Den Tag, an dem der Wank eine perfekte Idee ist. Weil eigentlich verbindet mich eine subtile Hassliebe mit dem Hügel hinter’m Haus. Der Wank ist oft gut genug für einen kurzen Lauf am Abend oder unverbindliche Höhenmeter bei Schneesturm & Regen. So richtig schön ist er dabei aber nur selten. Zu erschlossen, zu laut, zu einseitig. Selbst wenn man die kleinen Steiglein und Pfade abseits der Normalwege kennt – das Angebot wirklich schöner Wege ist überschaubar und das Erlebnis oft sehr planbar und gleichförmig.
Nachdem sich direkt zu Beginn der Wintersaison 23/24 eine exorbitante Schneemasse über dem Alpenraum ergossen hat und überall Lawinenwarnstufe 4 herrscht, werde ich an meinem Hausberg aber eines Besseren belehrt. Es gibt ihn. Den Tag, an dem der Wank das schönste Platzerl ist.
Der Skibetrieb am Wank wurde bereits 2003 wegen mangelnder Rentabilität eingestellt – die Spuren dessen sind aber noch da. Die markante Schneise der ehemaligen Pistenabfahrt zur Esterbergalm ziert noch heute die Nordflanke des sonst überwiegend bewaldeten Berges. Und tatsächlich gibt dieses Relikt eine bei guten Bedingungen traumhafte und ungestörte Abfahrt her – wäre da nicht der vergleichsweise lange Zustieg und das mutmaßlich schmale Fenster für eine genussvolle Begehung.
Anstieg zum Frauenmahd-Sattel
Wir starten von der Wallfahrtskirche St. Anton und können wenige Meter nach dieser bereits die Skier anlegen – die Räumung ist den Schneemassen noch nicht Herr geworden und es herrscht eine kurzweilige, frühwinterliche Anarchie in den Gassen von Partenkirchen. Dann geht es für 4 Kilometer und 500 Höhenmeter moderat ansteigend über den Wirtschaftsweg in Richtung Esterbergalm. Tatsächlich dürfte diese abschnittsweise sehr steile Forststraße die Schlüsselstelle der Tour sein, denn der Weg ist im Auf- und Abstieg mehr oder weniger obligat, stellt einen Großteil der Skitour dar und wird auch im Winter von der Esterbergalm genutzt, gestreut und geräumt. Zumindest sind das unsere Beobachtungen an einem schneereichen Dezembermorgen im Jahr 2023 n. Chr.
Und während wir hier im Aufstieg noch eine feine Schneeauflage und verträumte Winterlandschaften vorfinden – geht es in der Abfahrt mit innerhalb einer (kurzweiligen) Skitour aperen Abschnitten und Rollsplitt bereits dramatisch rauer zur Sache. Ein paar Tage später hätte ich auf die hier beschriebene Runde dann wahrscheinlich gar keine Lust mehr gehabt und die Erfahrung aus vielen Feierabendwanderungen zeigt – die Forststraße ist den Großteil des Winters schneefrei.
Nach einer Umrundung des Wankes auf seiner Westseite erreichen wir den Frauenmahd-Sattel, welcher den Übergang in das weite, leere und malerische Tal um die Esterbergalm vermittelt. Wir halten uns hier nicht weiter in Richtung Esterbergalm, sondern biegen rechts in die Aufstiegsvariante für sehr schneereiche Winter ab.
Gipfelanstieg über Frauenmahd
Das schmale aber nirgends nennenswert schwierige Steiglein führt durch die traumhaft eingezuckerte Neuschneekulisse. Im Sommer befindet sich hier ein schmaler Wurzelpfad und auch im Winter dürfte dieser Weg rasch eingespurt und wenig später auch von Wanderern genutzt und ausgetreten sein. Nach den massiven Neuschneefällen finden wir eine ideale Spur durch den hohen Tiefschnee vor und gewinnen rasch an Höhe.
Der Sonne entgegen und den Ecken- und Ameisenberg passierend erreichen wir den Gipfelrücken und wenig später das Gipfelkreuz am Wank. So oft schon hier gewesen – heute ist es aber definitiv der zweitschönste Besuch am eingezäunten Gipfelkreuz. Platz Eins hält weiterhin eine winterliche Sonnenaufgangstour mit Alpenglühen und Einsamkeit.
