Der Bergsporthersteller Simond dürfte den meisten Bergsportbegeisterten schonmal über den Weg gelaufen sein: Die in Chamonix ansässige Marke wird seit 2008 ausschließlich über Decathlon vertrieben und kann auf eine überraschend lange Historie im Alpinismus zurückblicken. Trotzdem bleiben die oft reichlich ausgefeilten Produkte in den Ostalpen ein wenig unter dem Radar.
Taucht man hingegen in die Bergwelt um Chamonix ein, so wird man plötzlich sehr viele charakteristisch dunkelblaue Steigeisen, Pickel und Jacken sehen. Und das nicht nur bei Anfängern und Sparfüchsen – ein Ruf, der vor allem aus Decathlon als „Sportartikel-Discounter“ hervorgeht. Simond hat längst bewiesen, dass sie vor allem in den technischen Produkten dicht an den gängigen Platzhirschen kleben und dabei oft mit einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis punkten. Umso spannender war für mich der neue ICE Evo* – welcher seine überarbeitete Neuveröffentlichung genau in einer Zeit feiert, in der ich auf der Suche nach einem verlässlichen und ausdauernden Schuh für Hochtouren, Winterbergsteigen und Eisklettern war. Eine Suche, die in diesem Schuh ein glückliches Ende gefunden hat.

Werbehinweis
Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links, das vorgestellte Produkt habe ich aber selbst erworben und verwende es als meinen primären Bergstiefel. Der Testbericht entsteht aus eigener Überzeugung und um ein paar zuzsätzliche Infos zu dem neuen Bergstiefel von Simond zur Verfügung zu stellen.
Was will der ICE Evo können?
Der Simond ICE Evo* ist ein hochentwickelter Bergstiefel der Kategorie D, der speziell für das Eisklettern und anspruchsvolle alpine Touren konzipiert wurde. Man schreibt sich sowohl Komfort als auch Sicherheit unter extremen Bedingungen auf die Flaggen. Die Bauart des Schuhs ist dabei gar nicht so neu – integrierte Gamaschen sind im Trend und auch die BOA bzw. HABU Drehverschlüsse haben in den gängigsten Modellen der meisten namhaften Hersteller Einzug gefunden. Für mich persönlich stand bereits länger fest, dass ich einen solchen Schuh benötige. Inzwischen sind einige meiner Unternehmungen zu lang und technisch geworden, um mich mit ungeschicktem Schuhwerk herumzuschlagen.
Meine bisherige Schuh-Reise
Die klassischen Kategorie C Stiefel sind mir zu kalt, zu wenig robust und zu unpräzise. Das „superleicht“ Ribelle-Flaggschiff von Scarpa aus der dieser Kategorie habe ich mit wenigen, einfachen Touren zerlöchert. Eine robusterer Kat. C Bergstiefel von Montura ist mit Steigeisen zu unpräzise. Mit ungünstiger Hebelwirkung und Verformung des Schuhs sind Blasen auf längeren Strecken vorprogrammiert. Mit dem Scarpa Mont Blanc Pro GTX habe ich dann zuletzt einen robusten Kategorie D Stiefel gefunden, der für mich aber nicht auf lange Strecke laufbar ist und ohne zusätzliche Gamaschen trotz Auslegung für Eisklettern und Nordwände Probleme mit Feuchtigkeit und Kälte bekommt. Und vor allem – rein subjektiv – habe ich diesen Schuh etwas verspätet als in der Praxis einigermaßen unpraktisch und im „leichten Gelände“ als reichlich unpräzise kennengelernt. Was also kann ein vergleichsweise leichter Kategorie D Schuh von Simond, welcher preislich zumindest zwei der oben genannten Varianten schlägt?
Für diesen kurzen Testbericht möchte ich mich auf die folgenden Aspekte konzentrieren: Einsatzgebiete, Gewicht & Komfort, Gamasche & Reißverschluss, Steigeisenkompatibilität, Schnürsystem und meine eigenen Erfahrungen.
Einsatzgebiete
Wir sind hier definitiv nicht mehr bei einem Wanderschuh – der ICE Evo* mag wirklich kaltes und schweres Terrain mit Steigeisenverwendung. Für eine Zugspitze über’s Höllental wäre er mir persönlich viel zu warm und viel zu technisch. Getragen habe ich ihn bisher zum Eis- und Mixedklettern in den Dolomiten und einer kleinen Nordwand in den bayerischen Voralpen. Vermisst hätte ich ihn auch in der Hochferner Nordwand letzten November.
Gewicht & Komfort
Positiv! Mit ca. 1620 Gramm bei einem Paar in Größe 42 ist der Schuh deutlich leichter als mein Vorgänger von Scarpa und reiht sich irgendwo im Mittelfeld seiner Kategorie ein. Es geht auch noch wesentlich leichter – mutmaßlich aber mit Abstrichen in Langlebigkeit und Wärmeleistung. Mir fällt aber direkt auf, dass der Schuh für mich (Größe 43 bei anderen Schuhen, ICE Evo auch in 43) perfekt passt und überraschend leicht abrollt. Damit kann ich Strecke machen! Ganz anders als mit den Kat. D Latschen, die mir bisher unter die Füße gekommen sind. Mit herausnehmbarer Zwischensohle und zusätzlicher, reflektierender Wärmeeinlage lässt sich an der Passform und Wärmeleistung noch etwas optimieren – das habe ich bisher noch nicht gemacht.
Gamasche und Reißverschluss
Die Gamasche schließt gut aber und hält auch bei absurder Tiefschneewühlerei und nicht perfekt eingesteckter Hose die Füße trocken. Woher ich das weiß…

