach oben – die Seillängen 1, 4 und 5 gehen aber wirklich gut von der Hand und könnten gemessen an besagten Schlüsselstellen auch ein Stückchen leichter bewertet sein.

Zusammenfassung

Es ist erneut beeindruckend, wie viele interessante Kletterstellen sich in einem so kurzen Weg durch die Wand finden lassen. Auch wenn in der gestuften und teilweise bewachsenen Wand nie so richtige Hochgefühle ausbrechen wollen: Platten, Verschneidungen, Risse, Überhänge, Mantle, Quergang. Braucht es so viel mehr?

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