Abfahrt über Gipfelplateau
Wir schnallen am Gipfelkreuz die Skier an und rutschen am heute gut besuchten Wankhaus vorbei. Dahinter gibt ein kurzer Hang schon einen ersten Vorgeschmack auf die anstehende Abfahrt – in dem sonst sehr flachen Gelände muss aber auch nochmal kurz einige Höhenmeter nach Osten angestiegen werden, bis die Einfahrt in die alte Skipiste erreicht ist. Die Höhenmeter dieses Anstiegs lassen sich an einer Hand abzählen – ein auffellen lohnt sich bestimmt nicht.
Abfahrt über die alte Skipiste
Wir treffen noch ein paar Bekannte, die über die Skipiste aufgestiegen sind und nun im Endspurt zum Gipfel sind – bei den aktuellen Bedingungen ist der Wank der Nabel der Welt. Ganz Garmisch ist hier. Zumindest deuten die zahlreichen Spuren auch darauf hin.
Wir biegen links auf die offensichtliche Piste ab und finden perfekten, schattigen Pulverschnee in einer homogenen und wenig steilen Abfahrt zur Esterbergalm vor. Die nächsten 350 Höhenmeter sollte man ausgiebig genießen – sie sind das absolute Herzstück der Runde. Ben war so außer Rand und Band, dass er sein Handy irgendwo im Tiefschnee verloren hat und wir nochmal ein Stück in die Piste aufgestiegen sind. Die Mühen wurden zwar mit einer erneuten Abfahrt, nicht aber mit dem Fund des Handys belohnt.
An der Esterbergalm, nun mit etwas geknickter Laune ob des ungeplanten Verlustes geht es flach bis leicht ansteigend zurück zum Frauenmahd-Sattel. Die Strategien für dieses Teilstück sind sehr unterschiedlich. Ich war der Meinung die Strecke skaten zu können. Das geht – ist aber hinten raus anstrengend und bestimmt nicht allzu effizient. Wahrscheinlich kann man sich auch einen Moment Zeit nehmen und an der Esterbergalm wieder auffellen. Etwa so, wie meine Begleiter es getan haben.
Abfahrt über die Forststraße
Und nun? Abfahrt wie Aufstieg! Wobei es sich an wenigen Stellen lohnt in die Schneisen links von der Forststraße einzufahren und bei guter Schneelage ein paar etwas hübschere Varianten zu fahren. Die Straße ist nämlich nun – wenige Stunden später – schon in einen rustikaleren Zustand versetzt worden. Mit etwas Kreativität gelangt uns dennoch eine “Abfahrt” bis ins Wohngebiet. Das Projekt Skitour bis vor die Haustür muss hingegen noch etwas warten. Oder wir müssen schneller werden und den Schneepflügen zuvor kommen.
Schwierigkeit, Versicherung und Material
Nette Runde über den Hausberg – mit definitiv lohnender Aufstiegsvariante über die landschaftlich etwas ruhigere Frauenmahd. An und für sich aber definitiv keine “lohnende” Skitour, die man sich für jeden beliebigen Zeitpunkt im Winter auf die Wunschliste in und um Garmisch packen sollte. Ein großer Teil der Tour findet auf Forststraßen statt, die selten Schnee haben und diesen, sofern vorhanden, rasch wieder verlieren. In Summe kommt doch eine ordentliche Strecke auf Skiern und eine Menge Höhenmeter zusammen, die sich in der Abfahrt nur bedingt auszahlen. In der beschriebenen Aufstiegsvariante wird stellenweise 30° steiles Gelände gequert und in einigen Berichten auch auf die Lawinengefahr hingewiesen. Im Kontext des übrigen Geländes dieser Skitour mag das ein fairer Punkt sein, in Summe bewegt man sich aber durchgehend in ziemlich unproblematischer Umgebung und nimmt bei passenden Bedingungen an der Frauenmahd auch kein nennenswertes Zusatzrisiko in Kauf.
Für die Forststraße können Harscheisen oder Grödeln angebracht sein – ich habe diese im Winter schon mehrmals als ziemlich eisig erlebt. Einige Kehren im oberen Teil sind zudem steil bis wirklich sehr steil, wobei sich das “schlimmste” Stück kurz vor dem Frauenmahdsattel auch im Aufstiegssinne rechts im Gelände umgehen lässt.
Zusammenfassung
Heute Hui, morgen Pfui. Ein Traumtag am Wank und ein brauchbarer Ausflug in den Schnee, der andernorts wahrscheinlich zu heikel gewesen wäre.