Der Reißverschluss ist im ersten Moment ziemlich schwergängig und neigt dazu sich an den Drehverschlüssen zu verhaken. Mit dem mitgelieferten Schmiermittel wird es aber rasch leichter und hat man einmal den richtigen „Zug“ raus, dann lassen sich die Schuhe auch rasch und einfach öffnen und schließen.
Steigeisenkompatibilität
Der Schuh ist auf die Steigeisen von Simond angepasst – ich habe ihn bisher einmal mit dem Simond Vampire* verwendet – allerdings mit Körbchen vorne, weil ich noch die ganz alte Version dieser Eisen habe, die sich nicht auf Bügel umbauen lassen. Aber auch mit meinen Petzl Dart und Petzl Vasak* gibt es nichts zu Beanstanden.
Schnürsystem
Der Simond ICE Evo* hat zwei Schraubverschlüsse vom Typ HABU®, für den es lebenslange Garantie gibt. Es ist kein Geheimnis, dass diese Verschlüsse problematisch werden können, wenn sie im alpinen Gelände versagen und nicht einfach oder behelfsmäßig repariert werden können. Schön ist, dass es zwei Verschlüsse gibt und sich der Fuß damit in zwei Zonen einstellen lässt. Für mich hat sich bisher etabliert, dass ich bergauf oben relativ locker bin womit sich der Schuh fast wie ein Zustiegsschuh trägt. Wird das Gelände schärfer, so werden beide Verschlüsse zugedreht. Aufgrund der einigermaßen filigranen Rädchen ist das mit Handschuhen oder kalten Fingern aber gar nicht so einfach und nur bis zu einem gewissen Grad möglich – ein kleines Manko. Auch der „Zugriff von außen“ wie ihn etwa der La Sportiva G-Tech hat ist hier nicht möglich. Die Gamasche muss geöffnet werden um das Schnürsystem zu bedienen. Hier sind andere Hersteller aber gefühlt nochmal ein Stückchen weiter gegangen und bringen ein bisschen mehr Komfort mit.

Eigene Erfahrung & Fazit
Für mich persönlich funktioniert der Simond ICE Evo* extrem gut. Über kleine Abstriche im Schnürsystem kann ich gut hinweg sehen, weil ich mir im Vergleich zu den Flaggschiffen anderer Hersteller teils dreistellige Beträge einspare. In Sachen Komfort und Leistung gefällt er mir extrem gut. Ich kann mit dem Schuh Strecke machen wie in einem C-Stiefel, vergleichsweise präzise Kanten antreten und sehr ausgewogen Eisklettern. Der Schuh war dabei bisher immer warm und macht in seiner Verarbeitung einen so robusten Eindruck, dass ich davon überzeugt bin, dass er mich nun einige Jahre begleiten wird. Er reiht sich nahtlos in das Gesamtbild ein, welches ich von vielen Simond Produkten habe: technisch durchdachte und absolut konkurrenzfähige Produkte mit unschlagbarem Preis. Es gibt fast immer Kleinigkeiten, in denen andere einen Schritt weiter gehen oder ein Detail mehr beachten – der Aufpreis rechtfertigt das mMn. aber nicht immer.
